Wenn ich einen einzigen Charakterzug nennen müsste, der meinen Sohn auszeichnet und den ich an ihm  bewundere, dann wäre es sein unglaublicher Durchhaltewillen. Ich könnte mir davon gut die eine oder andere Scheibe abschneiden, denn ich gehöre eher zu den Leuten, die irgendwann aufgeben, wenn es nicht funktioniert. Nicht so mein Sohn.

drehenBei den so genannten Meilensteinen sahen wir Eltern ihn kaum einmal üben. Aber von der Sekunde an, als er beschloss er wolle sich jetzt vom Bauch auf den Rücken drehen (oh, er hasste es auf dem Bauch zu liegen!), verging noch genau eine Stunde, bis er es beherrschte. Er tobte und wütete, brüllte seine Wut in die Welt hinaus, untröstbar, er wollte das jetzt können. Er war vielleicht fünf Monate alt und wiegte sich kreischend hin und zurück, hin und zurück. Als ich ihn hochnehmen wollte, brüllte er noch lauter, also liess ich ihn auf dem Teppich liegen.
Und plötzlich: Stille. Dann ein Glucksen und als ich zu ihm hinschaute, sagte „ich habe Dich gesehen, Du hast Dich gedreht“, ein stolzes Lachen über sein ganzes Gesicht.
Danach hat er noch zwei, dreimal geübt um sicher zu sein, dass er es jetzt beherrschte – und wandte sich danach scheinbar desinteressiert dem nächsten Interessengebiet zu.

Exakt dieselbe Strategie wandte er für das Aufsitzen, Aufstehen, Krabbeln und was es sonst noch alles gibt, an (nur beim Gehen und Sprechen ging er anders vor). Abwarten und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, ein Riesengedöhns und dann – zack – konnte er es.

puzzlenIch weiss, das tönt wie ein Widerspruch, aber der kleine Kerl tut wirklich so, als würde ihn das Thema nicht interessieren. Dabei schaut er den Vorbildern genau auf die Finger und eignet sich dadurch ihre Kenntnisse an.
Letztens beispielsweise ging es um das Puzzeln. Seit Wochen schleppte er uns Puzzles an: „Mama soll Puzzle machen“ bzw. „Papa soll Puzzle machen“. Aber hallo? Wir machen uns doch nicht zum Clown, dachten wir und forderten ihn auf, selber zu probieren. Wochen- wenn nicht monatelang landete das Puzzle darauf hin in einem Wutanfall auf dem Boden und das Kind mit einem Bauchplättler hinterher.
Wenn ich Lust hatte und Zeit, puzzlete ich ihm vor. Er sagte immer nur „noch einmal“, weigerte sich aber, das Puzzle selber zu legen.
Die Kita-Betreuerinnen erzählten uns, dass er dort genau dasselbe Spiel spielte.
Neulich, das ist jetzt vielleicht drei Wochen her, wollte er dann selber puzzeln. Er hatte null Strategie, kreischte und tobte und wenn das Puzzleteil nicht an den Platz passte, versuchte er, es mit der Faust reinzuhämmern. Das ist zwar auch eine Strategie, aber nicht eine besonders erfolgreiche. Das dauerte eine gute Woche. Und dann, von einer Minute auf die andere machte er die Puzzles selber. Er hatte die Windpocken und Zimmerarrest. Sein Vater puzzlete mit ihm einen ganzen Sonntag lang die sechs Puzzles, die wir haben, hoch und runter. Papa nahm sie auseinander und Sohn setzte sie wieder zusammen. Unterdessen schon fast mit geschlossenen Augen. Und er macht es nicht nur mit den sechs Puzzles, die er kennt, sondern mit jedem altersgerechten (3-4 Jahre), das er in die Hände kriegt. Beim ersten Mal und ohne Fehler. Nun sind unsere paar Puzzles natürlich langweilig und ich überlege mir, ob ich solche mit 40 Teilen besorgen soll…

Ich bewundere diese Eigenschaft: Erst beobachten und dann trainieren und üben, bis er es aus dem FF beherrscht – und dann weiter zum Nächsten, was es zu lernen gibt, denn es gibt so viel zu lernen und das Leben ist so kurz. Ich hoffe, er kann diesen Durchhaltewillen ins Erwachsenenleben mitnehmen.