In Blogs, Diskussionsforen, Online-Magazine, Ratgeber und Kein-Ratgeber-sein-wollende Ratgeber grinst sie uns zähnefletschend an: Die Supermutti!
Schreckfigur aller Durchschnittsmütter, Verkörperung von schlechtem Gewissen und schlaflosen Nächten.
Als akademisch gebildete Einzelkindspätmutter mit einer Affinität zu Ratgeberliteratur passe ich natürlich voll ins Supermuttischema und stehe somit auch potenziell unter Supermuttiverdacht.
Eine kleine Internetrecherche hat mich glücklicherweise eines Besseren belehrt:
Supermutti sind immer die Anderen!
Denn: Alle haben sie ein schlechtes Gewissen. Jede fühlt sich als Versagerin an allen Fronten. Jede weiss, dass sie den Ansprüchen, die sie an sich selber stellt, niemals nicht genügen kann. Jede zeigt gegen Aussen nur die Fassade, die sie zeigen möchte – also etwa 20% ihres wahren Ichs -, meint aber alle Anderen würden alles von sich preisgeben. So entsteht automatisch eine Schieflage in der Wahrnehmung: Wir sehen immer nur die geputzte Wohnung der anderen – und vergessen dabei, dass wir selber auch schnell mit dem Staubsauger durch die Wohnung fräsen, wenn sich Besuch angekündigt hat. Das tun alle!
Jede Mutter befürchtet, nicht genug für ihr Kind, ihren Mann und neuerding auch noch sich selber zu tun. Unbedingt sich selber auch! Der letzte Punkt ist in den letzten Jahren zur endlosen Was-eine-Mutter-alles-können-soll-Liste dazu gekommen (man will schliesslich, um nicht als Supermutti da zu stehen, deren Leben sich ausschliesslich ums Kind dreht und die sich selber dabei vernachlässigt, sagen können: „doch, doch, ich tu auch mal was für mich selber!“).
Womit dann der 30-Stunden-Tag von Durchschnittsmutti zum 35-Stunden-Tag geworden ist und sie noch stärker das Gefühl hat, nirgends zu genügen.
Supermutti, unser aller Nemesis! Du bist schuld, wenn wir uns schlecht fühlen!
Einige meinen, Supermutti auf dem Spielplatz gesichtet zu haben, wie sie selbst gezogene biodymanische Vespermahlzeiten aus biologisch abbaubaren Tupperdosen zauberte. Nur entpuppte sich auch jene Mutter bei näherem Hinsehen als genau so von schlechtem Gewissen getriebene Person, die versuchte, das Beste für ihre Kinder, ihren Mann, ihren Job, und irgendwo weit hinten auf der Prioritätenliste auch sich selber zu tun. Das konnte sie also nicht gewesen sein. Aber wo steckt sie nur?
Aus Büchern wie „Rabenmutter„* (Nathalie Sassine-Hauptmann), „Von Erziehungsexperten umzingelt„* (Katy Albrecht) oder „Supermuttis: Eine Abrechnung mit den überengagierten Müttern„* (Lotte Kühn) haben wir erfahren, dass Supermuttis eine äusserst unangenehme Untergattung von Homo Sapiens Sapiens darstellen. Deshalb ist klar: Supermutti hat sich getarnt, damit sie nicht so auffällt.
Aber um dem Verdacht, etwa gar selber Supermutti zu sein zu entgehen, notieren wir schnell einen weiteren Punkt auf unsere inneren To-Do-Liste:
- mir gegen aussen nicht anmerken lassen dass ich den Titel der weltbesten Mutter anstrebe
Schrieb doch sogar der äusserst tolerante Jesper Juul: „Perfekte Eltern sind ein Albtraum“. Also müssen wir unperfekt sein, um perfekt zu sein. Und genau an diesem Punkt fangen die Logik-Prozessoren an durchzubrennen, Rauch entwickelt sich und das Gehirn schmilzt zu einer breiigen Masse, aus der nicht mal mehr Bones, die Knochenjägerin, ein Restvorkommen an Verstand extrahieren könnte.
