Man weiss zwar irgendwie, dass ganz viele Mütter im Bekanntenkreis auf dem Zahnfleisch gehen, aber dass insgesamt ein Viertel aller Mütter – auf Deutschland hochgerechnet sind das 2.1 Millionen Menschen – die von „Mama Burnout“ betroffen sind, hätte ich nicht gedacht.
In einem anderen Artikel über Mütterburnout habe ich versucht, die gesellschaftlichen und individuellen Gründe hinter der mütterlichen Überlastung auszuleuchten.
Die Zahl der Mütter, bei denen man von „Mama Burnout“ sprechen könnte, steigt stetig. Die tägliche Balance zwischen Kindern, Haushalt und Beruf – das, was oft als erfüllend gilt – wird für viele Frauen zur emotionalen und körperlichen Belastungsprobe. Das Deutsche Müttergenesungswerk (MGW) zeigt in seiner Pressemeldung aus dem Jahr 2014 auf, dass etwa 2,1 Millionen Mütter in Deutschland von Burnout betroffen sind und eigentlich dringend eine Kur bräuchten. Doch was macht uns so müde?
Inhaltsverzeichnis
Stress und Burnout bei Müttern in Deutschland (2014)
In Deutschland gibt es 8.1 Millionen Mütter. 2.1 Millionen von ihnen würden eine Kur benötigen, meldete das Müttergenesungswerk (MGW) der Elly Heuss-Knapp-Stiftung am 5. März 2014. Immerhin 49’000 von ihnen, konnten 2013 in einer der mit dem MGW zusammen arbeitenden Kliniken zur Kur, das sind 5’000 mehr als im Vorjahr und 14’000 mehr als noch 10 Jahre zuvor.
Im Gegensatz zu noch vor 10 Jahren melden sich heute hauptsächlich Mütter mit psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen bei Beratungsstellen der Partnerorganisationen des MGW (86%). Gründe waren unter anderem der ständige Zeitdruck und die berufliche Belastung. Mangelnde Anerkennung, Probleme in der Partnerschaft und die finanzielle Situation sind weitere Faktoren, die den Alltag von Müttern erschweren.
Was macht uns so müde?
Wenn ich mich umschaue, sehe ich in der Tat viele Frauen, die am Limit laufen. Der Zeitdruck ist unser ständiger Begleiter: Kinder pünktlich in die Schule bringen, beruflich alles geben und dabei noch die eigenen Ansprüche an ein schönes Zuhause und eine funktionierende Beziehung erfüllen. Und dann ist da die unsichtbare To-Do-Liste in unserem Kopf, die Tag und Nacht weiter rattert.
Zeitdruck allein wäre vielleicht noch auszuhalten. Aber wir treiben uns nicht nur unablässig an, sondern werden auch ständig bewertet. Erziehungstipps kommen ungefragt, manchmal sogar von Wildfremden, und in den Sozialen Medien gibt es für alles eine perfekte Inszenierung. Ein „guter Job“ wird uns selten attestiert, aber wehe, wir fallen mal aus der Rolle.
Beschwerden, die man eher bei Managern erwarten würde
Burnout bei Müttern zeigt sich anders als bei klassischen Berufstätigen, aber die Symptome sind ähnlich: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, innere Unruhe. Als ich die Liste der Beschwerden sah, musste ich an die sprichwörtlichen Manager denken – und dann realisieren, dass sie auch auf mich zutreffen. Nur dass mein „Job“ eben kein Feierabend kennt.
Viele von uns sind „Working Moms“, oft in Teilzeit, und wer abends nach der Arbeit ins Haus zurückkehrt, startet die zweite Schicht. Freizeit? Fehlanzeige!
Kein Raum für Schwäche
Was uns zusätzlich quält, ist die stille Erwartung, dass wir alles allein schaffen. Hilfe anzunehmen, wird als Schwäche ausgelegt. „Reiss dich zusammen“, heisst es oft, auch von uns selbst. Aber wie sollen wir zusammenreissen, was längst in tausend Teile zersprungen ist?
