Nicola Schmidt schrieb in einem lange zurück liegenden Blogbeitrag Montags-Mama-Mantra: Wasser sein darüber, wie es in manchen Situationen einfacher ist, ein Kind zu führen indem die Autoritätsperson „wie Wasser ist“ statt Druck zu machen.
Nun, Kurzer ist ja sehr druckempfindlich und Druck erzeugt bei ihm automatisch sofortigen Gegendruck in gleicher Stärke. Sehr oft ist die Situation dann so verbockt, dass gar nichts mehr geht (hier ein Beispiel beim Schuhekaufen).
In der Erziehung gilt das Gesetz von Aktion und Reaktion, das wir aus dem Physikunterricht kennen: Ziehe ich mit einer Kraft X an einem Gegenstand, zieht dieser mit identischer Kraft in die andere Richtung.
Was kann ich tun, um den Gegenstand zu bewegen? Ich kann stärker ziehen, die Zugkraft so weit erhöhen, bis sich entweder der Gegenstand bewegt, die Verbindung reisst oder ein Bauteil des Gegenstandes bricht. Wie kann man voraussehen, welcher Teil bei zu viel Zug reisst oder bricht? Man kann es nicht. Klar ist nur: Der schwächste Teil wird reissen, nicht der Stärkste.
In einer Eltern-Kind-Beziehung ist das Erwachsene stärker. Immer. Es kann selber nicht kaputt gehen, jedoch beim Gegenüber oder an der Verbindung viel zerstören. Deshalb liegt es in seiner Verantwortung abzuschätzen, wie fest es am Kind (herumer)ziehen kann, bevor etwas im Kind kaputt geht oder aber die (Ver)Bindung mit dem Kind abreisst. Meistens hören wir weit früher auf, Druck oder Zug auszuüben.
Nur: Wo genau ist der Punkt erreicht, wo die Verbindung zwar noch nicht zerrissen ist, aber bereits unwiderruflich und unreparierbar beschädigt? Wann kommt der Punkt, an dem ein zu oft gespanntes Gummiband seine Elastizität verliert?
Das weiss man erst hinterher und das macht die Sache so schwierig.
Deshalb gefällt mir der „Artgerecht“-Ansatz von Nicola Schmidt: Sei wie Wasser, fliesse ums Kind herum aber immer talwärts:
Immer, wenn ich das berücksichtige, kommen wir gut miteinander aus. Kein Streit, kein Stress, keine Erschöpfung, keine Tränen. Dann finden wir den Weg, der für uns beide okay ist. Und wir kommen immer im Tal an. Wir mäandern ein bisschen wie ein guter Fluss, aber wir kommen an. Wenn ich es mit Druck versuche, wenn ich „durchziehen“ will, wenn ich hetze, wenn ich will, dass die Kinder funktionieren, gibt’s Tränen, Streit und Erschöpfung und wir sind keinen Deut schneller oder effizienter als mit der Wasserstrategie. Ist das bei euch auch so?
Ja ist es. Aber nur wenn ich mich daran erinnere und daran halte.
Danke, dass Du den Blogartikel von Nicola Schmidt nochmal aktualisiert hast. Es macht durchaus Sinn, wie Wasser zu sein und somit den „Stein“ zu formen… interessanter Ansatz. Denn auch ich befinde mich immer in dem Konflikt, wie weit darf/soll ich Grenzen setzen, mit welchen Mitteln, damit die Beziehung aber trotzdem positiv und liebevoll bleibt.
Das ist die tägliche Herausforderung, die die Elternschaft auch so wertvoll und spannend macht. Ich habe in den vierzig Jahren vorher nicht halb so viel gelernt über Menschen und den Umgang mit ihnen, wie in den letzten vier Jahren.
Oh Gott! Nur zu gerne würde ich immer wie Wasser funktionieren. Im Augenblick fühle ich mich aber viel weniger wie Wasser als mehr wie ein Vulkan. Es tut gut solche Texte immer mal wieder zu lesen und sich etwas herunterzukühlen, bis dahin wo man wieder flieÃen kann. Denn – da hast du und auch Nicola absolut recht – Druck und Ziehen bringt leider gar nichts. Im Gegenteil. Man wird nur noch frustrierter und die Situation noch angespannter. Wirklich schöner Artikel. Von euch beiden…
Danke!
Ja, so ähnlich versuche ich es auch. Brachte und bringt mir leider oft die Kritik der Umwelt ein. Besonders meine Kollegen finden “ das muss aber mal langsam klappen, das muss das Kind schon können usw.“ . Echt nervig.
Aber das Ergebnis gibt mir immer wieder recht: das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht……
Ja. DEN Druck kenne ich auch und nicht immer schaffe ich es, ihn umzuleiten. Manchmal gebe ich ihn leider auch direkt weiter, was manchmal auch zu nicht so schönen Folgen für den Kurzen führt.
Diese Text hat mich sehr gefallen und sehr angesprochen! Ich habe selber keine Kindern, aber war eine Mädchen das auf Druck schlecht reagiert hatte. Es wussten auch meine Eltern. Nun Druck gab es halt manchmal, meine Eltern (und Lehrer) waren nicht perfekt und es hat leider einiges auch kaputt gemacht. Heute, bin ich auch so, zeige ich rasch Wiederstand, werde unangenehm wenn Druck kommt, aber ich fühle mich dabei auch schlecht, es kommt nichts vernünftig daraus und es hat mich gut getan diese Text zu lesen.
Es wird besser!
Liebe Katharina,
danke auch von mir und kleiner Nachtrag: Mein Grosser ist ja jetzt fast sechs Jahre alt und ich merke zwei Dinge:
1. reagiert die Umwelt jetzt NOCH genervter auf die Wasserstrategie, weil ein Kind in dem Alter gefälligst funktionieren muss
2. zahlt sich die Strategie jetzt sichtbar aus, nämlich indem das Kind selbst in der Lage ist, Lösungen zu finden und vorzuschlagen, was die Umwelt mit ungläubigem „wie hast Du DAS denn hingekriegt??“ zur Kenntnis nimmt
3. bekomme ich erste Rückmeldungen von älteren Müttern, die ihre Kinder „funktionierend“ erzogen haben, und die mir sagen: „Nic, deine Kinder sind oft anstrengend, aber sie sind so stark, selbstbewusst und offen… ich frage mich, ob es besser gewesen wäre, meine weniger zu drillen…“
Ich bin selbst am gespanntesten, wie es sich weiter entwickelt und freu mich auch sehr über eure Rückmeldungen, wie es bei euch weiter läuft, wenn die Kids älter werden!!
🙂
selig lernend,
nica