Ach Du meine Güte, war mein erster Gedanke, als heute ein Artikel über die Kinder Finder APP in meinem Newsreader aufschlug. Es war nicht das erste Mal, dass ähnliche Produkte beworben werden und so steht der Name stellvertretend für eine ganze Reihe ähnlicher Produkte, APPs und Programme.

Natürlich würde den meisten von uns schummrig ums Herz bei dem Gedanken, unsere Eltern würden erfahren, wo wir uns als Kinder überall rumgetrieben haben – ohne ihr Wissen natürlich.

Aber müssen wir unsere eigenen Kinder deshalb auf Schritt und Tritt be- und überwachen?

Ehrlich?

Also nicht dass wir uns missverstehen: Ich bin die Erste, die ihren Vierjährigen nicht alleine über die Strasse laufen oder alleine in den Kindergarten laufen lässt. Denn es kommt immer auch auf das einzelne Kind und seinen Entwicklungsstand, sowie die physische Umgebung an, ab welchem Alter man es alleine losziehen lassen kann.

Aber ob und dass mein Kind eines Tages alleine loszieht, das stand für mich nie infrage.

Normalerweise vergrössert ein Kind den Kreis, in dem er sich von Mamas Nabelschnur abseilt, in einem Tempo, dem wir Eltern gut folgen und uns schrittweise an die neue Selbständigkeit unserer Sprösslinge gewöhnen können.

Und nun tauchen plötzlich mehr und mehr dieser Überwachsungsgeräte auf. Verführerisch!

Man gibt dem Kind also ein Smartphone mit. Natürlich nur, damit es einem im Notfall anrufen könnte, schon klar. Aber dann sitzt man den ganzen Nachmittag wie auf Nadeln und wartet darauf, dass das Kind anrufen könnte und spielt im Kopf Filmchen ab, wie man es dazu auffordert Ruhe zu bewahren und auf den Helikopter der Rettungsflugwacht zu warten. Man legt schon mal den Schlüsselbund, das eigene Smartphone und das Portemonnaie parat, um im Falle eines Falles möglichst wenig Zeit zu verlieren.

Die Kinder Finder APP wäre in dem Fall natürlich hilfreich: Man wüsste ja gleich, wohin man den Helikopter schicken müsste. Aber man könnte so oder so einen Blick drauf werfen. Denn das Kind erzählt einem ja beim Nachtessen ja auch nicht mehr alles. Überhaupt wäre es interessant herauszufinden, ob es wirklich dort war, wo es gesagt hat…

Und dann sitzt man da und wartet.

Tut man damit etwas Gutes? Sich? Seinem Kind?

Das wage ich doch stark zu bezweifeln!

Erstens schadet man seinem Kind, das seine Privatsphäre, einen privaten Raum benötigt, um selbstbestimmt und motiviert zu lernen. Ich zitiere mich gleich selber: „Das unbeaufsichtigte, unstrukturierte Spiel gibt dem Kind Freiheit. Die Freiheit, seine Herausforderungen selber zu wählen. […] Bei keiner von Eltern oder Lehrpersonen vorgegebenen Aufgabe kann die Motivation höher und die Beharrlichkeit grösser sein, als bei einer selbst gewählten Herausforderung.“ (aus dem Artikel „Wie Kinder heute wachsen„)

Zweitens schadet man der Beziehung zwischen sich und dem Kind und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht:

  • Überwacht man jeden seiner Schritte offen, kommuniziert man dem Kind laut und deutlich „ich vertraue Dir nicht, ich traue Dir nicht zu, alleine klar zu kommen“.
  • Überwacht man es heimlich, dann ist das ein grober Vertrauensmissbrauch durch, der das Verhalten dem Kind gegenüber verändern wird. Denn sogar, wenn das Kind nichts von der Überwachung mitbekommt – man selber weiss ja ganz genau, was man hier hinter dem Rücken der geliebten Person tut. Wenn man Anstand hat – was ich den meisten jetzt einfach mal unterstelle – dann schämt man sich wohl auch ein klein wenig dafür, was natürlich die zukünftige Beziehung zum Kind beeinflusst.
  • Als die Erwachsenen im familiären Beziehungsgeflecht bestimmen wir Eltern, ob die Beziehungen auf Vertrauen oder auf Misstrauen basieren sollen. Wenn wir unseren Kindern nicht vertrauen, wird dieses Misstrauen sich ausbreiten und alle  Beziehungen innerhalb der Familie mit beeinflussen.

Drittens schadet man auch sich selber, indem man sich der Illusion einer Schicksalskontrolle hingibt, die man in dieser Form keinesfalls hat. Man lügt sich dabei in die Tasche und weiss es. Ja, man wüsste wo das Kind – oder sein Handy – zuletzt gewesen wäre. Aber man kann Unfälle dadurch nicht verhindern.

Unfälle und schlimme Unfallfolgen verhindert man, in dem man sein Kind durch Vorbild und Erklärung lehrt, wichtige Sicherheitsregeln zu beachten.
Man verhindert sie, indem man sein Kind in sicherer Umgebung üben lässt und ihm erlaubt, eigene Erfahrungen zu machen und dabei auch mal zu scheitern.

Wer dies nicht kann, dem kann auch ein Überwachungsgerät oder eine APP nicht helfen, denn für ein psychologisches Problem gibt es keine technische Lösung!

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