Gewisse Themen verfolgen einem ständig. Dann denkt man, man sei sie los, aber schon bald stolpert man wieder über sie. Gerade wieder wurde ich – nach ein paar Wochen Ruhe – von verschiedenen Seiten mit dem Glaubenssatz konfrontiert, Kinder würden Lob benötigen, um motiviert zu sein und um Selbstbewusstsein zu entwickeln. Dieser Satz basiert auf ein paar weitere Glaubensbekenntnisse:

  • Selbstbewusstsein sei Zweck der Erziehung
  • es läge an uns Eltern, dem Kind Selbstbewusstsein zu geben, ohne unsere Bemühungen hätte es keines (implizite Aussage: Selbstbewusstsein komme von Aussen)
  • das Kind hätte von sich aus keine Motivation, könne sich nicht selbst motivieren und ohne unser Lob würde es weder lernen noch für die Gemeinschaft sinnvolle Tätigkeiten ausüben

Wie auch immer: Fakt ist, dass Loben tatsächlich kurzfristig motivierend wirken kann – wenn es von Herzen kommt, spontan, authentisch und ernst gemeint ist. Im Moment aber, in dem wir einen Elternkurs besuchen, um zu lernen, wie genau wir ein Lob formulieren müssen, damit es  möglichst grosse Wirkung hat, um das Kind dazu zu bringen, das zu tun was wir von ihm erwarten, sind diese Bedingungen schon nicht mehr erfüllt. Kinder sind ja nicht doof: Sie merken sehr gut, wann wir sie manipulieren und unsere wohlverdienen Versuche, „das Richtige“ zu sagen, werden bei einem gesunden Individuum auf Widerstand stossen. Denn wer lässt sich schon gerne manipulieren?

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"Nach der Party" von Paul-Georg Meister / pixelio.de

„Nach der Party“ von Paul-Georg Meister / pixelio.de

Etwas, das mir in diesem Zusammenhang immer wieder auffällt, ist die Gleichsetzung und  Vermischung von Lob mit Anerkennung. Was natürlich auch zum Fehlschluss führt, ein Mensch benötige Lob, um sich anerkannt zu fühlen.

Nun, es ist ein menschliches Grundbedürfnis, von anderen wahrgenommen zu werden, gesehen zu werden, in der jeweiligen Zugehörigkeitsgruppe anerkannt zu sein. Es ist eng verwandt mit dem Bedürfnis, für die Gruppe wertvoll zu sein, geschätzt zu werden, nützlich zu sein. Menschen möchten ein wichtiger Teil ihrer Gruppe, ihrer Gemeinschaft sein und auch als einzigartiges Individuum, als unersetzlicher Teil innerhalb dieser Gruppe wahrgenommen werden. Und darauf basiert natürlich der Selbstwert: Auf das Wissen, dass man als Mensch, als Individuum, wertvoll ist. Wertvoll als Person kann jemand aber nur unabhängig von einer bestimmten Leistung sein.

Das Anerkennen einer Leistung ist natürlich auch etwas Schönes, gerade wenn wir uns über die Leistung freuen und uns wünschen, dass das Kind sie von Zeit zu Zeit wiederholt. Positive Verstärkung nennt man das. Aber ob Lob dazu wirklich das richtige Werkzeug ist? Das bezweifle ich stark!

Kinder sind Menschen, Erwachsene auch. Deshalb gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass mein Kind in solchen Dingen ähnlich tickt, wie ich auch. Ich arbeite von zuhause aus und mein Mann extern. Deshalb bin ich für zahlreiche Haushaltsarbeiten zuständig (andere teilen wir uns). Anerkennung, grad bei langweiligen Routinearbeiten wie Abwaschen, ist irrsinnig wichtig, damit es einem nicht verleidet. Nun stellen wir uns also vor, mein Mann würde meine Arbeit mit Lob anerkennen: „Fantastisch wie Du heute wieder abgewaschen hast, das Geschirr glänzt so wunderbar, kein Löffelchen hast Du vergessen, ich bin so stolz auf Dich wie toll Du das immer hinkriegst“.

Bei so einer „Anerkennung“ würde ich ihm vermutlich den nassen Abwaschlappen um die Ohren hauen!

Erstens steht es niemandem zu, die Qualität meiner Arbeit zu bewerten. Lob ist immer Bewertung und der Lobende stellt sich damit über die Person, die er damit bewertet.

Zweitens will ich für meine täglichen Arbeiten und Selbstverständlichkeiten nicht gelobt werden. Ich will, dass mein Einsatz gesehen wird und ich will, dass er anerkannt wird. Dass ich meine Arbeit so gut mache, wie ich kann, ist für mich selbstverständlich – und wenn dies einmal nicht der Fall ist, dann hatte ich meine Gründe dafür und brauche niemand, der mir sagt, dass ich das auch besser könnte.

Womit könnte also mein Mann diesen hohen Ansprüchen genügen?

Mit einem einfachen, wertungsfreien, simplen DANKE!

Mehr braucht es nicht.

Dasselbe gilt im Zusammenleben mit Kindern. Es ist nicht nötig bzw. wahrscheinlich sogar kontraproduktiv, bei jedem Hasenfurz in Lobeshymnen auszubrechen. Aber wenn einem das Kind geholfen hat oder man gemeinsam ein Ziel erreicht hat, wirkt ein simples „Danke, dass Du mir gehofen hast“ oder „Danke, dass ich den Nachmittag mit Dir verbringen durfte, es hat mir viel Spass gemacht“, Wunder. Das Kind kann sich damit als anerkanntes, nützliches Mitglied der Gesellschaft fühlen. Als jemand, der einen Unterschied macht.

Und letzteres ist das, was uns am Laufen hält und unseren Selbstwert begründet: Ich mache einen Unterschied aus. Ich, als Individuum, bin wichtig. Ich kann etwas bewirken.

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