„Hast du Angst im Dunkeln?“ fragte mich eine Freundin beim Neumond vom letzten Wochenende. Immerhin ist bald Tag- und-Nachtgleiche, danach werden für ein ganzes halbes Jahr lang die Nächte länger sein als die Tage.
„Nein, natürlich nicht“, sage ich, aber noch während ich es sagte, wusste ich, dass es eine Lüge war.
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Ich erinnere mich an dieses Pfadfinderlager, ich muss 11 oder 12 gewesen sein, wo meine Freundin Marianne und ich aus dem Zelt geschlichen sind statt zu schlafen. Wir wollten die Nacht erforschen, pirschen, Tiere beobachten. Aber kaum waren ein paar Meter in den Wald hinein gelaufen, übermannte uns die Angst vor den Schatten und wir rannten wir im gestreckten Galopp zurück zum Zelt, wo wir uns in unseren warmen Schlafsäcken eingekuschelt in die Nacht lauschten.
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Es ist nicht die Dunkelheit an sich, die einem Angst macht, sondern das, was sich in ihr verbergen könnte. Ich erinnere mich an eine Nacht in der Sahara, zwischen den Dünen, Mitten im Nirgendwo. Wir waren zu sechst, hatten ein Feuer, und sassen zusammen redend und schweigend, bis die grosse Bärin und der himmlische Jäger Orion quer über den Horizont gewandert und auf der anderen Seite wieder untergegangen waren.
In der Wüste ist die Dunkelheit so intensiv, weil viele, viele Kilometer weit sich keine Stadt befindet. Aber sie hat mir dort keine Angst gemacht – weil ich in Gesellschaft war, weil wir ein Feuer hatten oder weil ich mich der Illusion hingab, dass sich dort draussen nichts und niemand befand.
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Im letzten Sommer schliefen wir draussen, unter den Bäumen, auf einer Alpweide. Es ist komisch, was schon eine Zeltwand ausmacht. Denn eigentlich mag sie ja das, was sich in der Dunkelheit verbirgt, nicht wirklich von uns abhalten. Aber sie vermittelt die Illusion von Schutz und Geborgenheit, wie sie sonst nur eine Mauer uns geben kann. Aber da draussen, unter den Tannen, mit dem Donnergrollen und den Blitzlichtern weit weg über den französischen Freibergen, da hatten wir gar keinen Schutz.
Selten habe ich mich so verletzlich gefühlt und am Ende war ich stolz auf mich, dass ich doch ein paar Stunden geschlafen habe, obwohl ich den Eindruck hatte, ständig das Trappeln kleinerer und grösserer Schritte zu hören. Und mit spitzen Ohren lauschte, ob nicht die Kühe näher kamen, die auf derselben Alpweide am Grasen waren. Von Kühen beim Schlafen zu Tode getrampelt, das wäre wirklich eine idiotische und überflüssige Todesart!
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Neulich bei der langen Mondfinsternis klemmten wir uns eine Wolldecke unter den Arm und wanderten durch die Nacht, durch den Wald, aufs Plateau von Boudevilliers hoch zum Fussballplatz, um den Mond beobachten zu können. Es war wirklich sehr finster, man hörte es im Wald knacken und schleichen und doch sagten wir dem Kurzen, er solle seine Taschenlampe ausschalten, damit sich die Augen ans Dunkel gewöhnen können.
Während ich still Atmend dem Schatten der Erde dabei zuschaute, wie er sich langsam über den Vollmond schob, hörte ich Mäuslein durch das Gras huschen und die einzigen Tiere, die uns angriffen, waren die Stechmücken. Es war friedlich, und die Schnarchgeräusche meiner beiden männlichen Begleiter vertrieben was immer uns in der Dunkelheit hätte auflauern können.
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Täusche ich mich oder wirken die Schatten grundsätzlich immer eine Spur weniger bedrohlich, wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben? Sind sie eigentlich von sich aus gar nicht so verdammt dunkel und gefährlich, sondern wirken sie nur so, solange man ins Licht schaut?
Kann man die Dunkelheit lieben lernen, oder wenigstens lernen, sie auszuhalten, ohne Feuer oder Licht anzuzünden und ohne mit Lärm, Singen oder Reden die Angst zu vertreiben? Im Moment noch finde ich es extrem schwierig, einfach da zu sitzen und die Dunkelheit und die Gefühle auszuhalten, die mit ihr einhergehen – und dabei KEIN Licht anzumachen, nicht mal das allerkleinste Kerzchen. Einfach da sitzen und aushalten.
Kann man das lernen? Oder ist Furchtlosigkeit nur möglich, wenn man entweder Licht hat oder aber in Gesellschaft anderer Menschen ist, denen man vertraut?
Fürchtest du die Schatten der Nacht?
Täusche ich mich oder wirken die Schatten grundsätzlich immer eine Spur weniger bedrohlich, wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben? Sind sie eigentlich von sich aus gar nicht so verdammt dunkel und gefährlich, sondern wirken sie nur so, solange man ins Licht schaut?
Ich denke schon, mir geht es jedenfalls so. Wenn die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, sieht man oft erstaunlich viel und kann sich besser orientieren, als man vorher gedacht hätte. AuÃer vielleicht bei Neumond in einem engen Schwarzwaldtal.
Zum Schlafen im Zelt fällt mir eine Stelle in „Pettersson zeltet“ ein. Kater Findus liegt im Zelt und kann vor Angst nicht schlafen, weil alles ungewohnt klingt und zu gruseligen Fantasien anregt. Er flüchtet sich zu Pettersson in die Küche, wo dann dieser Dialog abläuft:
Pettersson: Was ist denn jetzt los? Macht es keinen Spaà im Zelt zu schlafen?
Findus: Doch, es hat ganz lange Spaà gemacht. Aber dann war es so einsam. Ich glaub, es würde noch mehr Spaà machen, wenn man zu zweit wäre.
P: Ach, meinst du? Ich dachte, du hast keine Angst vor der Dunkelheit. Du kannst doch so gut sehen im Dunkeln.
F: Ja, ja, das sagst du immer. Aber ich kann auch gut hören. Und wenn man in einem Zelt ist, kann man nur das Zelt sehen, aber man hört viel mehr. Darum hab ich gedacht, ich hör nicht so viel, wenn du eine Weile bei mir sitzt, und dann würde es noch mehr Spaà machen im Zelt zu schlafen.
Ist viel Psychologie bei…