Schon haben mich per Mail die ersten negativen Feedbacks erreicht (danke an dieser Stelle übrigens für all die positiven Kommentare und Ermutigungen wegen meiner neuen Ausrichtung): Politik habe in einem Familienblog nichts zu suchen. Tja nun, Leute, ich muss Euch enttäuschen: Mein Blog, meine Themen, meine Regeln. Darüber hinaus ist es natürlich Unsinn anzunehmen, Familien hätten mit Politik nichts zu tun.
Politik betrifft alle Familien
Politik betrifft unser Familienleben direkt bis tief ins Kinderzimmer hinein: Immerhin geht es darum, in welcher Gesellschaft unsere Kinder später leben werden und welche Werte wir als Nation und als Gesellschaft in Zukunft vertreten möchten.
Wenn DAS nichts mit Kindern und Erziehung zu tun hat, dann weiss ich halt auch nicht!
Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass ausnahmslos jede Entscheidung, die im Parlament oder von der Regierung getroffen wird, direkte Auswirkungen auf unser Familienleben haben wird, nicht nur was die Familienpolitik betrifft, sondern auch die Wirtschaftspolitik, die Umweltpolitik, die Sozialpolitik, die Sicherheitspolitik, die Verkehrspolitik, die Migrationspolitik, die Gesundheitspolitik, und, und, und.
Da kann man nicht einfach zurücklehnen und so tun, als ginge uns das nichts an!
Familie ist politisch
Ich bin politisch aufgewachsen. Mein Vater war in den 1970er und 1980er Jahren aktiver Sozialdemokrat und schleppte mich und meine Geschwister an Parteiversammlungen, Brunches oder eine Wanderung mit seinen Genossen und deren Kindern.
Zum Mittagessen liefen jeweils die Radionachrichten und mein Vater kommentierte sie lautstark. Auch beim Zeitunglesen tat er seine Meinung über gewisse Politiker kund. Als das Parlament Lilian Uchtenhagen ablehnte und stattdessen Otto Stich in den Bundesrat wählte, traf ihn fast der Schlag, so laut brüllte er den Radioapparat an.
Ich wäre nicht die, die ich heute wäre, hätte es diese Diskussionen in meinem Elternhaus nicht gegeben!
[Klammerbemerkung: Im Artikel Die Sache mit der Demokratie und der Politikverdrossenheit habe ich bereits beschrieben, wie Politik bei uns zuhause ein Thema war]
In anderen Ländern mag es anders sein, aber in der Schweiz gehört Staatskunde und politische Bildung zur Allgemeinbildung. Wir dürfen direkt mitbestimmen. «Das Volk ist der Souverän» ist nicht nur eine Phrase in der Verfassung, sondern ist wörtlich zu nehmen: Im Zweifelsfall haben wir Stimmberechtigten das letzte Wort! Wir können per Volksinitiative Verfassungsänderungen vorschlagen und mit einem Referendum ein Gesetz absegnen oder verwerfen.
Kein Recht ohne Verantwortung! Man muss sich informieren, sich eine Meinung bilden, und dann natürlich auch abstimmen und wählen gehen. Hier beschrieb ich letzte Woche, wo ich mich über eidgenössische Abstimmungen informiere und mithilfe welcher Medien ich mir meine Meinung bilde.
Politische Diskussionen am Familientisch
Dieses Wissen und alles, was damit zusammenhängt, gehört selbstverständlich zur Sozialisation und Erziehung von Kindern in der Schweiz mit dazu. Nicht nur in der Schule! In unserer Familie reden wir mit dem Kurzen über die Nachrichten und über die nächsten Abstimmungen. Er bekam den Frauenstreik hautnah mit und die Klimademonstrationen.
Wir Eltern erklären ihm, um was es bei den verschiedenen Themen geht und inwiefern ihn das betrifft. Wir fragen ihn nach seiner Meinung und fordern diese mit kritischen Fragen oder skeptischen Gegenargumenten heraus, so dass er lernt, mit guten Argumenten für seine Meinung einzustehen.
Kinder mögen in einem behüteten Elternhaus aufwachsen, aber es ist nicht möglich, sie vor der Politik und ihren Auswirkungen zu behüten!
Egal, ob die aktuellen Regierungen etwas (oder nichts) gegen Klimawandel unternehmen, oder alle Schulkinder mit Corona durchseucht – die Politik betrifft uns Familien direkt und unmittelbar. Denn wir und unsere Kinder tragen die Konsequenzen, schon jetzt und nicht erst in der Zukunft!
Deswegen können wir uns eine unpolitische Haltung gar nicht leisten. Wir müssen uns informieren und wenn nötig einmischen.
Sich eine politische Meinung zu bilden ist komplex und fordert viel Eigeninitiative, da man Informationen zusammensuchen und durchdenken, und eigene Schlussfolgerungen ziehen muss.
Das kann (und muss!) man wie einen Muskel trainieren. Wo könnte ein Kind das besser und in einem wohlwollenderen Umfeld lernen als in der Familie?
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