Eigentlich ging ich im Januar wegen eines nicht enden wollenden Hustens zur Hausärztin. Über den war sie nicht so besorgt, sehr wohl aber wegen der Tatsache, dass mein Blutdruck seit über einem Jahr an der Obergrenze schrammt. In Verbindung mit anderen Risikofaktoren müsse ich endlich mal ein paar Kilo abnehmen und noch wichtiger: Wieder in Bewegung kommen. Da scheint mir Nordic Walking nicht die schlimmste Methode.
Natürlich gibt es immer Gründe für den Blutdruck: Stress hier, Grippe dort, zu wenig Schlaf und überhaupt habe ich ja gar keine Zeit für Sport. Das würde den Stress ja nur noch erhöhen, wenn ich jetzt noch Stundenweise durch den Wald stapfen müsste. Und Geld für ins Fitness, Aquafit oder Hallenbad hätte ich auch keines, das würde mich erst recht stressen, wenn ich mir das vom Schoki-Budget abknapsen müsste. Nein danke!
Die Ärztin liess mich fertig trotzen und meinte dann lapidar: „Also, abgemacht. Zweimal die Woche eine halbe bis eine Stunde im Wald marschieren gehen, wenn Sie möchten mit Stecken und sonst ohne.“
Wütend verliess ich die Praxis. Der würde ich es zeigen. Ich und Nordic Walking, das wäre ja noch schöner! Blutdruck hatte ich auch keinen. Und überhaupt! Ich würde ihr beweisen, dass da überhaupt kein Zusammenhang bestand. Blöde Nervensäge, weltweite BMI-Verschwörung, Blödsinn!
Völlig aus der Form
Und so kam es, dass ich seit Januar zweimal wöchentlich mit meinen Stöcken durch den Wald stapfe und wütend vor mich hin brummle. Was man in all der mit Nordic Walking verschwendeten Zeit alles erledigen könnte und der Mist geht ja auf Kosten meiner Schreib- und Freizeit.
Nun, wie soll ich sagen: Zu Beginn war ich mir ja fast selber peinlich. Bei der ersten Steigung – gleich hinter dem Schulhaus – endete ich fast auf allen Vieren und musste mehrmals ausruhen, weil ich keine Luft mehr bekam und mein Herz vor lauter Klopfen fast explodierte. Offenbar haben 20 Jahre strikte No-Sports-Politik und eben so langes Kettenrauchen irgendwie doch ihre Spuren hinterlassen (obwohl das ja nicht sein kann, siehe weltweite Anti-Raucherverschwörung und BMI-Verschwörung…). Freude machte mir die Sache keine, ich spulte halt meine Kilometer ab, weil ich selber merkte, dass ich etwas unternehmen musste.
Ich habe mir zum Zeil gesetzt, mit Nordic Walking bis zum Sommer wenigstens wieder so weit in Form zu kommen, dass ich mit dem Kurzen Radfahren oder ins Schwimmbad gehen kann, ohne aus dem letzten Loch zu pfeifen. Die Bikinifigur ist nach wie vor das Geringste meiner Probleme, aber die fehlende Kondition und Beweglichkeit geht mir schon gehörig auf die Senkel.
Hirn auslüften beim Nordic Walking
Mit den Wochen ist etwas mit mir passiert. Nicht nur, dass ich besser die Treppen zu unserer Wohnung hochkomme, sondern noch viel schlimmer: Ich fange an, meine morgendlichen Märsche zu geniessen.
Das Loslaufen ist immer das Schlimmste. Deshalb sage ich mir meistens, dass ich heute nur eine kurze Runde laufen werde – und mache dann am Ende doch die Grosse. Am Anfang bin ich immer in Gedanken, mein Gehirn rast in Sekundenbruchteilen von Pontius zu Pilatus und ich stapfe so vor mich hin, ohne die Umgebung wirklich wahrzunehmen.
Irgendwann fällt mir dann ein Geräusch auf, ein Vogelpfeifen, oder ein Geruch. Ich beginne, den Wald bewusst wahrzunehmen, suche nach anderen Geräuschen und Gerüchen. Spüre meine Füsse in den Schuhen, meine Arme und Beine wie sie von der Bewegung warm werden und wie gut sie ihre Aufgabe erledigen. Die brauchen meinen Kopf gar nicht, um perfekt zu funktionieren! Ein Tropfen auf meiner Haut, die wärmende Sonne oder ein frischer Wind – die Empfindungen werden intensiver.
Dann wendet sich mein Gehirn einem Problem zu, dreht es in alle Himmelsrichtungen, zum es zu analysieren und fängt dann an, nach Lösungen zu suchen. Ich werde innerlich ruhig, während ich weiter laufe und die Gegend geniesse. Dankbarkeit dafür, dass wir hier in Sachen Landschaft so verwöhnt sind. Ärger über einen nicht gesehenen Kuhfladen. Die Gedanken kommen und gehen. Ich schreibe im Kopf dieses Posting und lege mir den Tagesplan zurecht. Entscheide unterwegs, noch eine Bonusschlaufe an meine Runde anzuhängen (wenn ich schon mal so weit bin kommt es auch gar nicht mehr darauf an).
Wie ich am Morgen keine Lust hatte, loszulaufen, muss ich mich jetzt überwinden, zu wenden und an meinen Schreibtisch zurückzukehren.
Unterdessen würde mir das Nordic Walking fast genug fehlen, dass ich sogar bei Regen loslaufen würde. Fast.
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