Es ist ein Kreuz: Kaum hat man mal etwas Luft, will man so viele Rückstände aufholen, dass man darüber in einen totalen „Get Shit done“-Stress kommt. Am Ende sitzt man dann auf dem Sofa und das spannende Buch, das man am Lesen ist, fällt einem auf die Nase. Das muss ändern, denn Monat für Monat kommen so viele neue, tolle Bücher auf den Markt, dass man auch in einem langen, von Freizeit durchzogenen Leben unmöglich alle durchlesen kann. Deshalb an dieser Stelle wieder nur eine kleine Zusammenfassung.

 „Als Hemingway mich liebte“ von Naomi Wood

Ernest Hemingway, begnadeter Reporter, Schriftsteller und Frauenheld, war viermal verheiratet. In einem literarischen Gemälde, das von den 1920ern bis in die 1960er Jahre reicht, malt Naomi Wood die Anfänge und Enden dieser Ehen nach.

„Als Hemingway mich liebte“ sind vier Geschichten in einer, immer aus der Perspektive der jeweiligen Ehefrau erzählt. Jede Erzählung setzt dort ein, wo die Geliebte in die bestehende Ehe tritt und blendet dann zu den Anfängen zurück, um bei der Scheidung (bzw. im letzten Fall dem Suizid Hemingways) zu enden. Hadley, Fife, Martha und Mary, vier Frauen, die nicht nur ihre Liebe zu Ernest Hemingway gemeinsam hatten, sondern auch die Tatsache, dass sie in ihrer Ehe mit ihm kaum je alleine waren, sondern Hemingway zahlreiche Geliebte hatte und die nächste Mrs. Hemingway jeweils schon bereit stand. So bietet das Buch einen schonungslosen Einblick in das Leben des berühmten Schriftstellers, seine Depressionen, seine Alkoholsucht und schliesslich seine Suche nach Geborgenheit in den Armen (s)einer Frau. Obwohl aus dem Blickwinkel der liebenden Frauen erzählt, kommt er dabei nicht besonders gut weg, denn seine Sprunghaftigkeit, Stimmungsschwankungen, Anflüge von Gewalttätigkeit, gesundheitlichen Probleme und seine Sauferei waren für die Frauen an seiner Seite keinesfalls leicht auszuhalten.

Ich muss zugeben, dass ich mit „Als Hemingway mich liebte“ nicht richtig warm wurde. Die häufigen Zeitsprünge und Perspektivenwechsel warfen mich ständig aus dem Lesefluss. Man merkt, dass die Autorin – im Gegensatz zu mir – mit Hemingway und seinem Werk sehr vertraut ist und ich musste mehrmals auf Wikipedia nachlesen gehen, um eine Anspielung oder eine Aussage in ihrem Zusammenhang verstehen zu können. Trotzdem bin ich von dem Buch nicht enttäuscht und empfehle es auch gerne weiter. Man sollte es aber vielleicht eher mal lesen, wenn man viel Zeit und Ruhe hat, es auf sich wirken zu lassen. Um es auf dem Klo und nach Feierabend häppchenweise zu lesen, ist „Als Hemingway mich liebte“ nicht das Richtige. Deshalb werde ich es wohl mit in die Sommerferien nehmen und dort nochmal lesen. Ich denke, in der Hitze des sommerlichen Mittelmeeres wird man die Stimmung von Südfrankreich, Florida und Kuba auch besser auf sich wirken lassen können, als während einem verregneten Schweizer Frühling.

“Als Hemingway mich liebte” (orig. “Mrs. Hemingway”)
Naomi Wood, übersetzt von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiss
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 2016
Gebundene Ausgabe, 368 Seiten
ISBN: 978-3-455-40559-0
Erschien als Hardcover, als Taschenbuch, als eBuch und als Hörbuch

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„Jogginghosen Henry“ von Hannes Finkbeiner

Jogginghosen-Henry trägt am liebsten Jogginghosen, sein Freund Grabriel ist Bestatter und Schalter-Felix arbeitet bei einer Bank. Als die Geschichte anfängt, sind sie wohl etwas über 18 und unterwegs zu ihrem ersten Heavy-Metal-Festival. Henry ist noch Jungfrau und verliebt sich prompt in Janka, die er, weil er ihren Namen nicht kennt, erst mal „Helga“ nennt.

