Manche Bücher fliegen einem zu, ohne dass man sie gesucht hätte. Dieses hier wurde mir letzten Sommer von einer Freundin aus Deutschland geschickt (danke Claudia!) und seither habe ich immer kapitelweise darin gelesen.
«Es beginnt vor 300 Jahren. Die Lesewut erfasst die Frauen. Die Männer witzeln, dann wittern sie Unheil. Lösen Bücher Revolutionen aus?»
Obwohl Stefan Bollmann seine Frage mit einem Augenzwinkern stellt, ist eines klar: Dass Frauen das Lesen gelernt haben, hat die Welt verändert! Und wer Frauen unterdrücken will, muss ihnen das Lesen verbieten – etwas, das in Afghanistan leider traurige Realität geworden ist, nachdem die Taliban den Frauen und Mädchen den Zugang zu den Schulen und den Universitäten verboten haben.
Inhaltsverzeichnis
Der Inhalt von „Frauen und Bücher“
In «Frauen und Bücher» schlägt Stefan Bollmann einen Bogen von den Anfängen des Schundromans bis hin zur Fanfiction, und die Rolle die sie für Frauen spielen. «Die Leselust der Frauen hatte von Anbeginn an mit Liebeshunger zu tun – das sehen die Kritiker, die die grassierende ‘Vielleserei’ und ‘Lesewut’ für einen versteckten Angriff auf die Fundamente der bürgerlichen Moral und Ehe halten, schon richtig», hält der Autor bereits in der Einleitung fest und auf den folgenden knapp 450 Seiten belegt er seine Aussage mit Dutzenden von praktischen Beispielen.
Unter der oberflächlichen Sehnsucht nach der romantischen Liebe schwelt der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Ohne lesende und schreibende Frauen wäre die ganze Frauenbefreiungsbewegung nicht möglich gewesen! Mary Wollstonecraft, Jane Austen, Mary Shelley, Sophie de Condorcet – sie und viele andere setzten den Frauen Ideen in den Kopf und legten damit die Grundlage für die späteren Emanzipationsbemühungen der Frauenbewegung.
Frauen in Büchern, lesende, und später auch schreibende Frauen fingen schon früh an, sich aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, indem sie sich ihre Liebhaber selbst wählten oder als Erzieherin, Lehrerin, Vorleserin und später sogar Literaturkritikerin (Mary Wollstonecraft) oder Bestsellerautorin (Eugenie John alias E. Marlitt) Karriere machten.
Im frühen 20. Jahrhundert übernahmen die Frauen dann den Literaturbetrieb gleich selbst: nicht mehr «nur» als Leserinnen und Schriftstellerinnen, sondern auch als Druckerinnen (Virginia Woolf), Verlegerinnen und Buchhändlerinnen (Sylvia Beach).
Auch aus der bürgerlichen Ehe befreien sich die lesenden Frauen: oft als Ehebrecherinnen, später auch, indem sie sich der Heirat verweigern, ledig bleiben, oder sogar als bisexuelle Libertins leben.
In der Mitte und gegen Ende des 20. Jahrhundert erfinden sich Frauen in der Lektüre und mithilfe ihrer Lektüre neu. Hier erfahren wir Hintergründe über die Marilyn Monroe und das berühmte Foto von ihr, wo sie in James Joyces «Ulysses» liest.
Eine Journalistin, die ich schon immer sehr bewunderte, war Susan Sontag und auch ihr ist ein Kapitel gewidmet, in dem es darum geht, wie sie , das arme «white trash»-Kind, das in einem Trailer aufwächst, mithilfe der Literatur selbst erfindet und zu der Person wird, die sie sein will: «Beim Lesen werden nicht nur unser gewöhnliches Ich ab, sondern wir erfinden es auch neu». Keine Lektüre hinterlässt uns unverändert!
Am Ende des Buches geht es um die Zukunft der Leserin. Am Beispiel von Fanfiction und ihrer Entwicklung zeigt Stefan Bollmann auf, wie sich ab Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr nur die Autorinnen und die Leserinnen emanzipiert haben, sondern auch die Romanfiguren ein Eigenleben bekommen und sich von ihren Erfinderinnen weg entwickeln. Leserinnen (und ein paar Leser) übernehmen die Figuren und dichten mit ihnen neue Abenteuer, die sie in unzähligen Publikationen und Fan-Foren im Internet veröffentlichen.
Meine Meinung über „Frauen und Bücher“
Mir gefällt die Annäherung an das Thema über zwei verschiedene Ebenen: immer über das richtige Leben von Schriftstellerinnen bzw. Leserinnen, aber immer auch wieder als lesende Romanfiguren, wie sie bei Jane Austen, Virginia Woolf und vielen anderen vorkommen.
In den späteren Kapiteln flicht der Bollmann auch immer wieder Rückbezüge zu Früheren ein, streicht die Zusammenhänge heraus (z.B. zwischen «Shades of Grey» und «Tess», oder «Twilight» und «Pamela»), was – bei mir jedenfalls – zu unzähligen «Aha»-Erlebnissen führt, da ich allein nie darauf gekommen wäre. Ich liebe es, es ist wie bei guten Krimis: die Fakten liegen auf dem Tisch, man sieht nur nicht wie sie zueinander in Bezug stehen.