Die Zahlen des Müttergenesungswerks sind alarmierend: Nur ein Bruchteil der betroffenen Mütter sucht Hilfe. Oft bleibt Burnout ein Tabuthema, denn wer gibt schon gern zu, dass sie nicht mehr kann?
Warum Mama Burnout so gefährlich ist
Burnout betrifft nicht nur uns, sondern strahlt auf die gesamte Familie aus. Kinder spüren, wenn wir ungeduldig oder gereizt sind. Auch unsere Partnerschaften leiden, wenn wir uns nur noch müde anschweigen. Und am Ende bleibt niemand verschont, auch wir nicht.
So manche Nacht lag ich wach und fragte mich, wieso alle anderen das so gut hinbekommen, nur ich nicht. Dabei habe ich nur ein Einzelkind, andere Leute haben 4 oder 6 Kinder.
Gesundheitsrisiken für Mütter
Folgende Faktoren stellen heute ein besonders hohes Risiko für die Gesundheit von Müttern dar: Unsicherheiten im Lebensverlauf, ungleiche Arbeitsverteilung mit dem Vater der Kinder, Überlastung durch traditionelle Rollenerwartung, finanzielle Probleme/Armutserfahrung, Rassismuserfahrungen, Gewalt in der Familie, Verantwortung für den Bildungserfolg der Kinder (Auflistung gemäss Pressemitteilung des Müttergenesungswerks vom 17.6.2014, Seite 2).
Das Netzwerk, das wir brauchen
Das Müttergenesungswerk macht es vor: Es müssen nicht nur die akuten Beschwerden behandelt, sondern die gesamte Lebenssituation ganzheitlich betrachtet werden. Warum sind wir überfordert? Was können wir ändern? Es braucht den Mut, auch mal laut „Stopp!“ zu sagen, und Unterstützung, um aus dem Hamsterrad auszubrechen.
Eine Kur ist oft der erste Schritt – drei Wochen, in denen sich endlich mal jemand um uns kümmert, statt andersherum. Aber nicht jede hat das Privileg, eine solche Auszeit zu nehmen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns gegenseitig stärken.
Ein Plädoyer für echte Veränderung
Wir müssen damit aufhören, uns über unsere To-Do-Listen zu definieren, sondern das tun, was uns wirklich glücklich macht.
Mama Burnout ist ein gesellschaftliches Problem – und als solches kann man es nur Gesellschaft lösen und nicht auf individueller Ebene. Wir müssen Umdenken. Wir dürfen es nicht mehr länger für eine Schwäche halten, wenn Mütter sagen: „Ich brauche Hilfe.“ Wir müssen Räume schaffen, in denen Frauen ehrlich über ihre Belastungen sprechen können – ohne Vergleiche und ohne Angst vor Verurteilungen.
Zusammen sind wir stark
Wir sind viele. Jede Mama, die sich morgens erschöpft aus dem Bett quält und trotzdem alles gibt, sollte wissen: Du bist nicht allein. Es gibt Menschen, die dich verstehen.
Lasst uns aufeinander achtgeben. Und manchmal einfach innehalten, den Perfektionismus abschütteln und uns selbst ein bisschen mehr lieben – genau so, wie wir es unseren Kindern beibringen wollen.

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Hier gibt es Hilfe bei Depressionen und Angststörungen
Wenn Du gerade in einer depressiven Krise steckst wende dich bitte an Deine Hausärztin oder Deinen Hausarzt.
Folgende Fachstellen helfen ebenfalls weiter:
- Deutschland: Deutsche Depressionshilfe – Hotline 0800 / 33 44 533
- Schweiz: Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression – Telefon 143
- Österreich: depression.at
Zitat: „aber dass insgesamt ein Viertel aller Mütter â auf Deutschland hochgerechnet sind das 2.1 Millionen Menschen â davon betroffen sind, hätte ich nicht gedacht.
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keine unwahrscheinliche Zahl. Und es wird so schnell wohl nicht besser werden.