Dieser Artikel gehört zum Schwerpunktthema Stress, Burnout und Depression und ist ein Gastbeitrag von Barbara, Mutter eines Sohnes.
Barbara lebt mit ihrem Sohn in einer kleinen Stadt im Süden Deutschlands. Nach der schwierigen Trennung von ihrem Mann und langer Arbeitslosigkeit arbeitete sie fast bis zum Umfallen, um sich und ihren Sohn über die Runden zu bringen. Das hier ist ihre Geschichte:
Ich wurde während eines Aufenthalts in Tunesien schwanger und kehrte vorerst ohne den Vater nach Deutschland zurück. Dieser konnte erst zwei Monate nach der Geburt nachkommen. Wider besseren Wissens heiratete ich ihn und war vom ersten Tag an unwohl in dieser Ehe. Da waren nicht nur die unüberwindbaren kulturellen Gegensätze, der Mann übte auch psychische Gewalt aus. Mehrfach flüchtete ich vor seinen Wutanfällen zu Freunden und nur neun Monate nach der Hochzeit trennte ich mich von ihm. Wochenlang musste ich noch unter demselben Dach mit ihm wohnen. Es war die Hölle!
Er konnte meine Entscheidung, mich zu trennen, nicht akzeptieren und warf mir vor, ihn betrogen zu haben. Zwei Jahre lang stieg er uns nach und bedrohte uns. Obwohl ich grosse Angst vor ihm hatte reichte ich keine Anzeige ein. Ich fürchtete, er würde uns sonst etwas antun oder den Kleinen nach Tunesien entführen.
Als mein Sohn endlich einen Platz im Kindergarten hatte, konnte ich anfangen, mir eine Arbeit zu suchen. Ich schrieb weit mehr als hundert Bewerbungen, in meinem Beruf und in anderen Bereichen – alle ohne Erfolg. In meinem Umfeld stiess ich auf wenig Unterstützung. Ich war ständig gereizt, fühlte mich nutzlos und überflüssig und nicht selten liess ich es an meinem Sohn aus.
Erst als das Arbeitsamt mir einen neuen Sachbearbeiter zuteilte, kam neuer Schwung in meine Arbeitssuche. Ich konnte eine Weiterbildung machen und fand eine Stelle. Leider nur mit befristetem Vertrag, aber mit der Aussicht, dauerhaft übernommen zu werden. Eine Zeit lang ging es mir richtig gut, doch dann fingen neue Schwierigkeiten an. Ich musste zwei ausgefallene Kollegen vertreten, daneben eine nicht gerade motivierte Praktikantin anlernen und statt der Arbeit, für die ich bezahlt wurde, auch noch Sekretariatsarbeiten übernehmen.
Ich war bald am Rande der Erschöpfung, machte aber weiter, um die in Aussicht gestellte Festanstellung nicht zu gefährden. Eine erneute Arbeitslosigkeit hätte mich fertig gemacht. Mit der Zeit bekam ich schwere Panikattacken und Angstzustände, konnte kaum mehr schlafen. Mit Hilfe von Medikamenten hielt ich mich über Wasser und machte weiter. Schliesslich wurde mein Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert und all die Anstrengungen waren für die Katz gewesen.
Mein Sohn ist jetzt sieben Jahre alt und merkt natürlich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich bin ständig gereizt und genervt und explodiere wegen Kleinigkeiten. Nach Besuchen bei seinem Vater kommt er verängstigt zurück, sein Vater beschimpft ihn und beleidigt mich vor ihm. Der Kleine hat Angst vor ihm und möchte nicht mehr zu ihm. Er hat jetzt „begleiteten Umgang“, d.h. mein Exmann darf seinen Sohn nur in Anwesenheit einer Sozialarbeiterin sehen.
Ich habe jetzt das alleinige Sorgerecht beantragt. Aber obwohl mein Exmann mehrmals ausgeflippt ist, mich vor Zeugen im Jugendamt bedroht und beschimpft hat, sagt mein Anwalt, dass die Aussichten schlecht seien. Ich werde kämpfen müssen, obwohl meine Erschöpfung immer weiter geht. Ich kann kaum mehr schlafen und mich nicht richtig erholen. Aber ich kann auch nicht in eine Klinik oder so, denn mein Exmann würde das knallhart gegen mich verwenden. Und wohin mit meinem Buben? Ich habe niemanden, der mir helfen kann oder gar meinen Sohn mehrere Wochen oder Monate zu sich nehmen.
Deshalb bin ich jetzt seit diesem Jahr in ambulanter Therapie und hoffe, dass das ausreicht. Mit der Hilfe des Therapeuten lerne ich, auch mal etwas liegen zu lassen und mir selber etwas Gutes zu tun. Mir geht es langsam besser und ich merke auch dem Verhalten meines Sohnes an, dass die Therapie Wirkung zeigt. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns!
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nur dies: ich wünsche ganz ganz viel Kraft und alles Gute!
Liebe Barbara,
ich kann dein derzeitiges Dilemma gut verstehen. Zwar habe ich nicht so eine Vergangenheit wie du, aber deine aktuelle Situation ist mir gut bekannt. Es gibt tolle Kliniken, die auch dein Kind mit aufnehmen und ihr beide zur Ruhe kommen könnt. Wenn du einen tollen Anwalt hast, wird der eine solche Entscheidung mehr als nur positiv für dich bewerten. Denn es ist so: Du kannst dich nur gut um dein Kind kümmern, wenn es dir selbst gut geht. AuÃerdem kann dein Kind durch eine gemeinsame Auszeit auch zur Ruhe kommen und erhält neue, positive Inputs, die bestenfalls seinen Selbstwert stärken. Der Vater deines Kindes übt ja auch psychische Gewalt auf ihn aus – gerade wenn er seine negativen Gefühle an deinem Sohn auslässt und dich vor ihm schlecht macht. Dies stürzt deinen Sohn in einen Loyalitätskonflikt, der für seine weitere Entwicklung fatale Folgen hat. Ein Klinikaufenthalt für euch zwei kann dein Ex nicht gegen dich verwenden, weil du damit das einzig Richtige tun wirst, dass ihr zwei keine langfristigen Folgen dieser Zeit haben werdet. In diesem Sinne handelst du auch zum Wohl des Kindes. Ich kann dir nur den Rat geben, mit den entsprechenden Sachbearbeitern des Jugendamtes zu sprechen und dein Vorhaben im Sinne des Kindes zu formulieren. Erkläre dabei auch deine Bedenken und deine Angst. Denn nur wenn du transparent bleibst und auch deine Sorgen um dein Kind formulierst, bist du deinem Mann einen Schritt voraus. Und was spricht wohl für das Sorgerecht: Jemand, der sich um sein Kind sorgt, ihm eine gute und stabile Mutter sein zu wollen und vor allen Dingen auch dafür sorgt, dass die verletzliche Psyche des Kindes stabilisiert wird oder ein Vater, der gegen die Mutter spricht, ihr unwahre Dinge bescheinigt und gleichsam den natürlichen Loyalitätskonflikt eures Sohn noch verstärkt? Alles spricht für dich und auch wenn dein Ex, einen Aufenthalt gegen dich verwenden möchte, hat er keine Chance, Denn er muss dir beweisen können, dass du dich dauerhaft nicht um deinen Sohn kümmern kannst! Ich würde dir gern deine Angst nehmen, denn sie ist unbegündet – verschwendete Energie und ich weiÃ, wovon ich spreche!!! Ganz liebe GüÃe von Yvonne