Ich habe «Frauen und Bücher» sehr gerne gelesen und werde es wohl später noch einmal gemütlicher durchlesen, und mir vielleicht bei den einzelnen Kapiteln auch die Referenzliteratur noch gründlicher anschauen. Ich habe Euch eine Liste der Bücher erstellt, die in „Frauen und Bücher“ erwähnt werden. Ihr findet Sie weiter unten. Überhaupt, die Referenzliteratur: Bollmann hat ja nur eine «Auswahlbibliographie» angehängt, aber die geht über knapp 10 Seiten! Hier finden sich nicht nur die besprochenen Bücher sondern auch Biografien der Autorinnen und Autoren und weiterführende Literatur zu den angeschnittenen Themen.
«Frauen und Bücher» hat bei mir Lust darauf ausgelöst, einige der Klassikerinnen noch einmal mit erwachsenen Augen – und zum Spass an der Freude – zu lesen, die ich seit dem Gymnasium nicht mehr angefasst habe: Austen, Woolf, die Brontë-Schwestern, Mary Shelley, George Elliot, und, und, und.
Leseliste aus „Frauen und Bücher“
Hier die in «Frauen und Bücher» besprochenen Autorinnen und Autoren, in der Reihenfolge ihres Auftretens. Da ist sicher auch das eine oder andere mit dabei, das man gerne mehr als einmal lesen würde:
- Friedrich Gottlieb Klopstock
- Samuel Richarson: Pamela oder Die belohnte Tugend, Clarissa oder Die Geschichte einer jungen Dame, Die Geschichte des Sir Charles Grandison
- Friedrich Schlegel: Lucinde: Bekenntnisse eines Ungeschickten
- Goethe: Das Leiden des jungen Werthers
- Friedrich Schiller: Kabale und Liebe
- Jean-Jacques Rousseau: Julie oder Die Neue Héloïse
- Benedikte Naubert
- Sophie von La Roche
- Mary Wollstonecraft : Gedanken über die Erziehung einer Tochter, Das Unrecht an den Frauen oder Maria, Eine Verteidigung der Rechte der Frau
- Jane Austen: Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil, Emma, Die Abtei von Northanger
- Fanny Burney: Camilla, oder ein Jugendbild
- Charlotte Lennox: Der weibliche Quichotte oder Arabellas Abenteuer
- Ann Radcliffe: Udolphos Geheimnisse“
- Mary Shelley: Frankenstein oder Der moderne Prometheus
- Gustave Flaubert: Madame Bovary. Sitten der Provinz.
- Honoré de Balzac: Die Frau von dreissig Jahren
- Raymond Jean: Die Vorleserin
- E. Marlitt (Eugenie John): Gold-Else, Das Geheimnis der alten Mamsell, Reichsgräfin Gisela, Heideprinzesschen (alle in der «Gartenlaube» erschienen)
- Charlotte Brontë: Jane Eyre, Jane Grey,
- Thomas Hardy: Tess von den d’Ubervilles
- Luigi Pirandello: Die Ausgestossene
- Lou-Andreas-Salomé: Fenitschka. Eine Ausschweifung
- Kate Chopin: Das Erwachen
- Virginia Woolf: Die Fahrt hinaus, Ein eigenes Zimmer
- James Joyce: Ulysses
- Susan Sontag: Kunst und Antikunst, Wiedergeboren, Worauf es ankommt
- Daniel Pennac: Wie ein Roman
- J.K. Rowling: Harry Potter
- E.L. James: Fifty Shades of Grey
- Stephenie Meyers: Twilight-Tetralogie
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Buchtrailer
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Informationen über das Buch
„Wussten Sie, dass Marilyn Monroe eine passionierte Leserin war und eines ihrer Lieblingsbücher der »Ulysses« von James Joyce? Dass der Studienabbrecher Friedrich Gottlieb Klopstock 1750 die Dichterlesung erfand, als er einer Schar junger Frauen seine Oden vortrug und dafür Küsse kassierte? Dass Jane Austen nur Frauen für voll nahm, die Romane lieben? Oder dass vor 150 Jahren Eugenie Marlitt, eine entlassene Vorleserin, zur ersten Bestsellerautorin der Welt aufstieg?
Diese und eine Fülle anderer Begebenheiten lässt Stefan Bollmann in einem unterhaltsam geschriebenen Panorama lebendig werden, das von Klopstocks Zeit bis in die Gegenwart führt und von aktuellen Phänomenen wie Fanfiction und „Shades of Grey“ berichtet. Zugleich erzählt er eine überraschend andere Geschichte des Lesens, seiner Macht und Magie. Lesen kann Leben und Lieben verändern. Ein Buch für Frauen, die leidenschaftlich gern lesen – und aus dem Männer erfahren, was ihre Frauen meinen, wenn sie sagen: »Jetzt nicht! Ich lese!«“
„Frauen und Bücher – Eine Leidenschaft mit Folgen“
von Stefan Bollmann
Hardcover bei DVA, 2013
Taschenbuch bei btb, 2015
In derselben Reihe sind auch erschienen: «Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug», «Frauen, die lesen, sind gefährlich» und «Frauen, die schreiben, leben gefährlich».
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Bezugsquellen
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