Ich weiss nicht mehr, wer den Satz im Titel gesagt oder geschrieben hat (Internet kennt verschiedene Quellen). Fakt ist aber: Er stimmt. Als Menschen funktionieren wir heuristisch. Das bedeutet: Wenn etwas mal funktioniert hat, dann verwenden wir immer dieselbe Strategie.

wrong way

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Grundsätzlich ist das nicht negativ, es erspart uns viel Zeit und Energie und erlaubt uns, speditiv vorwärts zu schaffen, statt jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen. Nur dass wir dieselbe Strategie auf andere Situationen anwenden, schliesslich hat sie sich ja bereits bewährt. Plötzlich funktiniert aber diese Strategie nicht mehr, wenn sich die Umstände geändert haben. Und was tun wir? Wir wiederholen sie. Und nochmal und nochmal.

„Lösungsorientiertes Vorgehen bedeutet in der Praxis, zu beobachten und zu erkennen, ws (gut) funktioniert und was nicht. Dann liegt es nahe, all das verstärkt und häufiger zu tun, was zu erwünschten Ergebnissen führt, und alles zu unterlassen, was nicht (gut) klappt. Stattdessen tun aber viele Menschen ‚mehr und mehr desselben‘, wenn sie nicht zum Ziel kommen“
(Monika Gruhl, Resilienz, S. 200)

Ja, so ist das. Wenn unser Kind uns nicht gehorcht, wiederholen wir das Gesagte noch mehrmals, das Einzige was wir anders machen ist, dass wir dabei jedes Mal etwas lauter und generverter tönen.

Die Autorin des Ratgebers „Resilienz. Die Strategie der Stehauf-Menschen“ empfiehlt, Verhaltensweisen, die nicht zum Ziel führen, über Bord zu werfen und was anderes auszuprobieren:

„Wenn Ihre Vorgehensweise Ihnen nicht das bringt, was Sie damit bezwecken, hören Sie auf damit!
[…]
Die Kunst der Lösungsorientierung besteht darin, unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung zu haben und gezielt da einzusetzen, wo Sie eine Verbesserung für wünschenswert oder nötig halten. Die Voraussetzung dafür, das tun zu können, ist, die Situationen und Kontexte zu analysieren, sich selbst und die Reaktionen anderer aufmerksam wahrzunehmen, und zu evaluieren, welche Möglichkeiten sich wo bewähren. Schaffen Sie sich durch Beobachten, Ausprobieren und Auswerten im Lauf der Zeit ein Repertoire von bewährten und erdenklichen Lösungsstrategien. Trainieren Sie Ihre Fähigkeit, diese flexibel einzusetzen und gleichzeitig offen zu bleiben für neue Varianten“.
(Monika Guhl, Resilienz, S. 201)

Noch während ich diesen Absatz las, zeigte sich vor meinem inneren Auge ein Bild, das ich kaum mehr los wurde: Ich sah mich selber, morgens um 7 Uhr 30, noch im Schlafanzug, wie ich den Kurzen zu überzeugen suche, sich endlich anzuziehen, Zähne zu putzen, aufhören zu spielen, weil der Schulbus um 8 Uhr fährt und das alles nur durch „Beobachten“, „Analysieren“ und „Evaluieren“. Nein, in der Situation selber würde ich es wohl wieder ganz ohne Analyse, dafür mit lautem Brüllen versuchen, die Lösung des Konfliktes zu erzwingen.

Was ich aber hilfreich finde ist, jeweils Abends vor dem Zubettgehen mit dem Kurzen kurz darüber zu diskutieren, was ihm während des Tages gefallen hat und was nicht. Das mache ich auch für mich selber, wenn Mann und Kind im Bett und der Computer ausgeschaltet ist. Dann denke ich den Tag nochmal durch, reflektiere, überlege, wo etwas schief lief, wo es Streit oder Gebrüll gab, welche Verhaltensweisen destruktiv und welche produktiv waren. Und was ich ein nächstens Mal in der gleichen Situation besser machen könnte, um zum gewünschten Resultat zu kommen.

Weil, ganz ehrlich: Meistens wüsste man doch, wie es eigentlich ginge, kann dann aber aus irgend einem Grund nicht aus seiner Haut. Oder auf psychologisch: Man kann das Wissen zu dem Zeitpunkt nicht abrufen und dann kommen Heuristiken zum Tragen, die wir vielleicht sogar schon als destruktiv erkannt haben. Wenn man sich das wieder und wieder bewusst macht – ohne sich selber dafür zu beschimpfen! – kann man sich mit der Zeit neue, konstruktive Verhaltensweisen antrainieren, davon bin ich überzeugt.