Bei mir verändert sich zur Zeit einiges. Es wurde auch langsam Zeit, nachdem der Kurze ja nun schon seit über einem Jahr zur Schule geht, was mir vier „freie“ Vormittage die Woche beschert. Seit Ende August sind noch zwei zusätzliche Nachmittage hinzugekommen, an denen er erst zur Schule geht, danach in den Hort.
Welch Luxus!
Diese Wochentage nutze ich, um in und an meinem Geschäft www.textes-en-allemand.ch zu arbeiten. Das Brot verdient der Mann, und ich die Butter, die Marmelade, die Wurst und den Käse für drauf. Was aber bisher nur so unbefriedigend läuft, jedenfalls müssen wir auch nach mehreren Jahren Selbständigkeit meinerseits Ende Monat mehr rechnen, als uns lieb ist.
Je mehr Coachings, Marketing-Challenges und Webinare ich zum Thema Selbstmarketing verfolge und mitmache, desto klarer kommt auch heraus, dass ich wohl nie wirklich erfolgreich mit etwas werden kann, was ich zwar gerne mache, das mir auch Freude bereitet, das ich aber ganz klar nur als Brötchenjob betrachte. Der echte ™ geschäftliche Erfolg kommt nur dann, wenn man sein Geld mit nicht weniger verdient, als seiner Leidenschaft, mit der Antwort auf die Frage: Weshalb bin ich überhaupt hier?
Jedenfalls, wenn man den Marketinggurus (und -gureusen) glaubt.
Aber ernsthaft, Leute, es muss doch auch darunter gehen?
Das Übersetzen macht grossen Spass. Ich mache es mit Freude und fühle mich dabei meist auch nützlich – aber der Sinn meines Lebens ist es ganz klar nicht. Es ist noch nicht mal meine ultimative Leidenschaft.
Damit ich meiner Leidenschaft, dem Schreiben, nachgehen kann, verschafft mir mein Mann regelmässig kinderfreie Samstage, an denen ich schreiben darf, ohne mich ums Geld verdienen oder den Haushalt kümmern zu müssen. Ein Resultat dieses Arrangements könnt Ihr bald im Buchladen Eures Vertrauens kaufen: Meine erste Veröffentlichung in einem richtigen Buch, nämlich der Anthologie „Der Medicus und seine Viola“ aus dem Vidal Verlag. Das Buch erscheint am 23. November 2015.
Also was ist das Problem?
Das Problem dabei ist mein tief eingeprägter Glaubenssatz „Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“! Ich schreibe so gerne, dass es für mich niemals keine Arbeit wäre, auch wenn es mal anstrengend wird.
Deswegen streife ich Samstag für Samstag durch die Wohnung und suche nach Dingen, die noch zu erledigen wären, bevor ich mir erlaube, mich an meine Schreibprojekte zu setzen.
Doof, oder?
Denn natürlich kann man in einer Altbauwohnung mit drei Bewohner(inne)n – darunter ein Sechsjähriger und zwei überarbeitete Erwachsene – niemals alles erledigt haben. Irgend etwas gibt es immer aufzuräumen, zu putzen, auszumisten oder zu polieren. Man ist schlicht nie zuende mit der Arbeit.
Und wenn ich dann zu mir selber sage: „Alte, jetzt reiss dich zusammen, setz dich an den Schreibtisch und schreibe!“ habe ich so ein schlechtes Gewissen und denke an all die tausend unerledigten Dinge, dass ich ganz hibbelig davon werde und niemals in den Schreibflow komme.
So bin ich natürlich jeden Samstag Abend, wenn die Jungs nachhause kommen, frustriert, weil ich das Gefühl nicht loswerde, die mir geschenkte Schreibzeit vergeudet zu haben.
Deshalb meine verzweifelte Frage in die Runde: Geht es Euch auch so und wie geht Ihr damit um?
Am nächsten Samstag stelle ich dann die nächste Frage: Wie geht man damit um, dass man selber einfach nichts gescheites zustande bringt und alle anderen sowieso besser sind als man selber?
Da gibst du dir eigentlich schon selbst die Antwort auf deine Sinnfragen. Nur hast du es vielleicht selbst nicht gemerkt.
