Schon vor einigen Wochen rief „glücklich scheitern“ auf ihrem Blog zur Interviewreihe Feminismus und Mutterschaft auf. Obwohl die Reihe schon seit ein paar Wochen zu Ende ist, möchte ich die Fragen noch beantworten.

Hast Du (eigene, adoptierte, zu pflegende…) Kind(er), möchtest Du welche, hast Du Dich bewusst dafür/dagegen entschieden, welche Voraussetzungen bräuchtest Du um Kinder bekommen zu können/wollen?

Ich darf einen leiblichen Sohn auf seinem Weg zum erwachsen Werden begleiten. Er ist ein geplantes Wunschkind, und ich bekam ihn mit 38.5 Jahren.

Sein Vater und ich leben seit 1991 zusammen, und Kinder waren zwar immer mal wieder ein Thema, doch für uns stimmten die Rahmenbedingungen nie. Unser Traum wäre gewesen, zusammenzuarbeiten (z.B. auf einem Campingplatz o.ä.) und unser(e) Kind(er) gemeinsam zu betreuen. Sie im Geschäft bei uns zu haben, solange sie nicht zur Schule gingen oder lieber mit ihren Kumpels spielten. Wir wollten das Kind weder „wegorganisieren“, noch unser eigenes Leben für es aufgeben müssen. Die Vision war, das Kind in unser Leben zu integrieren, unser Leben mit ihm teilen zu können.

Leider wurde dann die Zeit knapp, bevor wir die Bedingungen erfüllt sahen und wir mussten uns entscheiden: Jetzt oder gar nicht mehr. Bereut haben wir die Entscheidung nicht.

Spielt der leibliche Vater eine Rolle? Oder anders: welche Rolle spielt er (für Dich/für die Kinder)?

Ja, er spielt eine grosse Rolle, sowohl als mein Lebensgefährte, mein „Partner in crime“, als auch als Vater für den Kleinen. Er übernimmt Verantwortung als Vater, auch wenn rein zeitlich gesehen sein Teil an der Betreuungsarbeit kleiner ist.

Teilst Du Dir die Sorgearbeit fürs Kind mit jemandem? Wie? Und wie wäre es Dir am Liebsten?

Die Betreuungs- und Sorgearbeit teilen mein Gefährte und ich mit ganz vielen Leuten. Einerseits sind da meine Eltern, die einen Tag die Woche übernehmen. Zahlreiche Nachbarinnen und Co-Mütter im Dorf, wo der Kurze mit wachsender Selbständigkeit ein- und ausgeht und auch mal einen Nachmittag verbringt, wenn er Lust dazu hat oder meine Arbeit als Freiberuflerin es erfordert. Und dann ist da noch die Kita, wo er ebenfalls einen Tag die Woche verbringt.

Wie weiter oben beschrieben wäre unser liebstes Modell gewesen, gemeinsam zu arbeiten und gemeinsam zu betreuen. Oder doch wenigstens 50/50 zu machen. Wobei das auch theoretisch ist, denn als wir uns solche Visionen erträumten, haben wir schlicht die möglichen Bedürfnisse und Wünsche des Kurzen – als eigene Person – nicht mitgedacht. Er ist bisher ein eher schüchternes, anhängliches Kind, dass nur langsam enge Beziehungen zu „neuen“ Menschen eingeht und in grösseren Gruppen ist ihm unwohl. Trotzdem spielt er gerne mit anderen Kindern. Von dem her ist es genau richtig, wie es sich schliesslich ergeben hat.

Wenn Du in einer Partnerschaft lebst: Wie teilst Du Dir Lohn- und Sorgearbeit? Gab es dazu “Verhandlungen“? Was waren die Gründe für Eure Arbeitsteilung?

Nein, gross Verhandlungen gab es nicht. Grundsätzlich träumten wir denselben Traum. Und dass es dann anders kam (mein Gefährte 100% erwerbstätig, ich freiberuflich selbständig mit variablem Pensum), lag an äusseren Umständen (meinen Ex-Arbeitgeber) und unvorhergesehenen Entwicklungen (der Gesundheitszustand von Kurzem im ersten Jahr).

