(Edit vom August 2014: Der folgende Artikel enthält neuerdings Werbelinks zu Tollabox Deutschland und Schweiz. Der Test, über den ich hier schreibe, hat ein halbes Jahr früher stattgefunden und ist davon völlig unbeeinflusst)

Das Motto „Zurück zur Natur“ liegt mir sehr, damit reichte es bis vor wenigen Monaten, Kurzen irgendwo am Waldrand hinzustellen und zu sagen „Du bist ein Kind, hier ist die Natur, jetzt beobachte mal ein paar Würmer“ und mich selber dann in ein nahes Café zu setzen oder doch wenigstens eine trockene Bank, wo ich mein Buch/Smartphone/Kindle zückte und Sinnvolleres tat, während sich Kurzer zufrieden selber frühförderte.

Wenigstens in der Theorie.

In der Praxis war es leider oft doch so, dass nach fünf Sekunden die Frage kam: „Mama, mir ist langweilig, können wir jetzt wieder heimgehen?“

„Nein“, antwortete ich dann jeweils stur, „Draussen ist gut, Natur ist gut für Dich“.
„Aber Mama, dann spiel mit mir“
„grrrr“

Weitere fünf Sekunden später pflegte auch ich mich dann tierisch zu langweilen.

Zuhause wäre es natürlich nicht besser gewesen. Dass ich ein Bastelmuffel bin, ist ein offenes Geheimnis. Schneiden, kleben, malen überlasse ich gerne den anderen. Gar selber auf Pinterest neuen Bastelideen nachjagen zu müssen, kommt meiner Vorstellung von „Hölle“ recht nahe. Meine Technik der Kleinkindförderung via Nicht-Intervention hat ihre Gründe, denn sie entspricht rein zufällig auch meinen persönlichen Vorlieben.

Wenn Kurzer basteln will, halte ich ihn natürlich nicht auf. Ich gebe ihm dann einfach Papier, Farbe, Schere, Kleber, Kloröllchen und was er sonst noch so benötigt und lasse ihn seine Kreativität selbstbestimmt und frei ausleben. Ich meine damit die fünf Sekunden zwischen Empfang des Materials und „Mammmaaaaaaaa, mir ist langweilig, was machen wir jetzt?“

(Einschub: Ich halte Langeweile grundsätzlich für etwas pädagogisch Wertvolles. Einfach dann nicht, wenn ich selber die einzig anwesende Erziehungsberechtigte bin. Dann finde ich sie nervtötend)

Im Herbst 2012, knapp vor dem letzten Nerv, bin ich dann bei Das Nuf auf einen Artikel namens „Ziemlich viel Herzblut in einem Karton“ gestossen, der meine Neugier geweckt hat. Diese Tollabox könnte die Lösung zu meinem Langeweileproblem sein, dachte ich, und machte über Twitter und Facebook Béa, eine der beiden Gründerinnen der Tollabox ausfindig. Auf die Frage, ob und wann die Schachtel auch in der Schweiz erhältlich sei, antwortete sie „Leider nein, wir arbeiten dran“ und versprach mir eine Testbox, sobald dies möglich sei.

Dann vergingen fast anderthalb Jahre.

Im Februar 2014 machte mich Béa Beste darauf aufmerksam, dass die ehemalige Wuschelkiste nun zur Tollabox Schweiz geworden war. Ich bettelte sie um eine Box zum Testen an und schon eine Woche später brachte die Briefträgerin die Schachtel an die Wohnungstür.

was die Briefträgerin da wohl vorbeigebracht hat?
was die Briefträgerin da wohl vorbeigebracht hat?

Dann hatten wir noch einiges zu tun, unter anderem wurde meine Schulter operiert, es wurde Frühling und der Garten rief. Dann kam endlich ein Regentag und wir konnten uns ohne schlechtes Gewissen der Tollabox widmen.

Sauber verpackt in Seidenpapier, mit Etiketten beschriftet auf denen steht, was drin ist, wie viel Zeit und welche Bildungsbausteine („Smarts“) angesprochen werden.

Drei Pakete, ein gelber Umschlag und ein grosser Umschlag für die Eltern lagen drin.

drei Pakete und ein gelber Umschlag...
drei Pakete und ein gelber Umschlag…

Kurzer stürzte sich natürlich gleich auf das rote Paket: Es war das Grösste. „Piraten-Strand“ las ich. Jä nu, hoffentlich musste ich nicht doch noch Basteln.

das roteste, grösste, schwerste Paket wird gleich als erstes geöffnet
das roteste, grösste, schwerste Paket wird gleich als erstes geöffnet

Tatsächlich: Mütterliches Basteln war überflüssig. Nur beim Ausschneiden der Dekorationen für den Sandstrand musste ich dem Vierjährigen helfen. Für den Rest konnte er die detailliert illustrierte Anleitung bereits selber „lesen“ und den Sand selbständig zusammenmischen.

