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Nathalie Sassine-Hauptmann, Autorin von „Nirgendwo. Überall.“, ist in der Schweizer Elternblogger-Szene keine Unbekannte. Ihr erstes Blog «Rabenmutter» und das gleichnamige Buch („Rabenmutter. Die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und das Muttersein“ – Werbelink zu buchhaus.ch) stiessen nicht nur auf positives Echo. Ob als Kolumnistin im „Mamablog“ des Tagesanzeigers oder im Elternblog von „Wir Eltern“ – Nathalies Texte sorgten immer wieder für lebhafte Diskussionen. Auch ich habe mich online schon mit ihr gezofft, vor allem beim Thema Stillen.

Im wirklichen Leben ist Nathalie eine offene und engagierte Frau und Mutter, die ich vor ein paar Jahren an der von mir mitorganisierten Swiss Blog Familiy Konferenz zum ersten Mal persönlich getroffen habe.

Letztes Jahr begann sie auf Social Media, ihre Follower mit Fragen rund um das Thema „Heimat“ zu bombardieren. Bald war klar: Ein neues Buchprojekt war im Entstehen. Der Roman „Nirgendwo. Überall.“ erschien schliesslich im Herbst 2024 im Selbstverlag – und ich war gespannt.

Die Handlung

Am Ende des Zweiten Weltkriegs muss die junge Martha aus Ostpreussen nach Westdeutschland fliehen. Sie verliert alles, was ihr vertraut war, kümmert sich pragmatisch um ihre Mutter und ihre Schwestern und baut sich ein neues Leben auf. Hans, den sie heiratet, gibt ihr dabei Halt. Doch das Schicksal meint es nicht immer gut: Ihr erstes Kind stirbt kurz nach der Geburt, zwei Söhne folgen. Einen davon, Helmut, zieht es als jungen Erwachsenen nach Paris – weg von der Enge der deutschen Provinz.

Fast zeitgleich kämpft Lucia auf Sizilien mit ihrer resoluten Schwiegermutter. Ihr Mann Salvatore, im Krieg verschollen, taucht plötzlich wieder auf. Gemeinsam wagen sie einen Neuanfang im industrialisierten Turin, wo Arbeit lockt. Ihre gemeinsame Tochter Sophia wächst zwischen Tradition und Enge auf, rebelliert und bricht aus: Erst nach London, später nach Paris. Dort trifft sie Helmut. Die beiden heiraten und bekommen eine Tochter. Bald darauf ziehen sie in eine Region der Schweiz, wo sie nicht einmal die Sprache können.

Für Mathilde wird die Schweiz zur Heimat, nicht aber für ihre Eltern. Die Entwurzelung, das Gefühl des Fremdseins – es zermürbt die Ehe. Erst als die Urenkel Alex und Emma zur Welt kommen, gelingt es Lucia, Sophia und Martha, Frieden mit ihrer Vergangenheit zu schliessen.

Mein Eindruck

Nathalie Sassine-Hauptmann lässt in „Nirgendwo. Überall.“ die Geschichte ihrer Familie lebendig werden. Sie schreibt, dass vieles „irgendwo zwischen Wahrheit und Fiktion“ liegt – genau das macht den Roman glaubwürdig. Die Figuren wirken authentisch und ungeschönt: Martha, Lucia, Sophia und Mathilde verkörpern drei Generationen von Frauen, die ihre Heimat verloren haben oder nie fanden.

Nathalie beschreibt die Personen ohne zu beschönigen – und trotzdem liebevoll und verständnisvoll. Auch wenn man manche von ihnen zwischendurch gerne schütteln würde, muss man sie für ihre Stärke und die Fähigkeit respektieren, das Nötige für ihre jeweiligen Familien zu tun.

Für mich ist das Buch weniger eine Geschichte über „Heimat“ als über Heimatlosigkeit. Über das Ziehen und Zerren zwischen Fremde und Zuhause, über Wurzeln, die im Exil nicht halten, und Töchter, die aus Angst vor dem gleichen Schmerz lieber gar nicht erst Wurzeln schlagen. Gerade die Konflikte zwischen Töchtern und Müttern berühren, weil sie universell sind und Nathalie das Kunststück vollbringt, sie ungeschönt und doch warmherzig zu erzählen.