Was bedeutet für Dich Mutterschaft? Steht diese Bedeutung für Dich in einem Konflikt zu Deinem Feminismus-Verständnis?

Nein. Ich muss dazu aber sagen, dass sich mein Feminismusverständnis mit der Mutterschaft verändert hat. Im Vorfeld hatte ich das Biologische – oder soll ich sagen, was mit einem passiert wenn der „Säugetier-Teil“ streckenweise die Kontrolle über den „Kultur-Teil“ übernimmt – völlig unterschätzt. Ich war immer (und bin es auch heute meistens noch) eine rationale Person, die viel nachdenkt, bevor sie entscheidet und noch viel mehr, bevor sie handelt. Sehr kopflastig halt. Die Hormonstürme während der Schwangerschaft und erst recht nach der Geburt hatte ich so nicht erwartet und sie haben mich regelrecht umgehauen. Hätte mir das jemand im Voraus gesagt, ich hätte es nicht geglaubt.

Dieser Säugetieranteil kam in der Tat mit meiner feministischen Einstellung in Konflikt, jedenfalls zu Beginn. Mit den Wochen und den Monaten hat sich einerseits der Hormonsturm gelegt, aber andererseits aber auch meine Selbstdefinition und Identifikation als Feministin verändert.

Was braucht es Deiner Meinung nach, um feministische Mutterschaft zu leben? Welche Rahmenbedingungen bräuchtest Du, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, um Deine Vision vom “guten Mutter- und Feministin-Sein“ leben zu können?

Ich würde „Feminismus“ in Anführungs- und Schlusszeichen setzen. Denn Feminismus, Feministin zu sein, ist ja nicht das Ziel. Das Ziel ist Selbstbestimmung. Dazu gehört für mich ökonomische Unabhängigkeit. Sobald wirtschaftliche Abhängigkeiten ins Spiel kommen, ist es mit der Selbstbestimmung dahin und schlussendlich ist es egal, ob man von einem/r Partner/in oder vom Staat abhängig ist: Man muss einen Teil seiner Selbstbestimmung aufgeben.

Deshalb halte ich die Möglichkeit, auch mit Kind mindestens ein Existenzeinkommen erarbeiten zu können, für die Conditio Sine Qua Non für echte Emanzipation. Das „wie“ sollte man jedoch den Leuten selbst überlassen. Kitas für alle halte ich für eben so falsch wie Hausfrauenehe für alle. Also oberste staatliche Rahmenbedingung würde ich mir in erster Linie wünschen, dass der Staat damit aufhört, alle, die individuell nach neuen Wegen ausserhalb der Hausfrauenehe suchen, Steine in den Weg zu legen oder sie steuerlich zu benachteiligen! Damit wäre schon viel gewonnen.

Was bedeutet Dein Feministin-Sein für die Erziehung Deines_r Kind_er? (z.B. Vorbilder suchen, was für Stereotype ans Kind herangetragen werden, Kleider-/Spielzeugwahl)

Meine „feministische“ Vorbildung hilft mir sicher, gewisse Dinge und Abläufe bewusster wahrzunehmen und/oder gezielt zu hinterfragen. Ich erziehe meinen Sohn zum Selberdenker und lehre ihn gleichzeitig Respekt gegenüber anderen Menschen und Tieren – DAS ist, was ich „feministische“ Erziehung nenne. Respektive „emanzipiert“ und „selbstbestimmt“ würden es wohl besser treffen.

Dabei gehe ich natürlich das Risiko ein, dass er auch mal anderer Meinung sein wird, als ich. Ihm jedoch meine Vorstellung von Feminismus aufzupfropfen würde meiner Vorstellung von Selbstbestimmtheit genau so wiedersprechen wie das Runterbeten von Genderstereotypen und „das macht man eben so weil alle es so machen“.

