Während den Sommerferien hat man Zeit und Ruhe, um viel zu lesen und vielleicht seinen Stapel ungelesener Bücher etwas abzubauen – könnte man meinen! Aber für eine Home-Office-Mompreneur ist natürlich das Gegenteil wahr: Da sind die sechs Wochen Schulferien im Sommer die strengste Zeit des Jahres, weil man Kind, Mann, Urlaub, Schwimmbad, Ausflüge, Sport, Zeit für sich, und die Arbeit irgendwie unter einen Hut bringen muss. Aber Lesen geht natürlich immer!

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„Der offene Sarg – Ein neuer Fall für Hercule Poirot“ von Sophie Hannah

Die eigenwillige Autorin Lady Athelinda Playford lädt eine gemischte Gesellschaft zu einem Dinner auf ihren Landsitz ein. Während des Dinners verkündet sie den schockierten Gästen, dass sie ihre Familie zugunsten ihres Privatsekretärs zu enterben gedenke. Und prompt stirbt in der Nacht darauf eben jener Sekretär – der bereits schwer krank war – eines gewaltsamen Todes. Auf den ersten Blick erscheint der Fall klar, eine Verdächtige ist schnell gefunden, aber da ist auch der belgische Stardetektiv Hercule Poirot unter den Gästen und der sieht die Sache natürlich anders, als die örtliche Polizei. Inspector Catchpool von Scotland Yard steht ihm dabei zur Seite und während Poirot nachdenkt, sucht der Inspektor in Haus und Garten nach Spuren und Indizen, die den wahren Mörder entlarven. Wie es sich für einen Hercule-Poirot-Roman gehört, verkündet der Meister am Ende der versammelten Gästeschar den Namen des Mörders und seine Motive.
Ich stelle es mir extrem schwer vor, die Erzählstimme einer anderen Autorin nachzumachen, aber Sophie Hannah schafft es hervorragend, Christies Stil zu treffen und die Atmosphäre aus ihren Romanen wiederzubeleben. „Der offene Sarg“ liest sich flüssig, die Sprache ist wunderbar altmodisch, die Hintergrundstory ist eben so an den Haaren herbeigezogen konstruiert wie wir uns das von der grossen Meisterin her gewohnt sind und es macht Spass, gemeinsam mit dem Inspector Catchpool der Auflösung und Aufdeckung des wahren Täters entgegenzurätseln. Ich werde mir aber trotzdem wieder mal meine alten „Christies“ zu Gemüte führen, bevor ich weitere Bände von Sophie Hannah lese.

„Der offene Sarg“ ist als Hardcover, Taschenbuch, eBuch und Hörbuch im Atlantik Verlag erschienen

Bezugsquellen (der Link führt zum Taschenbuch)

„Nordische Nächte – die schönsten Erzählungen“ von Tania Blixen

„Nordische Nächte“ ist ein Erzählband mit sieben Geschichten, wobei sich die erste – „Saison in Kopenhagen“ – über 90 Seiten erstreckt und die andere etwas kürzer sind. Die Berühmteste ist wohl „Babettes Fest“, das 1987 verfilmt wurde, die anderen kannte ich noch nicht und habe sie mit Genuss gelesen. „I had a farm in Africa…“, die Synchronstimme von Meryl Streep, hatte ich beim Lesen im Ohr, weil sie für mich für immer und ewig mit dem Namen Tania/Karen Blixen zusammenhängt.
Blixen, die mehrmals für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen war, ihn aber nie gewonnen hatte, schreibt mit technischer Perfektion und einer Liebe für Beschreibungen und Erklärungen. Langsame Handlungsverläufe, ein unmerklicher Spannungsaufbau und eine Tiefe und Mehrschichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Blixens Geschichten sind nichts zum schnell hurtig mal am Abend vor dem Schlafengehen lesen. Wie ein alter Wein gekostet werden muss, damit er sein reichhaltiges Bouquet entfalten kann, muss man Blixens Erzählungen langsam lesen, die Sätze „kosten“, die Geschichten in Ruhe nachhallen lassen.
„Nordische Nächte“ ist grosse Literatur in verdaubaren Portionen!