Anleitung: Mische die folgenden 2 Sätze „Der echte geschäftliche Erfolg kommt nur dann, wenn man sein Geld mit nicht weniger verdient, als seiner Leidenschaft.“ und „Ich schreibe so gerne, dass es für mich niemals keine Arbeit wäre“. Vielleicht solltest du mal einen Ressort-Wechsel bei der Arbeit von Ãbersetzen zu reinem Schreiben überdenken 😉
LG
Daniela
Das ist effektiv schon länger Thema bei uns, nur kann ich ganz schlecht kreativ schreiben, wenn ich den wirtschaftlichen Druck oder gar Existenzängste im Rücken habe. Deshalb müssen die Brötchenjobs vorerst noch bleiben. Im Gegensatz zu ganz vielen anderen habe ich immerhin eine Arbeit, die mir gefällt und bin mein eigener Boss.
Hey, also ich glaube schon, dass es auch unter der Leidenschaft geht. Manchmal glaube ich, ich mache eh nur die Dinge mit SpaÃ, an denen eben nicht der Broterwerb hängt. Ich habe zum Beispiel zu Schulzeiten sehr gerne Musik gemacht und lange überlegt, ob das nicht – mit Studium – ein Weg für mich wäre. Mir war aber klar, wenn ich dann nicht mehr täglich eine halbe Stunde spielen „darf“, sondern mehrere Stunden üben „muss“ plus noch vor Juror_innen bestehen muss – dann hat sich das bald mit dem SpaÃ. Ich bin ja auch grad in einer Phase, in der ich mich positionieren muss: Brotjob in Vollzeit, Brotjob in Teilzeit und Bloggen/Buchprojekt in Freizeit oder alles auf eine Karte. Mir haben zwei Menschen sehr geholfen: Die Bücher von Barbara Sher (Stichwort „Scanner“) und Eilzabeth Gilbert. Ja genau, die Autorin von Eat, Pray, Love. Kann man von dem Buch halten, was man will, ich mag die Frau. Und die hat grad ein Buch über den Schreibprozess/Kreativität raus gebracht. Kann man sich im Interview angucken hier: https://www.youtube.com/watch?v=HyUYa-BnjU8 (also ob das jetzt genau Deine Frage beantwortet hat, weià ich nicht, aber ich hoffe, es war eine HIlfe :-))
Liebe Melanie, vielen Dank für den Link mit dem inspirierenden Interview und den Buchtipp. Es ist im September auf deutsch erschienen (y) und ich habs mir gleich auf das Lesegerät geladen.Ãngste sind ein grosses Thema, deshalb weiss ich auch, dass ich kleine Brötchen backen muss – und somit langsamer vorankomme als wenn ich alles auf eine Karte setzen würde. Das ist mir aber echt lieber, als Medikamente gegen die Ãnste nehmen zu müssen, um überhaupt funktionieren zu können.
Wenn du doch gerne schreibst, überlege doch mal, welche Themen dir besonders gut von der Hand gehen. Es gibt viele Jobs als Texter, schau da auch mal in FB… Da kannst dann direkt Texte verkaufen.
Ich glaube, es war Simone de Beauvoir, die aufgedröselt hat, dass alles, was unter Haushaltsarbeit fällt und klassischerweise der Frau zu eigen gemacht wird, deshalb so frustrierend ist, weil es niemals produktiv sein kann, sondern immer nur den Status Quo erhält (ein sauberer Boden ist immer nur wieder herstellbar, nicht für immer zu erhalten). Dadurch kann (meist) die Frau sich nicht durch diese Arbeit transzendieren, sie kann nicht über sich hinauswachsen, sie kann der Welt durch diese Arbeit nicht ihren Stempel aufdücken, sie macht sich nicht unvergänglich. Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, aber auch Kindererzieherinnen tun dies, weil sie mit ihrer Arbeit ein Mehr in der Welt schaffen und nicht ein Mehr Desselben.
Also, vielleicht hilft der Gedanke: Will ich von der Welt gehen und mein Boden war samstags immer sauber oder will ich von der Welt gehen und samstags habe ich gelernt und geschaffen?
Mir hilft bei festgehakten Gedanken auÃerdem Byron Katie und ihre vier Fragen aus The Work: Ist das wahr? Ist das wirklich wahr? Was für ein Gefühl löst dieser Gedanke aus? Wer und wie wärst Du ohne diesen Gedanken?
Viel Glück!