Wer sich gut ernährt, für ein starkes Immunsystem sorgt und die richtige Einstellung hat, braucht keine Angst vor Corona zu haben. Es ist unfair, dass wir geopfert werden, wenn doch nur alte und kranke Menschen daran sterben.
Wer hier Rücksicht auf seine eigenen, egoistischen Bedürfnisse einfordert, ist nicht etwa ein Neonazi, Sozialdarwinist oder libertärer Zyniker, sondern eine sympathische Frau Mitte dreissig, die sich selbst durchaus als mitfühlend, engagiert und sozial bezeichnen würde. Sie investiert zudem sehr viel Zeit in ihre Persönlichkeitsentwicklung und Achtsamkeitstraining.
Sie ist aber offensichtlich auch eine Person, die vor lauter Innenschau keine Rücksicht auf ihre Mitmenschen mehr nehmen kann.
Rücksicht nehmen auf andere Menschen, auf Menschen im Bus, im Einkaufsladen, in der Kantine, also auch Menschen, die man nicht direkt kennt, wird verwechselt mit „geopfert werden“.
Ja, sich in andere hineinversetzen und auf sie achten ist anstrengend!
Wer argumentiert wie die besagte Frau, hat keine chronisch kranken oder alten Menschen in ihrem engsten Kreis. Vor allem ist er oder sie selber nicht gesundheitlich angeschlagen. Und sie ist sich absolut nicht bewusst, wie privilegiert sie ist!
Ja, ihr lest schon richtig: Ich halte Gesundheit für ein Privileg. Reine Glückssache!
Einerseits gibt es das Privileg der Geburt, die die Wahrscheinlichkeit eines Menschen beeinflusst, an gewissen Krankheiten zu erkranken oder nicht: Nicht nur die Geografie, sondern auch die Ethnie, die Race, die soziale Schicht, Bildungsstand und Einkommensklasse haben Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen.
Und jeder einzelne dieser Faktoren beeinflusst (und multipliziert dadurch) die Faktoren „gute Ernährung“, „starkes Immunsystem“ und „richtige Einstellung“.
Darüber hinaus kann man alles richtig machen – und trotzdem krank werden!
Es gibt statistische Wahrscheinlichkeiten und Risikofaktoren, die man beeinflussen kann. Aber am Ende läuft es doch auf das heraus, was schon unsere Grossmütter wussten: Der Mensch denkt, und Gott lenkt.
Es ist zu einem grossen Teil reine Glücksache (oder Pech), ob man gesund ist oder an irgend einer der zahlreichen chronischen Krankheiten leidet, die es so gibt: Rheuma, Multiple Sklerose, Asthma bronchiale, Bluthochdruck, Morbus Cron, Diabetes I oder II, Kolitis Ulcerosa oder eine der anderen unzähligen Nettigkeiten, bei denen der eigene Körper sich selbst angreift und die im Zusammenhang mit Covid „Vorerkrankung“ genannt werden.
Wenn man in der Lebenslotterie das „Shit-Sandwich“ gezogen hat, dann hilft einem weder die „richtige Ernährung“ noch Multivitamine für’s immunsystem.
Die wenigsten dieser Erkrankungen sieht man den Menschen an und die wenigsten Betroffenen disuktieren in der Kaffeepause oder im Bus mit Fremden über ihre Erkrankung.
Klappe halten tut nicht weh – das Gegenteil schon
Wenn du dich selbst als freundlichen, einfühlsamen und achtsamen Mensch betrachten möchtest, und trotzdem findest, alle Corona-Massnahmen seien übertrieben, weil dieses Virus nur alte und kranke Menschen umbringen würde – dann sei wenigstens so nett und BEHALTE ES FÜR DICH!
Wenn dein Gegenüber an einer unsichtbaren Erkrankung leidet, dann macht ihm die Pandemie und alles was damit zusammenhängt, eh schon doppelt so viel zu schaffen wie dir. Denn im Gegensatz zu dir muss diese Person nach jeder Begegnung mit anderen Menschen um ihr Leben fürchten. Da braucht sie nicht noch jemanden, der ihr erklärt, dass sie quasi selber schuld an ihrer Erkrankung ist (wegen fehlender „richtiger Ernährung“ oder fehlender „Stärkung des Immunsystems“) oder dass ihr Leben weniger wert sei als der Komfort ihrer Mitmenschen, was im Satz „es sterben sowieso nur Alte und Kranke“ so unangenehm mitschwingt.
Wenn du dir eine bessere Welt wünschst, wenn du ein guter und achtsamer Mensch sein willst, dann achte in Zukunft darauf, wie deine Worte jemanden verletzen können, der nicht so privilegiert ist, wie du selbst!
Weitere Artikel zum Thema Covid-19
- „Ich wünschte, du wärst hier“ von Jodi Picoults (Roman)
- Corona-Pandemie: Zwei Jahre mit der neuen Krankheit
- Indirekte Impfpflicht in der Schweiz: Ein paar Gedanken zu der laufenden Diskussion
- Gedanken über Covid, Rücksicht und Einfühlungsvermögen: Überprüfe deine Privilegien
- Verhöhnung der Opfer der Nationalsozialisten durch Querdenker
- Solidarität, der Wald und die Bäume
- Vernetztes im März 2020 (Corona Edition)
- Corona und ich
Weitere Artikel zum Thema Empathie
Weitere Artikel zum Thema Covid-19
- „Ich wünschte, du wärst hier“ von Jodi Picoults (Roman)
- Corona-Pandemie: Zwei Jahre mit der neuen Krankheit
- Indirekte Impfpflicht in der Schweiz: Ein paar Gedanken zu der laufenden Diskussion
- Gedanken über Covid, Rücksicht und Einfühlungsvermögen: Überprüfe deine Privilegien
- Verhöhnung der Opfer der Nationalsozialisten durch Querdenker
- Solidarität, der Wald und die Bäume
- Vernetztes im März 2020 (Corona Edition)
- Corona und ich
Inzwischen wissen wir doch, dass nicht nur alte Menschen und / oder solche mit Vorerkrankungen sterben. Und über die Langzeitfolgen von den erst mal Genesenen ist auch noch nicht viel bekannt.
Die Sozialwissenschaftlicherin in mir ruft hinterher: Gesundheit ist ein Stück Zufall aber je besser die Lebensbedingungen, und je weniger arm , desto gesunder die Menschen.
Ãrmere Menschen sind öfter krank oder von schweren Erkrankungen bedroht
Das ist es, was ich mit diesem Absatz meinte:
„Einerseits gibt es das Privileg der Geburt, die die Wahrscheinlichkeit eines Menschen beeinflusst, an gewissen Krankheiten zu erkranken oder nicht: Nicht nur die Geografie, sondern auch die Ethnie, die Race, die soziale Schicht, Bildungsstand und Einkommensklasse haben Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen. Und jeder einzelne dieser Faktoren beeinflusst (und multipliziert dadurch) die Faktoren „gute Ernährung“, „starkes Immunsystem“ und „richtige Einstellung“.“
Aber Du sagst es einfacher verständlich, danke dafür!