Alle zwei Jahre findet auf dem Schloss und im Städtchen ein Mittelalterfest statt.

Ich sehe viele Eltern in Öko-Kleidung, mit Tragetuch oder Tragehilfe, die liebevoll und bedürfnisorientiert mit ihren Babys und Kindern umgehen.

Aber ich sehe keine freilaufenden Kinder im Schulalter. Unser Kurzer (8) ist der Einzige, der unbeaufsichtigt herumläuft.

Er geht zu anderen Kindern hin – auch solchen, die er noch nicht kennt – und fragt sie, ob sie mitkommen wollen (kämpfen, mit dem Feuer spielen, Trapper-Brote backen, Āžpfel „klauen“, die Wachen angreifen,…).

Andere Eltern sind irritiert.

Aber wieso? Wären nicht wild laufende Kinderhorden der natürliche Zustand von Kindern im Alter von zirka 7 bis 10 Jahren?

Ich frage mich, wann das artgerechte Leben, das Eltern für ihre Babys noch umzusetzen versuchen, für das Kind endgültig vorbei ist. Bereits mit der ersten Autonomiephase? Mit der so genannten „Wackelzahn-Pubertät“?

Mein Sohn kommt so alle Stunde schnell nachhause, pinkeln, ein Glas Wasser trinken und läuft gleich wieder los. Erhitzt, mit roten Wangen, voll in seinem Mittelalter-Film.

Das werden in ein paar Jahrzehnten seine schönsten Erinnerungen sein: Wie er als Schulbub das ganze Wochenende lang allein oder mit anderen Kindern über den Mittelaltermarkt gerannt ist, verkleidet als Ritter, mit Holzschwert und Holzschild, und eine Ewigkeit lang immer nur das getan hat, was er wollte

In seiner Kinderwelt, in der Erwachsene und Autoritätspersonen für einmal nur Dekoration waren.

Ich fühle mich gerade sehr privilegiert, dass ich meinem Sohn solche Erlebnisse und Erinnerungen ermöglichen kann. Gleichzeitig frage ich mich, wo all die anderen Kinder sind…