Wo geht nur die Zeit hin?

Eben noch wollte ich hier auf dem Blog eine neue Serie aufziehen, ein neues Buch besprechen, ein paar interessante Links verbloggen – und schon hat sich die Bloggerwelt weitergedreht und alles ist nicht mehr aktuell.

Bin ich die Einzige, die das Gefühl hat, dass sich der Planet immer schneller dreht? Oder hat es mit der Ablenkung zu tun, der Defragmentierung unseres Alltags, über die Mama on the Rocks hier so leidenschaftlich schreibt?

Tja, diese verteufelten Ablenkungen! Man will nur schnell dies, nur schnell das, und schon ist der halbe Morgen vorbei und man hat noch gar nichts von dem, was man doch eigentlich tun wollte, erreicht.

Die Wohnung sieht auf deutsch gesagt aus wie die Sau, und eigentlich wollte ich in diesem Sommer ganz viel  Einmachen, Likör, Konfitüren, so ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und Zero Waste, zwei Themen, die mich in den letzten Monaten sehr beschäftigt haben.

Die Sommerferien waren einmal mehr eine besondere Herausforderung in Sachen Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben, Kinderbetreuung, dem Händeln von ein paar unschönen Überraschungen und Unvorhergesehenem und der daraus folgenden Frustrationen. Ich will nicht klagen, wir sind privilegiert und es geht uns gut, aber eine oder zwei Wochen in Weitweitweg hätten mir halt schon auch gut getan. Aber es hat nicht sollen sein.

Der Kurze konnte in der Zeit seine grosse Freiheit geniessen. In der ersten Woche war er im Abenteuerlager der Naturschule Dakawo, eine ganz tolle Sache und viele gute Erinnerungen (Werbung ohne Bezahlung, sondern weil Esther und Daniel hier eine wirklich supergute Sache aufgezogen haben). Danach: Aufstehen wann er will, daddeln so lange er will, draussen spielen, auf den Schutti-Platz so lange er will, Kletterhalle, See,…. und abends ins Bett wann er will. Nur eine Pflicht hatte er: Mir Bescheid geben, wo er hingeht. Ich muss mich darauf verlassen können, dass er dort ist, wo er sagt, dass er hingeht. So lautet das Gesetz und einige der wenigen Regeln, die wir in diesen Wochen überhaupt hatten.

So viel Freiheit und Autonomie hat sich gelohnt: Unser grosser Kurzer ist daran ein Stück gewachsen, seine Schultern sich breiter geworden und, obwohl er erst neun wird, fängt die Person an durchzuschimmern, die er mal werden wird: Jemand, der seinen Weg geht und das tut, was er für richtig hält. Oh nein, es ist nicht einfach! Viel leichter wäre es, die ständigen Diskussionen und Verhandluneng mit einer autoritären Handlung abzuwürgen. Aber wir haben uns als Eltern für einen anderen Weg entschieden und langsam fangen wir an, die ersten Resultate zu sehen.

Beispielsweise waren wir an der Organisation der Bundesfeier in unserer Gemeinde beteiligt. Ganz selbstverständlich packte unser grosser kleiner Kurzer mit an, liess die Muskeln spielen, schleppte Tische und Bänke und half beim Dekorieren und Aufräumen, brachte alten Damen Getränke und Raclette. Und zwar von sich aus, ohne dass wir ihm was gesagt hätten (hier fehlt ein Bild von einer vor Stolz fast platzenden Mutter – nach all den Beschwerden wegen seinen teilweise sehr kreativen Experimenten im Quartier tut es gut, auch mal Lob zu hören zu bekommen!)

In vielen Gesprächen musste ich wieder mal erfahren, wie wenig Eltern von pflegeleichteren Kindern nachvollziehen können, wie intensiv es sein kann, ein Kind wie unseren Kurzen zu betreuen. Auch wenn er schon sehr selbständig ist: Das dauernde Auf und Ab, das Nora Imlau in ihrem neuesten Buch „So viel Freude, so viel Wut“ (Werbelink zu Amazon) und neun Jahren weiter. Und dann hängt man nach 5 Wochen 24/7 in den Seilen und fragt sich, wie Leute mit zwei oder drei Kindern das machen und was man falsch macht, dass man so kaputt ist… und andere Eltern bestätigen quasi noch die Selbstzweifel mit ihren wenig hilfreichen „er muss jetzt dann aber schon mal lernen, dass er dicch nicht immer unterbrechen kann“ und „er muss jetzt dann aber schon mal lernen, auch mal etwas alleine zu machen“-Kommentaren. Ich kam mir fast schon vor wie die hinterletzte Helikoptermutter, die ihr Kind überverwöhnt und überbeschützt.

Deshalb war ich heute Vormittag dann grad froh, nach langer Zeit wieder mal im Coworking-Space arbeiten zu gehen und dort mit einer anderen Mutter eines ähnlich veranlagten Kindes zu sprechen. Niemand, der es nicht am eigenen Leib erfahren hat, kann sich vorstellen, wie sich dieses „einen Ticken mehr“ der Kinder im Erziehungsalltag anfühlt und auswirkt, die Nora Imlau „gefühlsstarke Kinder“ genannt hat.

Hier meine Learnings aus Juli und August:

  • Kinderferien sind keine Elternferien
  • Zuhauseferien machen dem Kind nur so lange Spass, wie die Kollegen auch zuhause geblieben sind. Sind alle weg, muss die Mutter mit auf den Bolzplatz.
  • Wandern ist kein adäquater Ersetz für Legoland und Eurodisney. Aber da musste er durch.
  • Die Sommerferien sind viel zu kurz. Und viel zu lang.
  • Vertrauen! Es kommt schon gut!

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