Wenn auf der Welt etwas Schlimmes passiert, prasseln die Informationen ungebremst und im Sekundentakt auf einem ein. Jeder will das Neueste sofort veröffentlichen und teilen, jeder will der erste sein, der es weitergibt und zeigen, dass er am besten informiert ist.

Das war schon bei Corona so – und ich muss zugeben, dass ich mich auch daran beteiligt habe, neue Informationen innerhalb von Sekunden weiterzuleiten. Die Unsicherheit war gross und mit Wissen wollten wir sie beseitigen.

Aber das funktioniert nicht!

Die Menge an Informationen ist zu gross, zu schnell, viel davon ist noch nicht bestätigt, anderes ist reine Spekulation. Der moderne Journalismus hat aufgehört, Informationen einzuordnen und in Kontext zu setzen, bevor er sie weitergibt. Geschwindigkeit über journalistische Sorgfalt – korrigieren kann man später.

Wochenlang sass ich wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor dem Bildschirm und zog mir jeden Informationsschnipsel rein, immer in der Hoffnung, der nächste würde mir Erlösung bringen. Was natürlich nie der Fall war.

Letzte Woche, dem Angriff von Russland auf die Ukraine ging es wieder so los. Statt meine Zeit sinnvoll zu verbringen – Wäsche zusammenlegen, Kochen, Knieblätze an Trainerhosen anbringen… starrte ich auf meinen Bildschirm. Wie unter Strom hüpfte ich von einer Plattform zur anderen in der Hoffnung, dass dort etwas steht, was ich noch nicht gelesen oder gehören hatte.

Wenn ich so drauf bin, dann:

  • Bin ich abgelenkt, verliere den Fokus, weiss nicht mehr, woran ich überhaupt war und bringe am Ende überhaupt nichts mehr auf die Reihe
  • Das Hin- und Herspringen zwischen den Informationsplattformen führt Lärm im Kopf, am Ende höre ich mich nicht einmal mehr selber denken
  • Ich schaffe es gar nicht mehr, die Informationen irgendwie sinnvoll einzuordnen oder darüber nachzudenken. Kaum hat man eine Information zerkaut, kommt schon die Nächste – zum Verdauen bleibt gar keine Zeit.
  • Fomo – fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen, wird zum Selbstläufer
  • Mich stresst das unglaublich, und zwar wortwörtlich: ich bin gereizt, mein Blutdruck geht hoch, ich stehe unter Adrenalin und komme nicht mehr zu Ruhe

Vor allem führt es dann auch noch dazu, dass ich weniger rausgehe, mich noch weniger bewege als es mit meinem Bürojob eh schon der Fall ist, und meine Freizeit auch noch mit schlechten Nachrichten auffülle, statt sie einfach mit einem guten Buch, im Garten, oder in der Küche zu verbringen – Tätigkeiten, die mir guttun.

Aber diesmal merkte ich selbst, dass es mir nicht guttut. Ich fragte mich: Wie will ich denn meinem Teenager-Sohn Medienkompetenz vorleben, wenn ich mich so verhalte? Was für ein Vorbild bin ich denn, wenn ich es selbst nicht im Griff habe?

Hier also meine Sofortmassnahmen seit letztem Wochenende:

  • Alle Push-Nachrichten auf dem Handy sind ausgeschaltet.
  • Twitter und Facebook habe ich vom Handy desinstalliert und konsumiere sie nur noch am Computer zu bestimmten Zeiten. Naja, fast. Also ich habe bereits die Icons von der Startseite entfernt. Ich brauche das Zeugs ja auch noch für’s Geschäft, deswegen kann ich nicht ganz darauf verzichten.
  • Nachrichten auf zwei Medien reduzieren: Die Hintergrundartikel der «Republik» am Morgen mit dem Kaffee und am Abend die Seiten von SRF News, um mich auf den neuesten Stand zu bringen. Es ist nicht nötig, die Seiten tagsüber alle fünf Minuten neu zu laden, denn was im Osten passiert, passiert sowieso, unabhängig davon, ob ich es auf die Minute genau erfahre oder nicht.
  • Eine Absicht (Intention) formulieren, bevor ich eine Plattform öffne: Suche ich nach etwas Bestimmten, will ich eine bestimmte Frage beantworten? Will ich mich unterhalten oder ablenken? Und während des Surfens immer wieder die Frage: Tu ich wirklich das, was ich mir vorgenommen habe?
  • Längere Artikel nicht auf dem Telefon lesen. Was ich später in Ruhe lesen will, schicke ich mir als pdf an den Kindle (Werbelink) und lese es darauf offline auf dem Sofa oder im Garten. So entfällt die Versuchung, «noch ein Bisschen zu googeln».
  • Kopf entrümpeln: Bei jedem Artikel, den ich lese, kommen mir zig Ideen, über die ich schreiben möchte, Entgegnungen, Ergänzungen, Ideen für Blog- und andere Artikel. Ich habe immer versucht, die im Kopf zu behalten und möglichst zügig umzusetzen, aber das ist gar nicht möglich, weil sie schneller nachwachsen, als sogar ich schreiben kann. Deshalb kippe ich jede Idee per Sprachnachricht ins Trello, wo ich meine Artikelideen aufbewahre.
  • Und wenn alles nichts hilft und ich von den Nachrichten immer noch gestresst bin: Abschalten! Raus in die Natur! Wenn während dieser Zeit etwas Wichtiges passiert, werde ich es schon noch erfahren, und das Unwichtige brauche ich auch nicht zu wissen.

Was tut Ihr, damit Euch die ständige Berieselung mit schlechten Nachrichten nicht fix und fertig macht?

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