Diesen Artikel über Kinder, die sich nicht alleine beschäftigen können bzw. Eltern, die die Langeweile ihrer Kinder kaum aushalten, habe ich im November 2013 für die kasseler Onlineplattform lokalo24.de geschrieben.

Keine Angst vor Langeweile

von Katharina Bleuer

„Mein Kind kann sich nicht alleine beschäftigen“

„Mein Kind braucht ständig Action, sonst ist es nicht zum Aushalten mit ihm“

„Mein Kind langweilt sich den ganzen Tag, wenn ich es nicht unterhalte“

Das sind oft gehörte Klagen von Eltern. Aber: Lassen Sie die Langeweile ruhig zu. Sie schmerzt nicht, sie schadet nicht und sie traumatisierte auch niemanden. Im Gegenteil: Sie wird Ihnen und Ihrem Kind gut tun, denn ohne Langeweile keine Musse, ohne Musse keine Kreativität!

Die US-amerikanische Elternberaterin Janet Lansbury fasst , die Idee dahinter folgendermassen zusammen: Je mehr wir (oder Spielsachen) für das Kind tun, desto weniger tut es von sich aus, desto überzeugter ist es, dass es uns (oder diese Spielsachen) zu seiner Unterhaltung benötigt, und desto weniger traut es sich selber zu, desto weniger zuversichtlich wird es von sich aus die Initiative ergreifen, und desto weniger kreativ, fähig und erfüllt wird es schlussendlich spielen können. Bis zu einem gewissen Alter können viele Babys und Kleinkinder nicht alleine sein und weinen deshalb, wenn ihre vertraue Betreuungsperson den Raum verlässt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man nonstop etwas mit ihnen unternehmen sollte. Meistens reicht es aus, anwesend zu sein, Bedürfnisse zu befriedigen und Probleme zu beheben.

Sie glauben mir nicht?

Nehmen Sie sich die Zeit und legen Sie Ihr Baby einfach auf eine bequeme Decke – ohne Spielsachen und Unterhaltungsgegenstände – und setzen sich daneben. Statt ihm Unterhaltung zu bieten, beobachten Sie es einfach. Konzentrieren Sie sich auf diesen kleinen Menschen, schauen Sie was seine Händchen machen, wohin seine Augen blicken, was ihn interessiert – und geniessen Sie den Moment des Austausches, wenn das Baby von sich aus mit Ihnen Kontakt aufnimmt. Lernen Sie diese kleine Person kennen, die mit Ihnen zusammen lebt!

Wenn Sie mit einem Kleinkind zusammen leben, das nie alleine spielen „kann“, dann gibt es nur einen guten Rat für Sie: Gönnen Sie ihm die Langeweile! Schon nach kurzem Protest wird es sich eine Beschäftigung suchen. Es gibt auch die Möglichkeit, begleitend beim Kind zu sitzen ohne selber die Initiative zu ergreifen. Lassen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter aktiv werden und das Spiel leiten. Anfangs ist es ungewohnt – aber es lohnt sich!

Janet Lansbury schlägt ihrem Artikel „Stop entertaining your toddler!“ („Hör auf, Dein Kleinkind zu unterhalten!“, eigene Übersetzung) drei Schritte vor:

1. Lernen Sie zu spielen, ohne sich aufzudrängen

Wenn wir Erwachsenen mit Kinder spielen, übernehmen wir meistens sehr schnell die Führung oder fangen an, Vorschläge zu machen oder Vorgänge zu erklären – und verbannen damit das Kind in die Rolle des passiven Zuschauers.

Wenn wir hingegen selber passiv bleiben, dem Kind die Führung über sein Spielen überlassen und uns nicht einmischen, fühlt sich das Kind angenommen, akzeptiert, ernst genommen und wertgeschätzt ohne dass wir auch nur ein Wort des Lobes aussprechen.

Manchmal bittet ein Kind natürlich die anwesende Betreuungsperson um Hilfe. Versuchen Sie in diesem Fall, nur passive Hilfestellung zu geben, das Kind zu eigenen Lösungen zu ermutigen. Dies geht am Besten zur gezielte Fragen („welchen Klotz möchtest Du als nächstes nehmen?“ „wo möchtest Du ihn hinstellen?“). Bieten Sie nicht von sich aus Hilfe an, solange das Kind nicht danach fragt.

2. Machen Sie sich den Unterschied zwischen „selber spielen“ und „alleine spielen“ klar

Viele Kinder haben kein Problem damit, selber zu spielen, viele spielen aber nicht gerne alleine.
Wenn Ihr Kind dazu gehört, bieten Sie ihm nach Möglichkeit Alternativen an: „Ich will jetzt die Küche aufräumen. Möchtest Du mir dabei helfen oder möchtest Du in der Zeit etwas alleine spielen?“

Fürchten Sie sich nicht davor, liebevoll aber unmissverständlich zu kommunizieren, wenn Sie etwas Zeit für sich benötigen und von Ihrem Kind erwarten, sich in dieser Zeit selber zu beschäftigen. Es ist einfacher, wenn sie solche Zeiten in Ihre Tagesroutine einbauen können, beispielsweise durch eine „Kaffeepause“ nach dem Mittagessen, die Sie zum Lesen nutzen, währen Ihr Kind sich alleine beschäftigt.

3. Je mehr Zeit Kinder passiv Unterhaltung konsumieren statt aktiv zu spielen, desto unwohler ist es ihnen, wenn man Letzteres von ihnen verlangt

Deshalb reduzieren Sie die Bildschirmzeit bei Kleinkindern auf ein absolutes Minimum. „Das Sandmännchen“ o.ä. reicht für ein Dreijähriges, mehr Fernsehen braucht es nicht.
Bieten Sie ihm einfache Spielsachen mit vielen Nutzungsmöglichkeiten. Keine Angst vor Langeweile! Ihr Kind wird nicht lange in ihr verharren, sondern sich bald eine Beschäftigung suchen.

Deshalb schlagen Sie ihm auch keine Aktivitäten vor. Lassen Sie es selber Ideen entwickeln – und akzeptieren Sie diese, auch wenn es in Ihren eigenen Augen vielleicht keine „wertvolle“ Beschäftigung sein mag. Zwei Stunden lang mit immer dem gleichen Spielauto den Parkettfugen entlangfahren oder Löcher in die Decke starren und Musik hören ist genau so wertvoll wie Puzzeln, Kneten oder etwas Konstruieren.

Wenn Sie Zeit und Lust haben, schauen Sie ihrem Kind dabei zu. Lernen Sie es von einer neuen Seite kennen: Die seiner eigenen Interessen und dem, was es von Innen heraus antreibt. Lassen Sie sich überraschen und beeindrucken von dem, was in ihm steckt und seien Sie stolz auf diesen kreativen, geschickten kleinen Menschen.