Mein Junge ist einen halben Kopf grösser als die Gleichaltrigen und er ist immer der Erste, der in Konfliktsituationen körperlich wird.

Er ist der Angreifer. Der Grosse, der die Kleinen schikaniert. Immer. Danach sieht es aus.

Krieg oder Frieden <br>christiaaane  / pixelio.de

Krieg oder Frieden
christiaaane / pixelio.de

Als Mutter sehe ich das natürlich anders.
Ich sehe einen etwas lang geratenen Vierjährigen, der gehänselt wird, weil sich ältere Kinder über seine Ausraster amüsieren. Ich sehe gleichaltrige Mädchen, die ihn demonstrativ ausschliessen, obwohl er lieb gefragt hat, ob er mitspielen darf. Ich sehe die gleichaltrigen Jungen, die nicht mit ihm teilen wollen, obwohl er etwas im Tausch anbietet.
Ich sehe Eltern, die immer erst hinschauen, wenn ihr Kind weinend am Boden liegt und dem Kind, das „angefangen“ hat, böse Blicke zuwerfen oder es gar grob von ihrem Kind wegziehen und anschnauzen.
Ich sehe diesen grossen kleinen Jungen, der wütend Gegenstände durch die Gegend schmeisst, Erwachsene schlägt und alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, mit Fusstritten traktiert.
Und mein Herz schmerzt so sehr für ihn aber mehr als ganz fest festhalten und ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe, kann ich ihn nicht.

So eine gequirlte Kackawurst!

Meine Āžngste, dass Kurzer ausgeschlossen werden könnte, meine Angst, was andere Eltern von meinem Kind oder meinen mütterlichen Qualifikationen halten könnten, die haben absolut nichts mit dem Streit zwischen meinem Sohn und seinem Kumpel zu tun.

Hier ist der Konflikt zwischen zwei Kindern.

Dort sind meine eigenen Āžngste und Dämonen.

Zwei verschiedene Themen!

Körperliche, bzw. vermeintlich aggressive Handlungen zwischen kleinen Kindern sind bis zu einem gewissen Grad normal, sobald die Eloquenz an ihre Grenzen stösst oder die Überforderung eintritt. Ein Kind, das körperlich wird, gehört noch lange nicht in Therapie. Aber darüber mag ich hier gar nicht referieren, sondern verweise einfach auf das ausgezeichnete Buch von Jesper Juul: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (der Link führt zu Amazon und ich erhalte eine kleine Provision, wenn Du ihn zum Bestellen benutzt).

Ein anderer Fakt ist: Wenn Kinder andere Kinder ärgern, hänseln, nicht mitspielen lassen, dann müssen sie lernen, dass irgendwann etwas zurückkommt. Wenn Kurzer mehrmals freundlich fragt, ob er mitspielen dürfe und die anderen sich einfach abwenden, ihn ignorieren, ihren Kreis schliessen, dann hat er das Recht, wütend und frustriert zu sein. Wenn er seinen Muffin mit dem anderen Kind teilt, aber dieses ihm nicht von seinem abgibt, dann ist seine Wut ebenfalls berechtigt. Und wenn Āžltere mit einem Spielzeug vor seiner Nase hermfuchteln und lachend weglaufen wenn er vor Frustration laut losheult, haben sie es verflixt nocheins nicht besser verdient, als dass ihnen mal einer eins auf die Nase gibt!

Hauen ist nicht akzeptabel. Nie. In dem Punkt sind sich alle einig. Es ist aber eindeutig nicht immer das Kind, das als erstes physisch wird, das eine Antiaggressionstherapie benötigt. Nicht nur Schlagen ist sozial unverträglich, sondern auch das verbale Schikanieren von Kleineren und/oder Schwächeren.

Aber das haben, so lernte mich die Erfahrung, auch viele Jugendliche oder Erwachsene nicht gelernt. Auch die meinen dann, „aber ich habe ja gar nichts getan“, wenn ein Mobbingopfer durchdreht und zurückschlägt.

Natürlich ist eine solche Reaktion nicht ok. Aber verdammt, die Aktion, die zur Reaktion geführt hat, ist es auch nicht. Seine Wut und Frustration sind berechtigt. Daran, wie er sie ausdrückt, müssen wir noch arbeiten.

Und seien wir ehrlich: Manchmal braucht jemand, der ein verbales „nein, lass mich in Ruhe“ nicht versteht, auch eins auf die Nase. Egal wie alt er ist.