Meine Geldgeschichte: Eine Puppe namens Joggel plzmMeine Geldgeschichte: Eine Puppe namens Joggel de418e93bf6a460cafac9b750bddaae2

„Nur wer genug davon hat, kann es sich leisten, nicht über Geld zu sprechen“, schrieb ich im Artikel „Mit Kindern über Geld reden“ geschrieben und erklärte, weshalb ich dem „Kurzen“ gewisse Grundlagen in Sachen Geld mit auf seinen Lebensweg geben möchte. In diesem Artikel hier möchte ich etwas persönlicher werden, und meine Geldgeschichte erzählen.

Meine Geldgeschichte: Der Marktbatzen

Ich glaube es war im September 1979, dem Jahr, das als das Heisseste überhaupt in die Geschichte einging, bis sein Rekord im Hitzesommer 2003 gebrochen wurde. Meine Mutter war mit meinem kleinen Bruder schwanger. Ich war 8 Jahre alt und es war Jahrmarkt im dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin.

Hatte ich einen Marktbatzen bekommen? Vermutlich schon. Es müssen wohl so zwei oder fünf Franken gewesen sein, die meine Schwester und ich zum Verjubeln bekommen hatten. Die haben wir sicher auch ausgegeben, denn an solchen Dorffesten fehlt es ja nicht an Gelegenheiten.

Im Kindergarten hielten Frauen aus dem Dorf Handarbeiten und Eingemachtes feil. Mein Blick fiel auf eine Reihe „Joggel“: Handpuppen, deren Oberkörper an einem trichterförmigen „Hose“ angenäht war, die ihrerseits auf einem Stecken befestigt war. Durch Schieben des Steckens glitt das Püppchen in den „Trichter“ und versteckte sich darin.

Ich fand sie toll. Einer mit rot kariertem Hemdchen, schwarzem Strubbelhaar und grüner „Hose“ hatte es mir besonders angetan. Den wollte ich haben!

Aber die Joggel kosteten 10 Franken. So viel Geld hatte ich nicht.

Wie ich den Joggel kaufte

Ich kann mich nicht daran erinnern meine Eltern um Erlaubnis gefragt zu haben. Ich wusste ja, wie sie über solche Dinge dachten und was sie antworten würden. Mit so einem Joggel könne man ja gar nichts Gescheites anfangen. Ich sei ja auch schon viel zu gross für ein solches Püppchen. Es würde mir garantiert schnell verleiden. Das sei doch schade ums Geld.

Einem ausdrücklichen „Nein“ zuwiderzuhandeln wäre gegen das fünfte Gebot gewesen – damit hätte ich Jesus traurig gemacht und ich wäre in die Hölle gekommen.

Also fragte ich nicht.

Denn ich wollte diesen Joggel unbedingt haben!

Schnurstracks lief ich nachhause. Ich wusste, das es falsch war, aber ich holte das Zehnernötlein aus dem Kässeli (Sparbüchse). Ich hatte es von meinem Götti (Patenonkel) bekommen, um mir einen Wunsch zu erfüllen. Es war rot, mit irgend so einer Rakete aufgedruckt.

Ich legte es ganz klein zusammen, damit keiner es sah, und lief mit dem Geld in der Faust zurück zu dem Stand. Als ich sicher war, dass meine Mutter nirgends auftauchen würde, fragte ich schüchtern nach dem Joggel.

Ich freute mich so sehr, als ich ihn in der Hand hielt und der Frau den zerknautschten Geldschein hinstreckte.

Ich nahm den Joggel entgegen und rannte damit nach Hause.

Das schlechte Gewissen frisst die Freude auf

Aber was nun? Ich hätte das Geld nicht nehmen dürfen und ich fühlte mich wie eine Diebin. Ich schlich nachhause und versteckte den Joggel in der Schublade unter meinem Bett.

Manchmal nahm ich ihn abends hervor, um mit ihm zu spielen.

Irgendwann, viel später, steckte ich ihn in den Bettpfosten.

Aber ich konnte ich zeitlebens nicht ohne ungutes Gefühl anschauen oder in die Hand nehmen. Ich hatte mein Erspartes für etwas verschwendet, das völlig zweckfrei war, nur der reinen Freude diente. Etwas das ich nicht brauchte, sondern einfach nur haben wollte.

Schlimmer noch: Ich hatte dafür obendrein „gestohlen“ und gelogen.

Das ist also meine Geldgeschichte.

Meine Geldgeschichte: Der Joggel
Das ist der Joggel. Ich habe ihn immer noch!

Was es dazu sonst noch zu sagen gibt

Beim Zurückdenken an jenen Markttag kommen bei mir viele Gefühle auf – keines davon ist schön. Es hängt sehr viel mehr an diesem Erlebnis als nur die Tatsache, dass meine Eltern mir in Bezug auf Geld von allem ein Gefühl des Mangels beigebracht haben. Darüber hinaus lese ich da auch über mangelndes Vertrauen, Angst vor Strafe und dem Lügen, um der Strafe zu entgehen. Und ein Gottesbild, das mich mit 20 wütend machte, und heute traurig.

Immerhin: Am Ende hat mich meine Geldgeschichte doch noch etwas gelehrt. Nein, nicht, dass man die Eltern fragen sollte, bevor man Geld aus der Sparbüchse holt. Sondern, dass ich meinen Sohn einen anderen Umgang mit Geld beibringen möchte. Auch wenn wir manchmal den Gürtel enger schnallen müssen, soll er sich reich fühlen dürfen. Und dazu gehört, sich auch ab und zu etwas zu kaufen, das keinen anderen Zweck erfüllt, als einem zu erfreuen.

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