Jede Generation trägt die Last der vorherigen, jedes Schicksal wirkt sich auf die nachfolgenden Leben aus. Durch diese Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart erschafft Nathalie eine Tiefe, die nachwirkt.

Vielleicht lese ich die Geschichte auch deshalb so persönlich, weil auch meine Oma Luise fliehen musste: Sie kam ursprünglich Schlesien und fand in der Schweiz eine neue Heimat – und doch blieb das Heimweh ihr ständiger Begleiter.

Ein kleiner Wunsch bleibt: Ich hätte mir gewünscht, Martha auch in den mittleren Jahren näher kennenzulernen. Nathalie beschreibt sie erst als junge Frau und dann als alte Frau auf dem Sterbebett. Dazwischen bleibt sie für mich etwas zu blass – ein kleiner Wermutstropfen in einem ansonsten sehr gelungenen Roman.

Mein Fazit

«Nirgendwo. Überall.» hat mich auf ganzer Linie überzeugt: Es ist sorgfältig geschrieben, sauber lektoriert und schön gestaltet. Nathalie Sassine-Hauptmann erzählt von Verlust der Heimat, Aufbruch zu neuen Ufern und den unsichtbaren Wurzeln, die Familien über Generationen verbinden.

Ein Buch, das Fragen stellt: «Was bedeutet Heimat? Ist es ein Ort? Ein Gefühl? Oder einfach nur der Geruch von vertrautem Essen?» und nur eine Antwort unter unendlich vielen liefert. Vielleicht ist genau das die Antwort: es gibt so viele Heimaten, wie es Menschen gibt.

Für Leserinnen und Leser, die Familiengeschichten mit Tiefe lieben, ist „Nirgendwo. Überall.“ ein Muss. Es lässt uns über unsere eigene Familie und unser eigenes Zuhause nachdenken – und darüber, was wir unseren Kindern davon mitgeben.

„Nirgendwo. Überall.“ von Nathalie Sassine-Hauptmann
„Nirgendwo. Überall.“ von Nathalie Sassine-Hauptmann

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Informationen über «Nirgendwo. Überall.»

„Nirgendwo. Überall.“ von Nathalie Sassine-Hauptmann

„Drei Generationen Frauen im Europa des letzten Jahrhunderts. Martha, die am Ende des 2. Weltkriegs vor den Russen fliehen muss. Lucia verlässt gleichzeitig das verarmte Sizilien, um sich ein Leben im Norden Italiens aufzubauen.
Ihre jeweiligen Kinder Helmut und Sophia möchten in den späten Sechzigern dem Nachkriegsmief entkommen und die gewonnenen Freiheiten ausleben. In Paris, ihrer Wahlheimat, lernen sich kennen und verlieben sich ineinander.
Ihre Tochter Mathilde wächst Ende des 20. Jahrhunderts ohne Wurzeln auf und findet in der Schweiz etwas ähnliches wie ein Zuhause.
Drei Generationen, eine Familie. Allen fehlen Wurzeln, sie sind Flüchtlinge, Auswanderer, Einwanderer, Reisende. Vier Frauen-Schicksale, die am Ende die Frage aufwerfen: Was bedeutet Heimat?
„Wo du herkommst …“ Für manche Menschen bedeutet das nirgends. Oder überall.“

„Nirgendwo. Überall. Die Geschichte (m)einer europäischen Familie“
von Nathalie Sassine-Hauptmann
Eigenverlag, Oktober 2024
ISBN 978-3-8187-0264-9

Website der Autorin: https://nathaliesassine.ch/

Eine Leseprobe als pdf: https://nathaliesassine.ch/wp-content/uploads/2024/10/NIRGENDWO_UEBERALL_ROMAN_Leseprobe.pdf

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Bezugsquellen

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