Hast Du andere Mütter in Deinem Umfeld, die was mit Feminismus anfangen können? Wo holst Du Dir Unterstützung?

In meinem Umfeld diskutiere ich selten bis nie über den theoretischen Überbau „meines“ Feminismus. Wir sind hier aber eine gute Truppe von Müttern und Vätern, die zahlreiche praktische Projekte auf die Beine stellen und im Quartier schon fast einen „Stamm“ bilden, in dem man sich gegenseitig praktisch unter die Arme greift und zusammen arbeiten.
Das geht weit über das gegenseitige Babysitten hinaus. Beispielsweise haben wir in nur sechs Monaten einen Kinderhort für die ausserschulische Betreuung auf die Beine gestellt und die nötige Finanzierung beschafft.
Das alles läuft unanbhängig von den politischen Einstellungen und der sozialen Herkunft der Leute. Von altem Adel bis Lesbenkommune ist so ziemlich alles vertreten.

Daneben bin ich aber auch dankbar für all die Internetkontakte, wo ich mich Menschen mit ähnlichem Bildungsstand auch mal über allgemeinere Probleme oder politische Themen diskutieren, oder auch mal ein böses Erlebnis „abladen“ oder mitten in der Nacht Trost und Zuspruch finden kann. Was Susanne Mierau den „Internet Online-Clan“ genannt hat. Danke dafür!

Welche Bedeutung hat Erwerbsarbeit für Dich?

Ich muss da differenzieren:

Einerseits halte ich ein eigenes, existenzsicherndes Einkommen für die Grundbedingung, damit Emanzipation/Selbstbestimmung überhaupt möglich ist. Ohne eigenes Geld geht das in unserer kapitalistischen Gesellschaftsform nicht. Ob dieses Einkommen jedoch erarbeitet wurde oder es sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt, ist nicht so wichtig.

Andererseits ist für mich eine Aktivität, im Sinne von Hanna Arends Vita Activa (Werbelink) ebefalls sehr wichtig. Diese kann, aber muss nicht, ein Einkommen erwirtschaften. Ich selber brauche das Lernen, das Lesen, das Recherchieren und auch das Durchdenken und Aufschreiben, wie die Luft zum Atmen. Ohne könnte ich nicht.

Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch eine solche Tätigkeit hat, die ihn ausfüllt und ihm tiefe Zufriedenheit verschafft. Für manche Mutter mag das die Beschäftigung mit dem Kind sein, für andere vielleicht ein Hobby.

Wenn „Herz-Beschäftigung“ mit Erwerbsarbeit zusammenfallen, ist es am Schönsten und ich bin meinem Gefährten sehr dankbar, dass er mir das ermöglicht, indem er die wirtschaftlich noch unrentable Anlaufszeit finanziell abpuffert. Honey, ich schulde Dir was!

Welche Konflikte/Spannungen spürst Du zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und Deinem Verständnis von Feminismus und Mutterschaft?

Mit unserer Idee, Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit wortwörtlich zu vereinbaren und das Kind ins Arbeitsleben zu integrieren statt es davon auszuschliessen, stehen mein Partner und ich hier in unserer Wohngegend fast allein auf weiter Flur. So starb das angedachte Eltern-Kind-Büro (nach dem Vorbild des Leipziger Rockzipfels) nicht nur am galoppierenden Amtsschimmel, sondern auch an mangelndem Interesse unserer Mit-Eltern.

Was mich ebenfalls zu lang anhaltenden Wutanfällen verführt, ist die landesübliche Meinung, dass eine Mutter, die von zuhause aus arbeitet, sowieso immer Zeit für jeden Mist hat und wenn sie sich weigert, hier mitzuspielen, als schlechte Mutter taxiert wird. Ich spreche vom Geburtstagskuchen-Wettbewerb und anderen Supermum-Contests. Der Rechtfertigungsdruck („aber ich arbeite“, „ja, haha, Hausfrausein ist auch ein Hundertprozentjob“) ist unglaublich! Aber man gewöhnt sich daran und filter seine sozialen Kontakte entsprechend aus.

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