Der geheime Garten: Wenn ein Samen zum Aufgehen 30 Jahre braucht plzmDer geheime Garten: Wenn ein Samen zum Aufgehen 30 Jahre braucht c8703b9756354f929fd21e01e901469c

Schon immer wünschte ich mir einen Garten, wie sie in den englischen Herrenhäusern zu besichtigen sind, mit Mauern, die die zarten Rosen vor dem kalten Wind schützen. Und überhaupt: Rosen, ganz viele Rosen. Der geheime Garten, von dem ich tagträumte, sollte hohe Mauern haben, Tore, Gartenwege und einen einsamen Gärtner, der mit müden Knochen seine Schubkarre vor sich herschob.

Die Idee eines von Mauern umgebenen, geschützten Gartens, in dem ich alleine werkeln konnte und nur jene Menschen hinein durften, die ich auch dort haben wollte, wurde über die Jahre ein geistiger Kraftort, an dem ich mich bei Bedarf hinbeamen konnte. Aber nur in meinen Gedanken. Der Wunsch nach einem eigenen, ummauerten Rückzugsort wuchs und wuchs über die letzten 30 Jahre, bis ich ihn mir ab 2010 (fast) verwirklichen konnte.

Die Sehnsucht nach den Yorkshire-Dales

„Es hat weder Felder noch Berge, es gibt nur Meilen über Meilen wildes Land, auf dem nichts wächst ausser Heidekraut, Stechginster und Gestrüpp, und auf dem nichts lebt ausser wilden Ponys und Schafen.“ (Der geheime Garten)

Das Moor in Yorkshire. Ich dachte, Yorkshire sei flach, ist es aber nicht, es ist hügelig, ein Flachländer würde es sogar bergig nennen. Als mein zukünftiger Mann und Vater meines Kindes und ich 1999 ein halbes Jahr Auszeit nahmen, um Schottland und Irland zu bereisen, wollte ich unbedingt die Moore im Norden Englands sehen. So eine kleine, feine Sehnsucht war da in mir drin, schon seit immer könnte man meinen.

Der geheime Garten: Yorkshire Dales Moore
Yorshire Dales National Park

„Sie fuhren immer weiter und obwohl der Regen aufgehört hatte, rauschte der Wind und pfiff und machte seltsame Geräusche. Die Strasse ging auf und ab, und mehrmals fuhr die Kutsche über kleine Brücken, unter denen das Wasser sehr schnell und mit viel Lärm vorbeirauschte. Mary hatte das Gefühl, dass die Fahrt niemals enden würde.“ (Der geheime Garten)

Wir sind viel gereist, bevor unser Sohn zur Welt kam, vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, nachdem wir den Landrover gekauft hatten. Natürlich auch in England und bei unserer mehrere Monate dauernden Reise über die britischen Inseln fanden wir dann auch tatsächlich den Weg nach Yorkshire und in die Herrenhäuser mit ihren herrschaftlichen Gärten.

Der geheime Garten: Ich im Garten eines Herrenhauses in Nordirland
/me 1999, Nordirland

„Ständig musste sie an den Garten denken, in dem seit zehn Jahren niemand mehr gewesen war. Sie fragte sich, wie er wohl aussah und ob darin noch Blumen lebten.“ (Der geheime Garten)

Der geheime Garten: Garten eines Herrenhauses in Nordengland

„Als sie durch das Buchsbaumtor gegangen war, fand sie sich in einem grossen Garten wieder, mit Rasenflächen und gewundenen Wegen mit beschnittenen Rabatten. Es gab Bäume, Blumenbeete und immergrüne Pflanzen, die in seltsame Formen geschnitten waren, und einen grossen Teich mit einem alten grauen Springbrunnen in der Mitte. Aber die Blumenbeete waren kahl und winterlich und der Brunnen hatte kein Wasser.“ (Der geheime Garten)

Der geheime Garten: Gartenmauer irgendwo in England

Als sie jedoch den oberen Teil des Gartens betreten hatte, bemerkte sie, dass die Mauer nicht mit dem Obstgarten zu enden schien, sondern sich darüber hinaus erstreckte, so als ob sie einen Ort auf der anderen Seite umschloss. Sie konnte die Baumkronen über der Mauer sehen, und als sie stehenblieb, sah sie einen Vogel mit einer leuchtend roten Brust auf dem obersten Ast eines Baumes sitzen, und plötzlich stimmte er sein Winterlied an – fast so, als hätte er sie entdeckt und wolle ihr etwas zurufen.“ (Der geheime Garten)

Woher diese leiste Sehnsucht nach den nordenglischen Hochmooren und der Wunsch nach einem eigenen ummauerten Garten kamen, war mir nie ganz klar. Erst als ich neulich zufällig bei Nido Online die Kinderbuch-Lesetipps der Nido-Redaktion überflog, fiel es mir wie Schuppen von den Augen!

Der geheime Garten von Frances Hodgson Burnett aus dem Gerstenberg Verlag.

Der geheime Garten meiner Träume

„Der Geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett (im Original „The Secret Garden“) war eine Zeit lang mein absolutes Lieblingsbuch und wie andere Lieblingsbücher, habe ich es immer wieder gelesen. Das ging so weit, dass ich nicht nur einen eigenen Garten haben wollte, sondern auch ein eigenes Rotbrüstchen und einen Freund mit einem Pony.

Die Geschichte spielt in der Mitte oder gegen Ende des 19. Jahrhunderts im nordenglischen Yorkshire. Die kleine Mary Lennox wächst in den britischen Kolonien in Indien auf. Als ihre Eltern an der Cholera sterben, kommt sie zu ihrem Onkel Archibald nach Misslewhite in Yorkshire, England.

der geheime garten: kletterrosen wachsen an der Mauer hoch

Archibald Craven gibt sich seit dem Tod seiner Frau der Trauer hin und kümmert sich weder um sein Anwesen noch um seinen kranken Sohn Colin. Als Mary nach Misslewhite kommt, findet sie überall Geheimnisse und Unausgesprochenes. Aus lauter Langeweile fängt sie an, nach dem Garten zu suchen, den der Hausherr nach dem Tod seiner Frau zugesperrt haben soll und den seither niemand mehr betreten hat.

Wie Der kleine Lord und Eine kleine Prinzessin, zwei andere bekannte Kinderbücher von Frances Hodges Burnett, lebt auch dieses hier von den mitreissenden Beschreibungen, von den Beziehungen der Charaktere untereinander, und deren Entwicklung hin zum Positiven. Und wie viele Erzählungen aus dem Zeitalter der Romantik hinterlässt auch diese hier eine Sehnsucht nach der heilenden Kraft der Natur.

„Mistress Mary, quite contrary,
How does your garden grow?
With silver bells, and cockle shells,
And marigolds all in a row.“

Ich musste tatsächlich lange warten, viel länger noch als Mistress Mary Lennox. Aber heute habe ich meinen eigenen, ummauerten Garten, mit Glockenblumen und Vergissmeinnicht, aber auch mit zahlreichen Rosen, Kletterrosen und Beetrosen, Hochstämmern und Zwergen:

„Es war der schönste, geheimnisvollste Ort, den man sich vorstellen kann. Die hohen Mauern, die ihn umschlossen, waren mit den blattlosen Stielen von Kletterrosen bedeckt, die so dicht waren, dass sie miteinander zu einem einzigen Geflecht verwoben waren …“ (Der geheime Garten)

Bezugsquellen

„The Secret Garden“ im Englischen Original ist in der Kindle-Bibliothek von Amazon gratis, oder als illustrierte, gebundene Ausgabe erhältlich.

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