Gestern morgen vor einem Jahr rückten wir zwar ängstlich, aber mit grosser Vorfreude, ins Krankenhaus ein, um „die dicke Steisslage“ (Arbeitstitel) per Kaiserschnitt zu gebären.

Gestern Mittag vor einem Jahr hätte der Kaiserschnitt vorbei gewesen sein, wir hätten in einem Gebärsaal Bonding bis zum Abwinken betreiben und alles hätte perfekt sein sollen.

Gestern Mittag vor einem Jahr wollte ich wissen, wieso mir niemand mein Kind brachte und mehr als „alles ist in Ordnung, Madame, seien sie nicht beunruhigt“, erfuhr ich nicht, bis mein Mann mit der Kamera kam, mir Fotos von einem Baby zeigte und mir erklärte, es gäbe „ein kleines Problem“. Man müsse den Kleinen ins Kantonsspital, auf die Neointensiv verschieben. Man warte noch auf die Ambulanz mit dem mobilen Brutkasten. Aber der Kleine sei am Leben, er hätte nur Fruchtwasser in der Lunge und Mühe mit Atmen…

Gestern Nachmittag vor einem Jahr wurde ich mit leerem Bauch und Morphium in den Adern in den Aufwachraum gefahren, wo ich zwei Stunden ohne Neuigkeiten wartete und ohne mich zu erinnern, wie mein Kind aussah.

Gestern Nachmittag und Abend vor einem Jahr warteten wir auf eine Ambulanz, die mich in das Krankenhaus bringen sollte, wo Neonatologen und Kinderärzte zur selben Zeit daran arbeiteten, meinem Sohn das Leben zu retten. Unsicherheit, Angst, Trauer und die immer wieder gestellte Frage „Haben Sie Neuigkeiten von meinem  Kind?“ bestimmten den Tag, der eigentlich einer der Schönsten in unserem Leben hätte sein sollen.

Gestern Abend um Acht vor einem Jahr schliesslich wurde ich in der Ambulanz ins Kantonsspital transportiert, wo ich kämpfen musste, um mein Baby zu sehen und dann dort sass, das arme, nackte Würmchen im Plastikbettchen betrachtete und keinen Zusammenhang mit meinem Bauchbaby herstellen konnte.

Gestern Nacht vor einem Jahr tat ich kein Auge zu, weil das Morphium Ameisen unter meiner Haut durchlaufen liess und weil ich träumte, ich würde mein Kind nicht mehr finden können, weil ich mich weder erinnern konnte, wie es aussah, noch wie es roch.

Heute vor einem Jahr sass ich zwei Wochen lang an besagtem Plastikbettchen und erzählte dem Zwerg, was wir, sein Papa und ich, ihm alles zeigen wollten, wie schön sein Zimmer sei, sein Stubenwagen, die Katzen, die auf ihn warteten und wie es sich trotz allen Schmerzen und Mühen lohnen würde, noch ein Momentchen bei uns zu bleiben, weil wir so auf ihn gewartet haben und es auch unendlich Spass mache, die Welt zu entdecken.

Erster Geburtstag
Erster Geburtstag

Seit nunmehr einem Jahr schaue ich jeden Abend voller Dankbarkeit auf das schlafende Kind in seinem Bettchen gleich neben unserem und sein regelmässiger Atem ist das schönste Schlaflied, das eine Mutter sich nur wünschen kann.

In diesem Sinne: Happy Birthday, kleiner Mann!

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