Es gibt Tage, da schaffe ich es kaum, die nötige Gelassenheit für den von uns gewählten Erziehungsstil aufzubringen. […] An solchen Tagen würde man manchmal am liebsten die ganzen pädagogischen Konzepte in die Tonne treten und das Kind anbrüllen: “Ruhe jetzt oder ich geb’ dir einen Grund zum Heulen”.

So schrieb ich unter dem Titel „Trotzblog“ vor ziemlich genau drei Jahren. Ja, Kurzer war ein starker Trotzer und „he gave us shit“, wie man in nicht ganz anständigem Englisch sagen würde. Jetzt ist er fünf durch und ich traue mich zu behaupten, die Gelassenheit, die wir dem Trotzden gegenüber an den Tag gelegt haben, zahlt sich jetzt aus.

PublicDomainPictures / Pixabay

Natürlich schafften wir es weder damals noch heute, jeden Anfall ruhig zu begleiten, ohne selber mal laut zu werden. Aber es hat doch sehr geholfen, dass ich selbst eine eher ruhige Person bin, die nicht so schnell ausrastet. Wobei, ich war manchmal ja selbst überrascht von mir, die Kurzen können uns in Rekordzeit rasend machen.

Um drei herum wars schlimm. Zwischen vier und fünf nochmal ganz brutal, der Hormonschub um fünf herum war auch nicht ohne. Und jetzt, ein paar Monate später, ist unser Bub reinster Zucker und das Zusammenleben mit ihm von Harmonie geprägt (hier müsst Ihr euch einen kurzen Einschub mit Harfenmusik denken) .

Mir war aber eigentlich immer klar, dass gerade bei Wutanfällen des Kurzen ein weiterer solcher von meiner Seite her eher wenig an Konstruktivem beitragen würde. Reinbrüllen bringt nicht viel mehr, als noch mehr Lärm.

Daneben half natürlich auch die Tatsache, dass ich selber eine sture Egoistin bin und vierzig Jahre Vorsprung in der Disziplin „wer hat den stureren Sturkopf“ habe. Gegen dieses Training kommt so ein Trotzzwerg einfach nicht an.

Zu jedem Zeitpunkt seines bisherigen Lebens hatte Kurzer immer das Recht zu sagen, wenn ihm etwas nicht passte – und ja, er nahm und nimmt dieses Recht häufig in Anspruch. Aber der Ton macht die Musik, das hat er schnell gemerkt: Wenn er seine Meinung in anständigem Ton vorbringt und mit Argumenten unterlegt, steigen seine Chancen angehört zu werden, rapide an. Auch diese Erkenntnis kam nicht nach zwei oder drei Tagen, sondern dauerte Monate, wenn nicht Jahre.

Was half uns sonst noch über das „Trotzalter“ hinweg? Nachbarinnen, die auch mal übernahmen wenns gar nicht mehr ging, die Kita, die uns Eltern einen Tag Luft pro Woche verschaffte und nicht zuletzt die Hilfe einer Kinderpsychologin, die uns Eltern verständlich machte, dass unser Kurzer im Grunde viel zu kooperativ, viel zu nett und freundlich sei für ein Kind in seinem Alter, und so die Perspektiven wieder richtig rückte.

Und ohne unser soziales und nachbarschaftliches Netz, also wenn nur eine Person 365 Tage lang 24/7 für das Kind “zuständig” wäre, das ginge überhaupt nicht, das würde kein Mensch aushalten! Homo sapiens sapiens ist eine Spezies, die ihre Jungen kooperativ aufzieht!

Ja, ich glaube das kann man aufs ganze Leben als Eltern, als Familie ausweiten: Das Wichtigste sind die Ressourcen, die man sich gibt – alle voran die sozialen Ressourcen. Ein “Stamm” der mithilft, die Kinder zu erziehen und Mamas/Papas, die Orte/Menschen/Aufgaben haben, um dort Kraft zu schöpfen für den doch manchmal sehr strengen Erziehungsalltag.