Im Leben 1.0 gab ich mich noch der Illusion hin, es gäbe zwei Sorten Frauen: Mütter und Kinderlose. Und auf diversen Plattformen schrieb ich mir die Finger wund, um zwischen diesen zwei Gruppen Solidarität herzustellen, mit dem Argument, dass Zusammenhalt immer und auf jeden Fall zielführender sei, als zu streiten. Denn, so dachte ich in meiner unendlichen Naivität, der wahre Graben befände sich zwischen gesellschaftlicher (patriarchaler) Realität und individueller Selbstverwirklichung.
Nun, so kann man sich täuschen. Seit nunmehr gut 20 Monaten lebe ich im Leben 2.0 und bin mehr und mehr entsetzt darüber, wie viele Gräben sich innerhalb der Mütterszene auftun. Kinderlose und Karrieristinnen werden zur bedeutungslosen Randgruppe!
- Hausfrauen vs. Berufstätige
- Stillmütter vs. Flaschenmütter
- Familienbettlerinnen vs. Ferber-und-Kast-Zahn-Anhängerinnen
- Tragemütter vs. Kinderwagenmütter
- Supermütter vs. Rabenmütter
- …
Mich macht das irgendwie traurig. Vor allem, weil man zum Schluss kommen könnte, es gäbe nur Entweder-Oder und zwar auch inÃÂ Bereichen, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Neulich erklärte mir jemand, wer Stille und sein Kind trage, könne unmöglich Feministin sein. Aha. Dann halt nicht. Damit kann ich leben.
Was ich hingegen tragisch finde, ist die künstliche Spaltung zwischen „Rabenmüttern“ und „Supermüttern“. Was soll das? Schliesslich gibt doch jede von uns ihr Bestes! Und jede kennt Tage, wo „ihr Bestes“ einfach nicht ausreicht und sie auf ihr soziales Netz von Kindsvätern, Grossmüttern, Nachbarinnen, etc. zurückgreifen muss, um selber wieder zu Atem zu kommen oder wenigstens um ihr(e) Kind(er) nicht aus dem Fenster zu werfen. Das geht jeder so. Also was soll die Hackerei?
Es ginge doch viel besser, würde man einander gegenseitig helfen, statt sich die Augen auszuhacken!
Sich gegenseitig helfen, würde auch bedeuten, sich gegenseitig zu öffnen – fürs Gute wie auch fürs weniger Gute. Und ich glaube damit haben die meisten Menschen am meisten Mühe. Und wahrscheinlich deshalb funktionierts nicht.
@Kat, böserweise kann ich jetzt sagen, dass sich schon bei deiner Versus-Liste schon wieder Gräben auftun. Vor allem das mit dem Familienbett ist mir gerade aufgefallen: Wer keine „Familienbettlerin“ ist, ist nicht automatisch „Ferber-und-Kast-Zahn-Anhängerin“. Wir haben zwei Kinder, die einfach gut schlafen, und zwar unbedingt in ihrem eigenen Bett. Das war bei beiden von Anfang an so. Deswegen verurteile ich Familienbettlerinnen aber überhaupt nicht.
Es stimmt, man bekommt den Eindruck, dass es überall nur ein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Die Kommentare, die man in Gesprächen und vor allem in Foren so liest, sind zum Teil echt bedenklich, wenn wir beücksichtigen, dass die meisten der Eltern mit 100%iger Liebe das machen, was sie tun.
Betr. Supermütter vs. Rabenmütter: Wir sind meiner Meinung nach alle in gewissen Momenten Supermütter und in gewissen Momenten eben nicht (ich verwende das Wort der „Rabenmütter“ kaum mehr, weil die Raben ja sehr gute Vogelmütter sind….;-)). Wer alles alleine und mit links macht, der ist meiner Meinung nach eben auch nicht zwingend eine Supermutter, denn es ist noch lange nicht gesagt, dass das immer das Beste für die Kinder ist.
Am Wichtigsten fände ich, wenn wir Mütter Toleranz und Respekt leben würden – dann kommt auch das mit dem Helfen fast automatisch.
Wir Mütter scheinen es zu lieben, uns auf den ersten Blick zu kategorisieren. Karrieregeile Rabenmutter, Perlen&Blüschen-Mama, Ãko-Mutti, etc. Leider scheinen wir das mit einer gewissen Abfälligkeit zu tun: Wie oft habe ich so einen „NICHT-Willkommen im Club“-Blick erlebt: Wenn ich mit dem Nachwuchs auf den Spielplatz kam. Oder jetzt erst, als ich Kind 1 das erste Mal in den Hort brachte. Ablehnung, die mich traf, BEVOR ich überhaupt den Mund aufmachen konnte.
Auf das „Warum“ bin ich auch noch nicht gekommen. Sind wir unserer Position so unsicher, dass wir uns durch das Abwerten der anderen aufwerten müssen? Widersprechen sich „Stillen oder Fläschchen geben“, „Hausfrau oder Karrierefrau“?
Umso dankbarer bin ich dann, wenn ich Frauen treffen, die Mutterschaft ganz anders als ich leben und mich dabei so tolerieren wie ich bin. Ein Schatz an Erfahrungen, der sich uns damit auftut. Ein anregender Austausch. Viele Meinungen. Das ist es, was uns Mütter Sicherheit und Gelassenheit schenkt, uns voranbringt.
Motzen und Abwerten kann jeder.
Aber Unterschiede erkennen und zu etwas Bereicherendem zusammenzufügen,sind wirklich nur so wenige daran interessiert?