Ausgangslage

Die so genannte Vertragsfreiheit erlaubt es Firmen (im Rahmen gewisser gesetzlicher Einschränkungen, z.b. Anti-Rassismus-Gesetz) Tickets oder Eintritte zu verkaufen oder nicht zu verkaufen an wen sie wollen. Eine gewisse Diskriminierung, ist also in unserem Land möglich. Manches davon hat bereits zu Diskussionen geführt, wie z.B. dass Eltern bzw. ihre Kinder in manchen Restaurants oder Hotels nicht (mehr) willkommen sind. Die einzige Konsequenz, die sie zu fürchten haben, wenn sie ihr sog. Hausrecht wahrnehmen, ist ein gewisser Imageschaden. Aber im Grossen und Ganzen war die Problematik bisher in unserem Land nicht wichtig genug, um eine öffentliche Diskussion oder Āžnderungen in der Gesetzgebung hervorzurufen. Maximal gab es Shitstorms in den Medien und sozialen Netzwerken, die ein paar Tage (die Sache mit dem Wirt, der keine geistig behinderten Gäste mehr beherbergen will) bis ein paar Wochen (die Sache mit den „kinderfreien Hotels“) dauerten.

Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kommt nun die Frage auf, was passiert, wenn Veranstalter/innen anfangen würden, nur noch geimpfte Personen bzw. solche mit einem negativen Covid-Test, Eintritt zu gewähren. Wenn sie also „Covid-Negativität“ zum Bestandteil ihres Vertrags mit den Ticketkäufer/innen machen würden.

Wie gesagt: gemäss der aktuellen Rechtslage steht dem nichts im Wege.

Rechtliche Betrachtung

Ich bin keine Juristin. Deshalb kann es sein, dass mir gewisse Ungenauigkeiten unterlaufen und ich bitte, diese zu entschuldigen (grobe Fehler mögt Ihr bitte in den Kommentaren anmerken, damit ich sie korrigieren kann, merci!).

Aus meiner Laiensicht besteht hier eine Gesetzeslücke und unsere gesetzgebenden Institutionen sollten sich möglichst schnell an die Arbeit machen, um festzuhalten, ob Ausschlüsse „aus epidemiologischen Gründen“ in der Vertragsfreiheit inbegriffen sein sollen oder ob sie, analog zum Anti-Rassismus-Gesetz, ausdrücklich davon ausgeschlossen werden sollen.

Die Frage geht ja weit über Covid hinaus. Hier könnte man noch sagen, dass es realtiv eindeutig sei: Alles, was Superspreader-Events verhindern und trotzdem ein relativ normales Alltagsleben ermöglichen könnte, wäre zu begrüssen, damit die Epidemie möglichst schnell beendet ist. Aber es gibt ja auch andere ansteckende Krankheiten. Was ist mit denen? Soll beispielsweise ein Swingerclub von seinen Gästen einen aktuellen HIV-Test oder eine HPV-Impfung verlangen dürfen und wenn ja, in welcher Form?

Hier kommt der Datenschutz ins Spiel. Wie können Veranstalter:innen und Betreiber:innen von Eventlocations sicherstellen, dass solche Daten nicht in die falschen Hände geraten?

Solange solche praktischen Frage nicht zufriedenstellend geklärt sind, würde ich diese Art der positiven oder negativen Diskriminierung wohl an der Urne ablehnen.

Aber es gibt ja nicht nur die rechtliche Seite…

Ethisch-moralische Betrachtung

Jeder Mensch muss jederzeit das Recht haben, über seinen eigenen eigenen Körper zu bestimmen.

Was so einfach aussieht, ist in Wahrheit verdammt kompliziert, sobald wir über die Impffrage nachdenken! Und zwar deshalb, weil wenn es um ansteckende Krankheiten geht, Person A und Person B nicht unabhängig voneinander sind. Die Impfentscheidung von Person A kann unter Umständen einen grossen Einfluss auf das Leben und die Gesundheit von Person B haben.

Im Idealfall würden sich alle, die können, freiwillig impfen lassen, so dass alle, die nicht geimpft werden können, ebenfalls geschützt wären.

ABER (schon wieder ein Aber): Hier ist nicht der Idealfall, sondern das richtige Leben. Also der Ort, wo jede/r selbst über seinen/ihren Körper entscheidet und zwar ohne diese Entscheidung begründen zu müssen.

Was hier aber geschieht, ist, dass Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, einen Teil der Konsequenzen dieser Entscheidung an ihre Mitmenschen delegieren, insbesondere jene aus den sog. Risikogruppen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht geimpft werden können.

Indem sich Person A gegen eine Impfung entscheidet, zwingt sie Person B aus dem öffentlichen Leben hinaus, verunmöglichst dieser, im Restaurant zu essen oder an einem Konzert teilzunehmen. Bei Kindern kann es sogar passieren, dass das vulnerable Kind, das nicht geimpft werden kann, deswegen weder zur Schule noch in die Kita kann. Um das Recht auf Unterricht für alle zu gewährleisten, haben deshalb manche Länder die MMR-Impfung für Kitas und Schulen oligatorisch gemacht.

Entscheidungen haben immer Konsequenzen und bei der Frage nach einer direkten oder indirekten Impfpflicht für Restaurantbesuche oder Teilnahme an Konzerten etc., müssen wir als Gesellschaft und als Staatsbürger/innen entscheiden, wen wir diskriminieren:

  • die, die sich impfen lassen würden aber aus Gesundheitsgründen nicht können?
  • oder die, sie sich impfen lassen könnten, aber nicht wollen?

Oder gibt es andere Wege, um allen Menschen unserer Gemeinschaft die Teilhabe zu ermöglichen, ohne dass sie dafür ihr Leben aufs Spiel setzen müssen?