Jahr für Jahr begleiten die Leserinnen und Leser Henry nun über knapp 400 Seiten ans Hardbeat Openair und erfahren zwischen den Zeilen (und zwischen den Festivals) etwas über Henrys Liebestrauma, seine Mutter, sein Leben im Keller und im Supermarkt und natürlich über Früchtetee und weshalb dieser unbedingt zu vermeiden ist. Über die Jahre hinweg entwickelt sich auch die Liebesgeschichte zu der schönen Janka (oder auch nicht) und die Freundschaft zwischen Henry, Gabriel, Felix und ihrem neuen Freund Evil Enrico, den sie bei ihrem ersten Festivalbesuch kennen lernen verändert mit den Jahren ihren Charakter. Selbstverständlich werde ich hier nicht verraten, ob Henry tatsächlich eine halbe Million an eine wohltätige Organisation gespendet hat.

Jogginghosen-Henry kommt ziemlich vorlaut daher und man merkt schnell, dass sich der Autor sowohl mit Heavy-Metal als auch mit Openair-Festivals auskennt (woher ich das weiss, werde ich hier nicht verraten). Aber genau so, wie hinter den rotzigen Sprüchen der Protagonisten unsichere Jugendliche stehen, die auf der Suche nach Liebe, Anerkennung und dem Gefühl, dazu zu gehören sind, überdeckt die schnelle, freche Sprache Finkbeiners eine berührende Geschichte übers Erwachsenwerden von drei, bzw. vier Jugendlichen, die trotz ihres jungen Alters schon ein ganz schön schweres Paket an Lebenserfahrung mit sich herumtragen.

“Jogginghosen Henry”
Hannes Finkbeiner
Wilhelm Heyne Verlag, München, 2016
Broschiert, 347 Seiten
ISBN: 978-3-453-41868-4
Als Taschenbuch, eBuch und Hörbuch erschienen

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„Muchachas“ („Tanz in den Tag“, „Kopfüber ins Leben“ und „Nur ein Schritt zum Glück“) von Katherine Pancol

Die erste Trilogie von Katherine Pancol rund um Joséphine, ihre Töchter Hortense und Zoé und viele andere habe ich sehr gerne gelesen und freute mich deshalb, als mir Carl’s Books in diesem Frühjahr neue Trilogie der Französin, „Muchachas“, anbot.
Wie bei den „Joséphine“-Romanen verwebt Pancol hier mehrere Geschichten, oder besser: die Geschichten mehrerer Personen, zu einem grossen, dichten, bunten Teppich.

Im ersten Band, „Tanz in den Tag“, lernen wir Stella und ihre Mutter Léonie kennen. Léonie wird von ihrem Mann Ray – dem vermeintlichen Vater Stellas – geschlagen. Stella arbeitet auf dem Schrottplatz von Julie, ihrer besten Freundin und deren Vater Edmonde, der als junger Mann in Léonie verliebt war. Können Stella und ihre Verbündeten Léonie helfen oder ist der allseits beliebte Feuerwehrmann Ray zu stark für sie? In einem anderen Erzählstrang treffen wir wieder auf Hortense und Gary. Die beiden sind in New York, Gary als Pianist an einer renommierten Musikschule und Hortense arbeitet als Modedesignerin. Sie ist unzufrieden und wartet auf ihren grossen Durchbruch. An der Musikschule Garys studiert auch die unscheinbare Violonistin Calypso, die jedes Mal, wenn sie Geige spielt, in Garys Augen zur Göttin. Joséphine lebt mit Philippe und dessen Sohn Alexandre in London, ist aber mit der Situation nicht ganz zufrieden. Auch Shirley, Becca, Zoé und ihr Freund Gaëtan tauchen wieder auf und alle haben ihre eigenen Probleme.

Der zweite Band, „Kopfüber ins Leben“, dreht sich vor allem um die jungen Leute in New York: Hortense, die ihren Job gekündigt hat und nun nach der einen brillanten Idee sucht, mit der sie den Durchbruch als Modeschöpferin schaffen wird. Selbstbewusst wie immer stampft sie durchs Leben und überrennt dabei auch gerne jene Menschen, die sie lieben. Deshalb entgeht ihr auch, dass Gary sie zwar liebt, aber an ihrer Seite nicht glücklich ist und sich zu Calypso, der mausgesichtigen Violonistin, hingezogen fühlt. Hortense und Gary leben in der Wohnung von Elena, die im Gegenzug von Garys Musik profitieren möchte. Aber Elena hat auch eine Vorgeschichte in der Modebranche und als Hortense endlich ihre Idee gefunden hat und damit zu ihr kommt, ist die alte Witwe eines russischen Grafen bereit, ihre Idee zu finanzieren. Zudem verfügt sie in der Pariser Modewelt um die nötigen Connections und ist bereit, Hortense dort einzuführen. Man fragt sich nur, weshalb? Denn reine Nächstenliebe ist definitiv nicht das, was die alte, lebenslustige Dame antreibt. Shirley verliebt sich einmal mehr unglücklich und flieht nach New York, bevor sie ihre Freunde mit ins Unglück stürzt.

