Ich weiss nicht, liegt es an meinem Lesegeschmack oder ist der Buchmarkt momentan tatsächlich voller Bücher über abenteuerlustige Frauen, die während der vorletzten Jahrhundertwende losziehen, die Welt zu entdecken? Nach „Die Champagnerfürstin“ und „Ein kleines Stück von Afrika“ stosse ich innerhalb eines Jahres schon wieder auf eine solche Frau. Wie Madame de Pommery hat Prinzessin Therese von Bayern (1850-1925) tatsächlich existiert und sich auf die im Buch beschriebene Reise begeben, aber natürlich sind die offenbar unverzichtbare ungebührliche Liebschaft und andere Details von der Autorin frei erfunden, um der „fiktiven Biografie“ etwas Würze zu verleihen.

Wer war Prinzessin Therese von Bayern?

Prinzessin Therese von Bayern, gemalt von Friedrich August von Kaulbach
Prinzessin Therese von Bayern, gemalt von Friedrich August von Kaulbach

Therese von Bayern entstammte dem Königshaus von Bayern und ihr Vater Luitpold war Prinzregent von Bayern, bevor ihr Bruder Ludwig als Ludwig III von Bayern den bayrischen Thron übernahm. Therese war schon als Kind unersättlich, was ihre Bildung betraf, und durfte am Privatunterricht ihrer Brüder teilnehmen. Dass 1903 unter der Regentschaft ihres Vaters Frauen in Bayern Zugang zu den Universitäten erhielten, ist wohl zu einem grossen Teil ihr zu verdanken.

Therese bildete sich, teils im Privatunterricht, teils autodidaktisch, in alten und neuen Sprachen, Sozialwissenschaften, Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie, und wusste die umfangreiche Bibliothek ihres Vaters für sich zu nutzen.

1871, im Alter von 21, unternahm Prinzessin Therese ihre erste Reise, die sie nach Nordafrika, Spanien und Portugal führte und in der Veröffentlichung eines Reiseberichts mündete. Nun war sie nicht mehr aufzuhalten. Nach Reisen durch Skandinavien und Russland begab sie sich 1888 endlich auf die lange ersehnten Forschungsreise nach Brasilien, von der sie seit ihrer Lektüre Alexander von Humboldts träumte und die im Roman „Die Forscherin“ eine zentrale Rolle spielt. 1893 und 1898 kehrte sie erneut auf den amerikanischen Kontinenten zurück und bereiste zuerst Nordamerika, und fünf Jahre später Kolumbien und Peru, wobei sie die Anden überquerte.

Um sich auf ihre Forschungen konzentrieren zu können, pflegte sie inkognito als „Gräfin Elpen“ unterwegs zu sein und nahm nur zwei Bedienstete und eine Zofe mit – ein absolutes Minimum für jemanden in ihrer Stellung (dieses Detail findet sich auch im Roman wieder). In ihren Reiseberichten findet man ein ehrliches Interesse für die indigenen Völker und (im Rahmen ihrer Zeit) aussergewöhnliche Aufgeschlossenheit gegenüber deren Lage. Sie hatte keine Angst vor Spinnen, Schlangen und sammelt diese nicht nur, sondern ass sie auch. Maximilian von Speidel, ein Berufsmilitär und ehrgeiziger Freund ihres Vaters, der sie als Reisemarschall nach Brasilien begleitete und im Roman vorkommt, beklagte sich in seinem Reisebericht seitenweise über ihr ungebührliches Verhalten.

Mit über sechzig Jahren plante Therese von Bayern eine Weltreise. Wegen der politischen Lage, dem Ausbruch des ersten Weltkriegs und nach dem Krieg wegen ihrer Erkrankung, konnte sie diese Reise jedoch nie antreten. 1914 zog sie sich in ihr Sommerschloss nach Lindau am Bodensee zurück, wo sie bis an ihr Lebensende lebte. Sie blieb dort nicht untätig, sondern widmete ihre Energie fortan der Verbesserung der Bildung von Mädchen. Während des Kriegs engagierte sich die Demokratin und Pazifistin im Katholischen Frauenbund.

Sie starb 1925 nach langen Jahren der Krankheit an Tuberkulose und hinterliess dem Freistaat Bayern und der Universität München eine riesige Sammlung von Büchern, Reiseberichten, ethnologischen, botanischen und zoologischen Objekten.

Die Handlung von „Die Forscherin“

„Die Forscherin“ ist sehr stark an das Leben von Prinzessin Therese von Bayern angelehnt, die Autorin weicht aber in wichtigen Teilen auch von ihrer historischen Vorlage ab und begibt sich ins Reiche der Fantasie.

Katharina Innig erzählt die Geschichte „ihrer“ Therese auf zwei Zeitebenen. Zuerst lernen wir die alte, sterbenskranke Therese kennen, die in Lindau am Bodensee lebt und vor ihrem Tod noch ihre Notizen, Reiseberichte und Objekte in Ordnung bringen will. Um ihr zu helfen, hat sie die (fiktive) Viktoria von Löwenstein eingeladen, die sie in der Vergangenheit des Romans auf ihrer Amazonasreise begleitet hatte (ihre historische Begleitung hiess Franziska Baronin von Lerchenfeld und scheint in Thereses Leben keine so wichtige Rolle gespielt zu haben wie die fiktive Viktoria).