 „Nordische Nächte“ ist als Taschenbuch und eBuch im Penguin Verlag erschienen

Bezugsquellen (der Link führt zum Taschenbuch)

„Das Haus am Fluss“ von Tanja Heitmann

Marie trauert um ihren verstorbenen Mann Thomas und verlässt gemeinsam mit ihrem Sohn Valentin Frankfurt, um nach Tidewall nördlich von Hamburg zu ziehen. Im dortigen Kapitänshaus kommt sie langsam zur Ruhe. Beim Renovieren des Hauses und in Gesprächen mit ihren Verwandten deckt sie nach und nach die Vergangenheit und die Geschichte ihrer Grosstante Marlene und deren Mutter Mina auf. Mina, die eigenwillige Tochter aus reichem Haus, hatte sich 1924 in den Tagelöhner Johann verliebt, jedoch einen anderen, standesgemässen Mann geheiratet. Vor ihrer unglücklichen Ehe fliehend, kam sie 1941 erneut nach Tidewall und traf Johann wieder. Die Zeiten haben sich geändert, Mina ist reifer geworden und sie und Johann gehen eine Beziehung ein – was weder Minas Tochter Marlene noch die Nazis im Dorf Tidewall gerne sehen, mit denen sich Johann angelegt hat.
„Das Haus am Fluss“ hätte grosses Potential. Mehrere tragische Geschichten, die miteinander verflochten sind, ganz grosse Gefühle von Liebe und Eifersucht, ein Verrat, Nazis, da hätte man was draus machen können. Leider plätschert die Geschichte so vor sich hin, wie der Fluss, an dem sie spielt, ohne irgendwann mal auf den Punkt zu kommen. Beim Lesen denkt man öfter mal „spuck es endlich aus“, weil man im Voraus weiss, worauf eine Szene hinausläuft, aber sich die Autorin noch in endlose Beschreibungen der Gefühlswelt ihrer Protagonistinnen verstrickt. „Show, don’t tell!“ möchte man ihr zurufen, aber zur Sicherheit zeigt sie, erzählt sie, beschreibt sie und hängt dann gleich noch ein paar tiefschürfende psychologische Erkenntnisse der Handelnden ein, bevor die Handlung weiter gehen darf, nur um sie zwei Seiten später wieder zu unterbrechen, um der Leserin dieselben Erkenntnisse noch mal unter die Nase zu reiben. Versteht mich nicht falsch, „Das Haus am Fluss“ ist kein schlechtes Buch. Der Plot ist solide konstruiert, die Landschaftsbeschreibungen machen Lust, die Region des Elbdeiches mal zu bereisen. Die Geschichte packt einem immerhin so weit, dass man wissen möchte, wie es für die Protagonistinnen weiter geht – aber das Buch hätte sehr viel an Spannung, Tempo und Qualität gewinnen können, wenn sich Autorin und Verlag die Mühe gemacht hätten, es radikal zu überarbeiten, Wiederholungen, Endlosbeschreibungen und Längen herauszukürzen.

„Das Haus am Fluss“ ist als Hardcover, Taschenbuch, eBuch und Hörbuch bei Blanvalet erschienen

Bezugsquellen („Das Haus am Fluss“ ist leider teilweise vergriffen bzw. nur noch als Hörbuch erhältlich)

„Retour – Luc Verlains erster Fall“ von Alexander Oetker

Vor vielen Jahren hat Luc Verlain seine Heimatstadt Bordeaux verlassen, um in Paris Karriere als Inspecteur der Polizei zu machen. Als sein Vater schwer krank wird, lässt er sich nach Bordeaux zurückversetzen. Noch bevor er sich dort einleben kann, wird eine junge Frau erschlagen aufgefunden. Ihr Ex-Freund nordafrikanischer Herkunft wird von den Dorfbewohnern – allen voran des Mädchens Stiefvater, der mit dem Front National sympathisiert – schnell als Schuldiger abgestempelt. Luc Verlain ermittelt jedoch in verschiedene Richtungen. Dabei kommen ihm auch seine persönliche Geschichte und einer seiner neuen Arbeitskollegen in den Weg.
„Ein Krimi an einem Ort, an dem ich gerne mal in Urlaub fahren würde“, dachte ich, als ich das Buch sah. Aber „Retour“ ist viel mehr als das: Alexander Oetker rollt nicht nur die persönliche Geschichte seines Protagonisten auf, sondern bringt der Leserschaft auch en passant noch die Mentalität der Menschen an der französischen Atlantikküste näher und den Nährboden, auf dem rechtsextreme Parteien wie der Front National wachsen und gedeihen. Es gibt eben nicht nur Schwarz und Weiss, sondern auch viele Grautöne. Wie es sich für einen Krimi gehört, hat am Ende aber dann doch alles seine Ordnung.
Man merkt, dass „Retour“ ein Erstling ist: Die Charaktere sind noch nicht ganz so ausgereift, abgeschliffen (was sie aber nicht weniger interessant macht, im Gegenteil!), die Story holpert teilweise noch ein Bisschen. Aber ich habe mich beim Lesen keine Minute gelangweilt und bin neugierig, wie es mit Luc, Anouk und all den anderen weitergeht (der zweite Band folgt im März 2018). Wer sich in der Zwischenzeit in die Stimmung der Aquitaine einfühlen mag, kann sich Luc Verlains Webseite und Blog anschauen: https://www.lucverlain.de