In „Nur ein Schritt zum Glück“ schliesslich fliessen all die Geschichten ineinander und lösen sich auf. Der Hauptplot dreht sich um Stella und ihre Rache an ihren Stiefvater Ray. Wir begleiten sie, als sie sich Schritt um Schritt freikämpft und damit auch ihre Beziehung und ihre Mutter rettet und den Respekt ihres Sohnes Tom gewinnt. Wir erfahren, wie die Leben von Stella und Joséphine zusammenhängen. Die Beiden lernen sich sogar kennen und werden Freundinnen. Hortense kommt nach Paris, um hier ihr Modehaus aufzubauen und muss lernen, dass es auch mit Elenas Hilfe bis zum grossen Durchbruch noch ein weiter Weg sein wird. Wie ein Hurrikan kommt sie zurück in die Wohnung ihrer Mutter und mischt die ganze Familie auf. Gary, der sich über einiges klar werden muss, wird das zuviel und er flieht zuerst nach London und danach ins Schloss seines Vaters nach Schottland. Gaëtan verliert seine Stelle, versucht sich an Kokain und fällt in eine Depression, bei der ihm auch die liebe Zoë nicht helfen kann. Calypso begegnet ihrer Mutter und geniesst ihre erste Liebe, auch wenn sie damit rechnen muss, dass Gary bei Hortense bleiben und sie in seinem Leben immer nur die zweite Geige spielen wird.

Ach, ich liebe Pancols Figuren und ich habe mich so auf ein Wiedersehen mit Joséphine und ihrer Familie gefreut. Muss aber zugeben, dass sie mich in dieser Trilogie über weite Strecken nur gestört haben, denn mit der eigentlichen Geschichte – Stella und ihrem Kampf gegen Ray – haben sie nichts zu tun. Natürlich war es interessant zu lesen, wie es mit Joséphine, Shirley, Hortense und Zoé weiterging, aber das hätte man auch in einem separaten Buch abhandeln können. Das wäre meiner Meinung nach in diesem Fall stimmiger gewesen. Immerhin hat es Pancol aber geschafft, die meisten Erzählfäden in sich selbst logisch – und ohne auf ein telepathisch begabtes Baby zurückzugreifen – abzuschliessen. Ein paar Fäden jedoch blieben offen: Wie wird sich Gary entscheiden? Finden Calypso und ihre Mutter einen Weg zueinander? Was ist mit Elena und ihrer Rache an wem auch immer und lässt sich Hortense wirklich vor ihren Karren spannen?
Pancol ist eine Meisterin im Zeichnen von vielschichtigen, ambivalenten Figuren und dafür liebe ich sie. Ihre Schreibe ist einfühlsam und als Leserin taucht man sofort in die Geschichte ein. Ihre Plots sind reich an Wendungen und Unvorhersehbarkeiten und es macht Spass, sich ihnen entlang zu lesen. Einziger Wermutstropfen ist für mich die Tatsache, dass nur der Haupterzähltstrang einen (sehr!) zufriedenstellenden Abschluss findet und die anderen Erzählstränge irgendwie nur ausfransen. Deshalb hoffe ich jetzt einfach, dass die Autorin die Geschichten in einem späteren Buch wieder aufnehmen und auch noch zuende bringen wird.

“Muchachas”
Katherine Pancol, übersetzt von Nathalie Lemmens
carl’s books, München, 2016
Broschiert
ISBN: 978-3-570-58556-6, 978-3-570-58557-3 und 978-3-570-58558-0
auch als eBuch und als Hörbuch erhältlich

Bezugsquellen (verlinkt ist jeweils der erste Band der Reihe

  • In Deutschland: amazon.de | buch24.de | buecher.de | genialokal.de | osiander.de | thalia.de | weltbild.de
  • In der Schweiz: buchhaus.ch | orellfuessli.ch
  • In Österreich: thalia.at

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