Gemeinsam ordnen sie Thereses Sachen und schwelgen dabei in Erinnerungen an die Vergangenheit.

Die zweite Zeitebene spielt 1888, und Prinzessin Therese, die mit ihrer engsten Entourage inkognito als „Gräfin Elpen“ reist, erzählt ihre Reise aus der Ich-Perspektive. Diese Reise führt die Prinzessin von Lissabon über Madeira, Belém und dann auf einem Boot den Amazonas hinauf nach Manaus. Begleitet wird sie von der bereits erwähnten fiktiven Viktoria, Max Auer, ihrem persönlichen Diener sowie dem Reisemarschall Maximilian von Speidel (die beiden Letzteren begleiteten auch die historische Therese auf dieser Reise).

In Belém stellt sie den indigenen Einwohner Kitá als Führer und Dolmetscher ein. Er soll die kleine Reisegruppe mit seinen Kenntnissen des Waldes und seiner Bewohnerinnen unterstützen. Kitá behandelt Therese wie eine normale Frau statt wie eine Prinzessin, was sie für ihn einnimmt und zwischen den Beiden entwickelt sich eine auf beiderseitigem Respekt basierende Freundschaft. In Manaus verlässt Kitá die Gruppe und kehrt zu seinen eigenen Leuten zurück.

Mein Fazit

„Die Forscherin“ ist ein wunderbarer Roman über eine faszinierende Frau. Die Geschichte ist mit den beiden Zeitebenen sehr gut aufgebaut, auch der Spannungsbogen sitzt. Das ist oft das Problem bei Reiseberichten oder Romanen über reale Personen: Man hält sich an die realen Ereignisse und bleibt im linearen Erzählen – „und dann, und dann, und dann, und dann…“

Katharina Innig, die Autorin, ist von Beruf Kunsthistorikerin und hat es geschafft, ihr historisches Wissen spannend und unterhaltend in ihren Roman einfliessen zu lassen, ohne dabei ins Dozieren zu kommen. Ich habe es genossen, im Vorbeigehen mehr über diese Epoche der Kolonialgeschichte Südamerikas zu erfahren, über Kautschukbarone und Vizekönige, und auch über die Art und Weise, wie die reisenden Gelehrten der damaligen Zeit gereist sind, unterwegs übernachtet haben, ihre Forschungen betrieben und Objekte gesammelt, katalogisiert und verpackt haben, um sie nach Europa zu bringen. Diese historischen Exkurse hat die Autorin toll umgesetzt!

Trotz der vielen fiktiven Anteile werden die Protagonistinnen und Protagonisten sympathisch und glaubwürdig dargestellt, insbesondere die Ich-Erzählerin Therese von Bayern. Etwas weniger begeistert bin ich von den beiden Liebesgeschichten. Von mir aus hätte Katharina Innig die (historisch belegte) Beziehung der Prinzessin zu Otto, dem Kronprinzen, etwas mehr ausbauen und dafür die zweite (erfundene) Liebesbeziehung ganz weglassen können.

Alles in allem ist der Autorin ein flüssig und spannend erzähltes Buch über die faszinierende Forschungsreise einer historischen Persönlichkeit, die ich bisher noch nicht kannte, gelungen. Dafür, dass ich als Liebhaberin von Biografien die Erzählung lieber etwas näher an der Realität gehabt hätte, kann die Autorin nichts, das liegt an meinem persönlichen Geschmack.

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Steckbrief

„Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“
von Katharina Innig
Diana Verlag
Verlagsgruppe Randomhouse, 2022
386 Seiten
ISBN 978-3-453-36134-8

Erschienen als Taschenbuch und als E-Book

„Die Forscherin“ von Katharina Innig
„Die Forscherin“ von Katharina Innig

„Ende des 19. Jahrhunderts: Therese von Bayern erfüllt so gar nicht die Erwartungen, die ihre Zeit an eine Prinzessin hat. Sie weigert sich zu heiraten und interessiert sich brennend für Naturwissenschaften – und es zieht sie in die Ferne, in das Land ihrer Träume: Brasilien. Gemeinsam mit drei Begleitern reist sie über den Atlantik und taucht ein in eine tropische Welt voller Wunder. Therese ist wie gebannt von diesem Land, erlebt seine Schönheit und Vielfalt, aber auch Gefahren und Grausamkeit. Sie lernt einen Mann vom Volk der Tupá­ kennen, der ihr ein Leben näherbringt, das sich von ihrem gänzlich unterscheidet. So wird diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis – und zur Geschichte einer besonderen Liebe.“

„Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“
von Katharina Innig
Diana Verlag
Verlagsgruppe Randomhouse, 2022
386 Seiten
ISBN 978-3-453-36134-8

Erschienen als Taschenbuch und als E-Book

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„Die Forscherin“ von Katharina Innig
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