Heute früh, auf dem Weg zur Arbeit im Coworking Space, ging ich am Schaufenster eines Optikers vorbei, der neben Brillen auch Hörgeräte verkauft. Mein Blick fiel auf das Plakat, das an der Scheibe hing:

Ihr Kind spielt jetzt Gitarre? Schützen Sie Ihre Ohren!

Links davon liegt auf einem Podest eine akustische Gitarre, rechts eine Auswahl von Gehörschützen in den buntesten Farben.

Vermutlich soll das ein Witz sein… Ich habe gerade nicht genug Zeit, um aufzuzählen, auf wie vielen Ebenen mich diese Werbung stört. Vielleicht weil Kinder, die eben gerade das Musizieren entdecken, dadurch demotiviert werden könnten. Oder weil ich mich frage, wie das so einem Kind wohl einfährt, wenn es erfährt, dass seine Musik so furchtbar ist, dass seine Erwachsenen einen Gehörschutz benötigen.

Ob Werbetreibende wohl auch eine Sekunde darüber nachdenken, wie ihre Botschaft bei den Leuten ankommt? Oder kommt es ihnen einfach nicht in den Sinn, dass Kinder auch Leute sind und manche davon sogar lesen können?

Kurzer spielt jetzt auch E-Gitarre

Und das ist überhaupt nicht schlimm! Es fing so an, dass er letzten Herbst ein paar Tage zu seinem Onkel – seines Zeichens Gitarrist und Musiklehrer – in die Ferien durfte. Zurück kam er mit einer geliehenen E-Gitarre, einem winzig kleinen Verstärker und jeder Menge Motivation.

Er klimperte und klimperte. Als sich abzeichnete, dass er wirklich Freude daran hatte, und im Wissen, das er in seinen Freizeitaktivitäten auf jede Art von Druck und Verpflichtung mit Totalverweigerung reagiert, spendierten wir ihm zum Geburtstag einen Online-Gitarrenkurs für Selbstlerner. So kann er sich eine neue Lektion reinziehen wann immer er will und üben, wenn er Lust hat.

Natürlich schlagen bei dieser Herangehensweise alle diese Glaubenssätze in meinem Kopf Alarm: Man kann nicht nur üben, wenn man Lust hat! Um richtig gut zu werden, braucht es Disss-zi-pliiiin! Er muss das RICHTIG lernen! Und so weiter, und so fort.

Ich habe aber beschlossen, dass mich diese inneren Stimmen mal können. Ja, ohne Üben wird er es nicht weit bringen. Aber muss er denn gleich der nächste Mark Knopfler werden? Darf er nicht einfach aus Spass an der Freude spielen?

Musiktheorie, Notenlesen, all das wird er dann schon lernen, wenn er es braucht oder wenn er von sich aus weiterkommen möchte. Bis dahin soll er einfach spielen lernen!

Die erste Band

In diesem Jahr ist Kurzer bei einer musikbegeisterten Lehrerin, die selbst mehrere Instrumente spielt. Als sie hörte, dass einige Kinder aus der Klasse ein Instrument spielen, stellte sie ad hoc eine Schülerband für das Weihnachtskonzert zusammen: Ein Schlagzeuger, eine Pianistin, ein Saxophonist und ein Gitarrist, der Rest der Klasse rappte und perkussionierte mit Begeisterung.

Es war toll, was diese Kinder in nur einem Monat geleistet haben – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass nur der Schlagzeuger sein Instrument seit mehr als ein paar Wochen spielte. Schlagzeuger und Gitarrist haben unterdessen gemeinsam eine Band gegründet, die bereits zum dritten Mal ihren Namen gewechselt hat. Sie haben bereits einen selbst komponierten Song aufgenommen, möchten ihn jedoch nicht zum Download zur Verfügung stellen. Sehr progressive das Ganze, so viel darf ich euch verraten.

Jetzt ich auch noch!

Ich habe mich vor ein paar Wochen entschieden, selbst auch wieder die Klampfe zu schwingen. Ich hatte mir das vor 4 Jahrzehnten rudimentär selbst aus einem Buch beigebracht, um meine Pfadfinder am Lagerfreuer beim Singen zu begleiten.

Aus einer musikalischen Familie kommend, fehlt mir das Musizieren manchmal sehr. Ich sang als Jugendliche in zwei Chören und spielte die Blockflöte (Sopran und Alt), deren warmer Holzton ich so liebe.
Daneben Gitarre und Klavier, aber nicht sehr ernsthaft, einfach nur so ein paar Liedchen halt, um mich selber beim Singen zu begleiten.

Logisch konnte ich es also nicht sein lassen, als da plötzlich diese Fender in meinem Wohnzimmer rumstand. Zu meinem Entsetzen musste ich aber feststellen, dass meine Finger all ihre Beweglichkeit verloren haben und ich die Saiten kaum mehr greifen kann.

Mir fiel jedoch auf, dass Kurzer sich köstlich amüsierte, wenn er mich so vor mich hin murksen sah und ihm der Vergleich mit meinem ungeschickten Geklimper Auftrieb und Motivation gibt.

So habe ich nun doch eine Methode gefunden, Regelmässigkeit und Dranbleiben in sein Musikerleben zu bringen: Indem ich denselben Kurs nachspiele und ihn bei den Lektionen immer fast einhole!

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Gitarrenspieler
Kurzer spielt jetzt E-Gitarre. Das freut nicht nur ihn, sondern auch mich.

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