Frauen, gönnt Euch eine Pause! Macht Euch einen Capuccino oder was ihr sonst so gerne trinkt, lehnt zurück, lasst die Welt für einen Moment sein und eure Kinder sowieso. Die supermuttimässig perfekte Förderung der Stunde heisst „freies Spiel“ statt 24-Stunden-Rundumbetütelung.
Jede von uns gibt ihr Bestes und dafür muss sich keine schämen oder so tun, als ob sie mit weniger als ihrem Besten zufrieden wäre. Das ist alberner Unsinn!
Wir wollen Supermütter seinÃÂ und wir sind es: In den Augen unserer Kinder, die uns (noch) für die aller-aller-allerbesten Mütter halten. Während der Pubertät sind wir dann sowieso blöd. Aber die kommt später. Bis dahin können wir uns doch einfach an unserem Supermuttitum freuen. Laut oder leise, ist doch egal. Was andere davon halten, kann uns wurscht sein!
Hat eigentlich schon mal jemand von einem Vater gehört, der sich dafür schämte, ein guter Vater sein zu wollen? Na also!
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Zum Weiterlesen
- Auf Zehenspitzen: Wer hat Angst vor der Übermutter?
- Natürlich will ich eine gute Mutter sein!
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Das Problem ist, dass Papas superschnell Superpapas sind. Mein Mann braucht nur mal mit 3 Kindern einkaufen gehen und wird dafür schon bewundert. Ein toller, mutmachenender Artikel. Danke! Viele Güsse (supermutti:)) alias xeniana:)
Ein Beitrag, der mir aus dem Herzen spricht und den ich gleich verlinkt habe:
https://www.networkingmom.de/supermuttis-unter-sich/
Und sind wir doch ehrlich, wir SIND super Muttis – so wie wir sind!
danke! danke. ich liebe es. und es ist so wahr. lasst uns so sein wie wir sind, mit allen schwächen und fehlern, auch und gerade als mütter. wenn wir nicht authentisch und wir selbst sein dürfen, wer sollen wir denn dann bitte sein für unsere kinder? heidi klum? nein, danke. ich verlinke deinen artikel sofort zu mir! danke nochmal. 🙂 liebe güÃe aus dem mütterchaos.
Danke!
Ja. Supermutti sind immer nur die anderen 🙂 – wobei ich glaube, dass eine „gute Mutter“ (im Sinne einer authentischen, zu ihren Stärken wie Schwächen stehenden) das Gegenteil einer „perfekten Mutter“ ist, erstere kann ein Vorbild sein, letztere schreckt ab. Väter, glaube ich, reflektieren ihre Rolle (aus Zeitgünden, Selbstschutz u.ä.) auch viel weniger als Mütter.
Guter Beitrag 🙂 Vielen Dank!
Danke! Und ab sofort Abonnentin Ihres Blogs 🙂
Das ist ein wirklich toller Post!
Sehr amüsant, danke!
Vielen Dank hierfür, ich musste laut lachen! Wahrscheinlich nicht zuletzt, weil ich mich gut mit dem von Dir beschriebenen identifizieren kann! Schliesslich will man wirklich insgeheim die beste Mutti aller Zeiten sein und dabei aber nicht an Identität verlieren. Ich habe mit dem Vater meines Kindes schon ein paar Abmachungen diesbezüglich getroffen, wir üben uns öfter mal im Rollentausch: Er ist in der Kita kochen gegangen, als wir dran waren und ich habe unsere Winterreifen aufgezogen. Ich kümmere mich um handwerkliche Dinge (soweit meine Fähigkeiten das zulassen) und er macht Kinderbetreuung. Damit versuchen wir, erstens die Last gleichmässig zu verteilen, zweitens uns unsere Identitäten zu bewahren, jenseits des Eltern sein. Das ist so schon schwer genug. Aber es lenkt einen auch evtl. vom Wunsch ab, Supermutti oder -daddy zu sein und bringt einem dem ganzen genau dadurch ein Stück näher.. 😀
Danke! Das bringt es auf den Punkt. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, ob ich mich in Zukunft weniger dafür schämen werde, eine Super-Mami sein zu wollen, oder ob ich den Titel gar nicht anstrebe. Hmm, es wird wohl das erstere 😉