"Mama, ich nehm' dann mal die Salaschüssel"...
„Mama, ich nehm‘ dann mal die Salaschüssel“…

Sehr positiv: Sämtliche Zutaten waren mit dabei, das Mehl, das Öl und die Karton-Figuren. Anleitungen für Kreatives findet man ja im Internet wie (Zauber-)Sand am Meer, aber immer muss die viel beschäftige Mutter die Zutaten selber zusammenkaufen gehen. Hier muss man sich um nichts mehr selber kümmern.

"Matschepampefaktor = hoch"
„Matschepampefaktor = hoch“

Das „Ewige Spielstunden garantiert!“, das auf der Spielbeschreibung stand, war nicht übertrieben. Noch jetzt, einen Monat später, fragt Kurzer nach dem Zaubersand.

...dann noch alles schön umrühren...
…dann noch alles schön umrühren…

Wir haben ihn in einer dieser Ikea-Plastikschubladen aufbewahrt und so bleibt er tiptop brauchbar. Jedenfall so lange er dort drin bleibt und nicht im Teppich landet 🙂

"ewige Spielstunden garantiert"
„ewige Spielstunden garantiert“

Das Spiel „Diamantenfarm“ haben wir ein paar Tage später mit unserem 13jährigen Hütemädchen zusammen gespielt. Auch dieses Spiel war einfach zum Zusammenbauen: Die Spielkarten waren vorgestanzt und mussten nur noch aus dem Karton gedrückt werden. Für (m)einen Vierjährigen fand ich die Regeln von „Diamentenfarm“ etwas kompliziert und er blieb auch nicht lange bei der Sache. Das kann aber auch an seinem Charakter liegen, denn ausser klassische Puzzles mag er keine Spiele, bei denen er länger als 3 Sekunden still sitzen muss.

Dafür habe ich selber mich ein paar Abende lang damit amüsiert, mit den Spielkarten Solitaires zu legen.

Auch wenn es nicht ganz den Interessen meines Kindes entspricht, finde ich das Spiel schön gemacht, die Beschreibung gut verständlich und das mitgelieferte Material („Edelsteine“ und Schatzsäcklein) sehr schön gemacht.

Diamantenfarm
Diamantenfarm

Dafür war dann der „Spezial-Auftrag“ (eine Piratenverkleidung mit Augenklappe und Bandana!) wieder ein Volltreffer und ein kleiner Pirat versuchte stundenlang, mit seinem Waschbeckenschiff die Schokovorräte in meiner Küche zu erobern.

Hilfe, ein Pirat in meiner Küche!
Hilfe, ein Pirat in meiner Küche!

Mein Fazit: Tollabox ist tolla!

Sämtliche Zutaten sind dabei, man öffnet die Kiste und spielt und experimentiert los. Im Umschlag für die Eltern finden sich zum Thema passende Werbeflyer des Hauptsponsors (hier: ein Piraten-Abenteuerpark, der auch die Verkleidung gestiftet hat). Ein schöner Bonus wäre es, wenn in der Schweizer Box auch Gutscheine von Schweizer Anbietern drin wären.

Im Elternumschlag fand ich noch Erklärungen zum Thema, Erziehungstipps und ein Warenmuster für ein Förderspiel. Im gelben „Tolla“-Umschlag ein weiteres Spiel (Tolla-Verstecken), ein Büchlein über die Tollas vom Tollastern, eine Piraten-Tolla-Geschichte zum Vorlesen, und eine CD.

Ab der CD war unser Kurzer etwas enttäuscht. Hochdeutsch ist für einen Schweizer Vorschüler, der ohne TV aufwächst, eine Fremdsprache. Er versteht es nur, wenn es ganz langsam gesprochen wird. Für unsere Verhältnisse ist die CD deshalb fast ein wenig zu schnell vorgelesen (für deutsche Verhältnisse vermutlich aber eher langsam 🙂 )

Alles in Allem finde ich die Tollabox eine rundum gelungene Sache. Ein sinnvolles Geschenk für Patenkinder oder die Eigenen, im Abo oder Einzeln. Ich mache mich jetzt mal auf die Suche nach einem Sponsor, der meinem Kurzen ein Abo für die nächsten Monate bezahlt.

Update: Leider ging Tollabox in Insolvenz, musste schlussendlich Konkurs anmelden und kann nicht mehr bestellt werden.