Kurzer hatte neulich Geburtstag und dazu gehört in der heutigen Zeit der selbst gebackene und und mit selbst hergestelltem Firlefanz dekorierte Geburtstagskuchen. Und das leidige Putzen.

Damit kann ich leider nicht dienen. Respektive, ich würde natürlich schon können, sofern ich wollen würde. Ich könnte das, da mir das beigebracht wurde. Ich gehöre zur hoffentlich letzten Generation Frauen, denen auch gegen ihren ausdrücklichen Willen gewisse hausfrauliche Fähigkeiten beigebracht wurden, und zwar richtig. Kein Pfusch! Langes Fädchen, faules Mädchen und so. Lieber tausend Mal auftrennen und neu vernähen, als einmal schnell fertig werden.

Meine kurz vor der Pensionierung stehende Handarbeitslehrerin der 5. bis 7. Klasse – juhu, Frau Rappo, winke-winke – hat es fertig gebracht, mit Kreuzstichen auf Kaffeewärmern meine Freude am Handarbeiten nachhaltig zu trüben. Aber wie sagt man so schön: We all are prostitutes! Und so habe ich die bei ihr erlernten Fingerfertigkeiten dann später dazu eingesetzt, meine karge Studentinnenkost mit Butter und Nutella zu bereichern. Hätte es Dawanda damals schon gegeben, ich glaube ich wäre mit meinen gehäkelten Napperons reich geworden.

Und wenn ich heute dort sehe was diese jungen Frauen alles so zu verkaufen sich erfrechen stellen sich mir die Nackenhaare auf und ich denke, dass die ja nur noch pfuschen können und gar nicht mehr wissen, wie man sauber und sorgfältig arbeitet und ich höre Oma Luise in meinem Hinterkopf „langes Fädchen, faules Mädchen“ sagen und die kleine blonde Göre „lieber faul als dumm“ rausheuschen und höre noch das Pfeifen oder Backpflaume…

Als ich dann neulich in den Verdacht geriet, nur aus blankem Neid auf anderer Leute Fähigkeiten über Häkelblogs abzulästern, habe ich zu meiner Ehrenrettung einen Link zu ein paar Napperons gepostet, die ich vor einer gefühlten Million Jahren mal gehäkelt, aber nie fertig gemacht habe. Denn Häkeln ist das Eine – Vernähen das Andere.

Und die handwerklich Begabten unter meinen sozial vernetzten Online-Freundinnen gaben Geräusche der masslossen Bewunderung von sich – was ich persönlich für masslos übertrieben halte.

Natürlich bin ich vielseitig begabt und natürlich gehen mir solche Arbeiten ring von der Hand. Aber da kann ich ja gar nix dafür!

So.

Eigentlich wollte ich gar nicht übers Handarbeiten schreiben, sondern übers Backen. Oder auch nicht. Sondern darüber, wie gelernt hatte, mit möglichst wenig Aufwand den Anschein der gleichen Qualität (oder besser 🙂 ) zu erwecken, als wenn ich in mühseliger Kleinstarbeit alles selber zusammengefilzt hätte.

Beim Häkeln ist es einfach: Man häkle schnell und achte, dass die Knoten passen. Auf Regelmässigkeit usw. pfeife man, nehme aber ein anständiges Baumwollgarn. Und dann häkle man Vollgas, ohne Rücksicht auf Verluste, einfach los, lege alles in Wasser ein, ziehe es nass in die richtige Form, ziehen, richtig fest ziehen, und dann stecke man es mit Stecknadeln auf dem Bügelbrett fest, lasse es in Form fast trocknen, spraye es mit Stärke zu und bügle es dann bis es steif und fest vor einem liege. Und schwuppdiwupp hat man etwas, das zwar vom handwerklichen Können her völlig unspektakulär ist, jedoch aufgrund des Finishes – und weil es richtig riecht – einen total professionellen Eindruck macht.

A propos richtig riechen: Putzen ist die Königsdisziplin des properen Bullshits, des so tun als ob. Mehr Schein als Sein, bzw. mehr Duft als Sauber. Da ist diese nicht näher genannte weibliche Verwandte. Während andere Leute mit 60 auf ein erfülltes Leben zurückschauen, schaut sie auf eine saubere Wohnung zurück. Ok, das war jetzt ein klein wenig fies, aber ihr wisst, was ich meine. Als arbeitende und gleichzeitig kindbetreuende Mutter habe ich einfach keine Zeit, um zu putzen, also darf ich mir in regelmässigen Abständen Vorträge über Parasiten und Kammerjäger den hygienischen Standard unserer Wohnung anhören.

Neulich also, als besagte Verwandte zu Besuch war, hatte ich unmöglich Zeit, um im Vorfeld gründlich jedes Stäubchen und Katzenhaar zu entfernen, also flitzte ich nur mit dem Staubsauger durch und glänzte die Wasserhähnen in Bad und Küche. Nur glänzen, mit Glasreiniger! Mehr braucht es nicht, damit das heuristisch arbeitende Gehirn eine Nasszelle als „sauber“ klassifiziert. Das Resultat vom Putzen muss nicht sauber sein, nur glänzen. Get the picture?

Im Wohnzimmer gibt es aber nichts zu glänzen. Mein Antistauballergiesauger nimmt auch das hinterste, letzte Staubkörnchen mit, aber auch danach fühlt es sich einfach nicht sauber an. Weil es nicht sauber riecht. Obwohl es eigentlich sauber wäre. Also flott den Allesreiniger geholt und damit über den Teppich gespritzt – und es roch richtig. Und der Raum fühlte sich sauber an. Und dieser Trick, liebe Leute, der funktioniert einfach immer. Zitronenduft im Raum – im Notfall spritzt ihr Zitronenaroma von Dr. Oetker auf die Vorhänge – und schon wird er als sauber wahrgenommen. Putzen überflüssig!

Dafür, dass es sich gleich selber zur Krone der Evolution ernannt hat, ist das menschliche Gehirn ziemlich blöd und funktioniert auf einer ganz simplen Ebene: Der Ebene der Düfte. Gerüche gehen direkt ins Reptilienhirn und wecken dort Emotionen. So weckt uns in Wahrheit der Duft von Kaffee, allein die Erwartung des Koffeins macht uns wach und konzentriert. Das Koffein selber wirklich nämlich erst zirka vier Stunden nach der Einnahme. Ohne Scheiss jetzt, das hat mal jemand erforscht.

Und bei Zitronenduft im Wohnzimmer denken sogar ältere weibliche Verwandte, es sei sauber und schauen gar nicht mehr nach, ob ihre Wahrnehmung tatsächlich der Realität entspricht.

Aber wie ich jetzt die Kurve zum Geburtstagskuchen wieder finde, ist mir im Moment schleierhaft. Vielleicht morgen, nach dem putzen?

Putzen und backen: Mehr Schein als Sein!
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