Immer wieder lese ich in den einschlägigen Elternforen im Internet Postings von mehr oder weniger verzweifelten, mehr oder weniger überforderten Erstmüttern, die mit ihren Nerven am Ende sind und einfach nicht mehr weiter wissen. Was fehlt ist konkrete Unterstützung im Wochenbett, und da diese fehlt, wenden sie sich Hilfe suchend an unbekannte Menschen im Internet, weil nur die dortige Anonymität ihnen ermöglicht, ihr vermeintliches „Versagen“ einzugestehen.
Inhaltsverzeichnis
Die Zeit des Wochenbetts ist eine Phase der physischen und emotionalen Umstellung für frischgebackene Eltern. In dieser sensiblen Zeit ist es entscheidend, Unterstützung zu erhalten, um den Übergang in die neue Lebenssituation zu erleichtern. Trotz unzähligen Ratgebern über die Haltung und Pflege von Babys, gibt es für die Mütter selbst nicht viel mehr, als gut gemeinte – deswegen oft nicht weniger unnütze – Ratschläge, wie zum Beispiel: „Lass doch den Haushalt einfach mal Haushalt sein“. Oder: „Gönne dir doch wieder einmal einen Abend Ausgang“. Sehr hilfreich, wenn es einem vor Müdigkeit bereits die Zehennägel hochrollt und es in der Wohnung aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Wieso Unterstützung im Wochenbett dringend nötig ist
Ich mag jetzt gar nicht in die Leier einstimmen, die sich darüber beklagt, dass heute das soziale Netz der früheren Sippengemeinschaften weggefallen ist. Sich beklagen bringt keine Lösungen und – ehrlich! – ich möchte weder mit meiner, noch mit der Sippe meines Mannes im selben Haus leben! Die Zeiten haben sich geändert und nicht nur sie, sondern wir gleich mit ihnen.
Eine Neumutter wird keine ihr bekannten Menschen (und andere Frauen schon gar nicht!) um Hilfe bitten! Sie denkt nämlich, sie müsse alles selber managen: Ihre Beziehung, ihr altes soziales Netz, ihren Haushalt, ihre Hobbys und neu auch noch ihr Baby. Dass dies nicht gehen kann, versteht sich von selbst. Leider spielen die meisten das ungesunde Spiel mit und tun so, als ob. Dabei sitzt fast jede von ihnen abends völlig kaputt in ihrem Kämmerchen, vergiesst bittere Tränen und fragt sich, wieso sie als Einzige „es“ nicht schafft…
Die Herausforderungen, vor denen Mütter nach der Geburt des ersten Kindes stehen, sind zahlreich: körperliche Erholung, hormonelle Veränderungen und die Anpassung an die Bedürfnisse des Neugeborenen. Ohne angemessene Unterstützung kann diese Zeit überwältigend sein. Fehlende Unterstützung im Wochenbett das Risiko für postpartale Depressionen erhöhen kann.
Was können überforderte Eltern tun?
- Gewöhnt Euch ab, darüber nachzudenken, was denn diese oder jener über Euch denken könnte! diese oder jener sind nicht Euch und in der Mehrzahl aller Fälle haben sie gar keine Zeit, über Euch nachzudenken
- Nehmt Euch selbst nicht so wichtig (siehe oben). Ihr seid nicht das Zentrum der Welt und den meisten Menschen seid ihr egal. Nutzt das aus und tut genau das, was Euch und Euren Kindern gut tut. Der Versuch, es Menschen Recht zu machen, die einem nichts bedeuten – und denen man auch nichts bedeutet – ist Energieverschwendung. Ihr könnt es euch in der jetzigen Situation nicht leisten, Energie zu verschwenden.
- Übernehmt Verantwortung für Euch, Eure PartnerInnen und Eure Kinder. Der Rest der Welt kommt vorläufig auch ohne Euch klar.
- Nur ein einziger Ratschlag betreffend „Kinderhaltung“: Vergesst die Theorien und folgt Eurem Bauchgefühl!
- Ihr müsst niemandem etwas beweisen. Also legt Euer altes Leben auf Eis, bis ihr mit dem Neuen einigermassen klar kommt. Es hat niemand etwas davon, wenn ihr, kaum aus der Wöchnerinnenstation entlassen, schon wieder durch die Nachtclubs flitzt, nur um euren alten Freunden zu zeigen, dass ihr trotz Elternschaft „völlig normal“ geblieben seid.
Was können Familienmitglieder, Bekannte, Freund/innen und Nachbar/innen tun?
- Spart euch die guten Ratschläge und endlose Erzählungen über Eure eigenen Erfahrungen. Jedes Kind und jede Familienkonstellation ist anders und man kann und soll nicht von sich auf andere schliessen und die eigene Situation verallgemeinern. Was man tun kann: Tatkräftig die Neueltern im Wochenbett unterstützen!
- Statt Spielzeug, Plüschtiere und schöne Kärtchen, schenkt lieber selbst gemachte Lasagne (tiefgefroren) oder andere kulinarische Werke für den Tiefkühler, Zeit (z.B. eine grosse Wäsche inklusive Bügeln) oder einen Spaziergang von zwei Stunden, damit die Mutter mal ein Bad nehmen, in Ruhe im Facebook lesen oder ein Mittagsschläfchen machen kann.
- Gründet eine Facebookgruppe im Freundes- oder Nachbarschaftskreis, und koordiniert die Unterstützung im Wochenbett. So stellt Ihr sicher, dass die Hilfe mehrere Wochen dauert, und dass es nicht zu Häufungen kommt.
- Emotionale Unterstützung ist im Wochenbett fast eben so wichtig wie Hilfe im Haushalt. Ein offenes Ohr für die Sorgen und Ängste der jungen Eltern kann Wunder wirken. Gespräche und Ermutigungen stärken das Vertrauen in die Fähigkeiten und fördern das Wohlbefinden der Mutter.
- Statt „simple“ Ratschläge zu geben oder Geschichten aus dem eigenen „Krieg“ zu erzählen kann man auch auf bestehende professionelle Hilfsangebote (z.B. vom Roten Kreuz) und von der Krankenkasse bezahlte Hilfsangebote (Hebammenbetreuung, Stillberatung…) hinweisen.
Carpe Diem und lasst den Haushalt auch mal Haushalt sein.

Unterstützung im Wochenbett
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Das mit der tiefgekühlten Lasagne habe ich mir gemerkt. Ausser, dass ich jetzt noch lernen muss, selber Lasagne zu machen und dann darf ich sie nicht selber wegfressen!
lol
edit: sehr hilfreiche Lektüre in diesem Fall
Wieso lese ich solche vernüftigen (und schön geschriebenen) Posts nicht mal auf Mamablog??
Schon mal gedacht, dort zu schreiben?