„Retour- Luc Verlains erster Fall“ ist als Taschenbuch, Hörbuch und eBuch bei Hoffmann und Campe erschienen

Bezugsquellen (der Link führt zum Taschenbuch)

„Die Zitronenschwestern“ von Valentina Cebeni

Elettras Mutter Edda, eine begnadete Bäckerin, liegt im Koma und Elettra fehlt die Liebe zum Handwerk, um die Bäckerei erfolgreich weiterzuführen. Mit der Situation überfordert, fährt sie auf die Isola del Titano, auf der ihre Mutter aufgewachsen ist und hofft, dort ein paar Antworten zu finden. Die Bewohner sind abweisend und Elettra läuft einfach mal auf gut Glück auf der Insel herum, bis sie das Kloster der heiligen Elisabeth findet, in dem ihre Mutter aufgewachsen sein muss. Das Kloster gehört heute Lea, die gemeinsam mit Nicole und Dominique dort lebt, zwei anderen verstossenen Frauen. Lea hat grosse finanzielle Probleme und ein Geschäftsmann macht Druck, um an Stelle des Klosters einen Golfplatz bauen zu können. Elettra will den Frauen helfen, das Kloster zu retten und sucht gleichzeitig nach ihrer eigenen Vergangenheit. Dann geht es noch um die Liebe, Vertrauen, ein paar Geheimnisse und eine geheimnisvolle Schwangerschaft.
Ich gebe mir normalerweise Mühe, nett mit Büchern zu sein. Aber bei diesem hier kann ich nicht verstehen, wie überhaupt jemand auf die Idee kommt, eine positive Kritik zu schreiben. Die Story ist so an den Haaren herbeigezogen und wirr konstruiert, dass man vor lauter Kopfschütteln ständig aus der Geschichte fällt. Die Autorin stopft alle Themen der Menschheit rein: Selbstfindung, Liebe, Geheimnis, häusliche Gewalt, Religion, Frauenfreundschaften und dann auch noch die Kritik an Grundstückspekulanten und unmenschlichen Traditionen. All das tut sie in einem so schlechten Schreibstil, dass der Text tatsächlich streckenweise so sauer schmeckt, wie die titelgebenden Zitronen. Einziger Lichtblick sind die eingestreuten Rezepte, die tatsächlich Lust aufs Ausprobieren machen.

„Die Zitronenschwestern“ ist als Taschenbuch, eBuch und Hörbuch im Penguin Verlag erschienen

Bezugsquellen (der Link führt zum Taschenbuch)

„Geborene Freaks“ von Andrew Kaufman

Angie Freak wird zu ihrer Grossmutter gerufen, die im Krankenhaus liegt und überzeugt ist, dass sie in dreizehn Tagen sterben wird. Oma Freak erklärt ihr, dass sie ihr und ihren drei Geschwistern eigentlich bei der Geburt einen Segen angezaubert hatte, aber dass dieser Schuss nach Hinten losgegangen war und der Segen zu einem Fluch wurde. Um diesen „Flegen“ zu entfernen, müssten die vier Geschwister anwesend sein, wenn die Grossmutter stirbt. Also macht sich Angie auf den Weg, um ihre Geschwister zu finden und sie zu überreden, mit zu Oma zu kommen. Auf dem Weg stolpern die jungen Leute nicht nur über ihre jeweiligen „Flegen“, sondern auch noch über ihren jung verstorbenen Vater.
„Geborene Freaks“ ist ein verrückter Road Movie mit interessanten Charakteren, ein paar nachdenklichen Momenten und unerwarteten Wendungen. Kein tiefgründiger Roman, aber unterhaltsam und erfrischend.

„Geborene Freaks“ ist als Taschenbuch und E-Book im btb Verlag erschienen

Bezugsquellen

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