In meinem ganzen bisherigen Leben bin ich noch nie in so viele verschiedene Fettnäpfchen auf so engem Raum getreten, wie in der Zeit, seit ich in Mütterkreisen verkehre!

Madonna del Latte (16. Jh.)

Madonna del Latte (16. Jh.)

So viele Schuldgefühle, Vorfürfe und präventive Defensivagriffe sind mir noch in keinem anderen Umfeld begegnet. Und hinter jedem Busch lauert Supermutti.

Da kann ich mich selbst übrigens nicht ausnehmen. Man will schliesslich eine gute Mutter sein. Wie oft habe ich, wenn es um Themen wie „natürliche Geburt“ und „Bonding“ geht, Luft geholt und zu einem langatmigen „ja, aaaaaaber….“ ausgeholt. „Ja, natürlich wäre eine natürliche, selbstbestimmte Geburt das Beste, aber als Kaiserschnittmutter bin ich keine schlechtere Mutter“.

Halt. Stop.

Nein! In unserem Fall wäre eben eine natürliche, selbstbestimmte Geburt nicht das Beste gewesen. Dann wären wir jetzt nämlich beide tot. Und trotzdem fühle ich mich schuldig: Hätte ich diese komischen Turnübungen disziplinierter gemacht, hätte ich noch Moxing, Akkupunktur, -pressur, Handauflegen und was es sonst noch alles gibt, auch noch ausprobiert und nicht einfach hingenommen, dass mein Kind sich nicht mehr drehte…

Nein. Halt. Stop.

Ein grosser Teil meiner Wochenbettdepression und Babyblues war von solchen Gedanken geprägt. Wenn ich doch nur dieses und jenes anders gemacht hätte: Weniger Pasta gegessen, mehr geschwommen, bessere Turnübungen, früher mir Rauchen aufgehört,… ich sag’s euch: Völlig sinnfrei diese destruktiven Gedankenschleifen. Ich suchte regelrecht nach Gründen, um mir selber die Schuld dafür geben zu können, dass ein Kaiserschnitt sein musste und dass bei diesem Komplikationen auftraten. Und gerade das verpatzte Bonding (ich sah den Kurzen erst acht Stunden nach der Geburt, weil er sofort und ich erst später in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde) machte mir sehr zu schaffen und in dunkeln Momenten dachte ich, das wär’s jetzt gewesen: Alles verpatzt!

Meine Nachsorgehebamme, eine Holländerin, hatte diesbezüglich eine wunderbar pragmatische Einstellung: „Der Kleine lebt. Du lebst. Alles andere könnt ihr nachhholen“.

Wie recht sie hatte!

Und obwohl ich das alles weiss und die damaligen Ereignisse eigentlich gut verarbeitet habe, kann ich kaum Geburtsberichte anderer Mütter lesen, die diesen magischen Moment des ersten Kennenlernens beschreiben, ohne dass der Neid wie ein kleiner, fieser Wurm an mir nagt und mich sauer aufstossen lässt.

Aber unsere Geschichte ist eine Andere. Und sie wird sich auch nicht dadurch ändern, dass ich anderen ihre schönen Erlebnisse nicht gönnen mag oder nicht möchte, dass sie Berichte oder Bilder darüber veröffentlichen. Egal was andere tun oder lassen würden: Unsere Geschichte ist wie sie ist – und bleibt so.

Auch in Bezug auf das Stillen – das bei uns ja auch nie so ganz „richtig“ funktionieren wollte – sehe ich keinen Sinn darin, jene zu kritisieren, die sich darüber freuen, wenn es bei ihnen auf Anhieb oder nach Startschwierigkeiten gut klappt, sie Schwierigkeiten überwunden und schlussendlich ihr Ziel erreicht haben. So wenig Geburtsberichte anderer Frauen mit mir zu tun haben, so wenig haben dies auch Stillberichte anderer Frauen: Sie erzählen nicht meine Geschichte. Vielleicht können sie jemandem anderen Mut machen. Aber an mich enthalten sie keine Botschaft.

An Tagen, an denen ich diese Art Berichte nicht ertrage, klicke ich sie weg oder blättere weiter. An anderen Tagen hingegen lese ich sie mit Interesse, ein Bisschen Trauer über das, was ich nicht haben konnte, aber auch Freude darüber, wie viele verschiedene, frei gewählte oder umständehalber akzeptiert haben müssende Arten es gibt, Mutterschaft zu leben. Und ich freue mich über den Austausch!