Fast zeitgleich mit Nora Imlaus „Geheimnis zufriedener Babys“, das Eltern ermutigt, möglichst vollständig auf die Bedürfnisse ihres Babys einzugehen , veröffentlichte der Verlag Gräfe und Unzer (GU) diesen Herbst eine weitere Auflage ihres umstrittenen Longsellers „Jedes Kind kann schlafen lernen“.
In den sozialen Medien und auf Blogs wird nun eine Petition herumgereicht, die den Verlag GU dazu auffordert, das umstrittene Buch vom Markt zu nehmen. Obwohl ich das Buch mehr als kritisch ansehe und von seinem Kauf oder der Anwendung der darin propagierten Methode dringend abrate, habe ich die Petition nicht unterschrieben. Und ich finde es auf Deutsch gesagt unter aller Sau, wie die in der Petition namentlich genannte zuständige Pressesprecherin des Verlags teilweise beschimpft wird. Die Presseabteilung macht das Verlagsprogramm nicht!
Ich mag die Methode des „kontrollierten“ alleine weinen Lassens – der Ferber-Methode – nicht. Wegen des hohen Stresses, dem das Baby dabei ausgesetzt wird, halte ich sie für gesundheitsschädigend und dass das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und ihrem Kind bereits im frühen Babyalter so bedroht wird, halte ich ebenfalls für ungut. Es finden sich heute zahlreiche Studien, die die Schädlichkeit verschiedener Aspekte der Methode beschreiben (wenn auch nicht der Ferber-Methode als Ganzes).
(wer sich dafür interessiert: Kathrin Szabó von nestling.org hat eine einfach verständliche Zusammenfassung über diese Art Schlaflernprogramme geschrieben: Schlaflernprogramme, ein Blick hinter die Schreikulisse und in der Broschüre „Kinder brauchen uns auch nachts“ von Sibylle Lüpold kommen erklären namhafte Experten – Largo, Renz-Polster, Hüther, Sears, u.v.m. – die möglichen Nebenwirkungen der Ferber-Methode)
Trotz allem wird die Methode weiter propagiert. Sie verspricht eine schnelle Lösung für ein Problem, das offenbar viele Eltern haben und da so viele Leute das auch gemacht haben und erzählen, ihr Kind hätte keinen Schaden davon getragen, wird die Sache zum Selbstläufer. Wer „es“ getan hat wird sich immer damit rechtfertigen, dass „es“ funktioniert hat und beim Kind kein kurzfristig wahrnehmbarer psychischer Schaden feststellbar sei. „Und es liebt mich immer noch so stark wie vorher“.
Was sollen denn Eltern sonst sagen, die sich aus Unwissen oder reiner Verzweiflung heraus zu dieser Methode entschlossen haben?!
Es gibt bereits genug Hexenjagden. Auch ein Verbot dieses Buches oder der Ferber-Methode würde das Grundproblem heutiger Eltern nicht lösen: Die Isolation, die Tatsache, dass die meisten während den anstrengenden ersten Lebensmonaten völlig allein auf sich selber gestellt sind, das Fehlen eines Stammes. Diese Problematik verschwindet nicht einfach mit dem Buch!
Statt auf verzweifelte Eltern schlafloser Babys und Kleinkinder herumzuhacken wäre es meiner Meinung nach sinnvoller und zielführender, ihnen Hilfestellung zu geben. Sei es im Internet mit Ermutigung und Aufmunterung, dem Hinweis auf andere Ratgeber, wie oben erwähntes „Geheimnis zufriedener Babys“ von Norma Imlau oder Elizabeth Pantleys „Schlafen statt Schreien“ (Werbelink).
Und daneben natürlich die praktische, tatkräftige Mithilfe. Es ist immer einfach, andere zu kritisieren. Aber der übermüdeten Nachbarin mit Neugeborenen anzubieten, mit diesem zwei Stunden spazieren zu gehen, damit die Mutter mal ein Bad nehmen oder sich in Ruhe aufs Ohr hauen kann, ihr einen Teil des Haushaltes abzunehmen oder für die junge Familie ein paar Mahlzeiten zu kochen, ist auf Dauer nutzbringender.
Aufklärung tut dringend Not, aber bitte nützliche, positive Aufklärung: Was können Eltern stattdessen ändern, das der ganzen Familie zu mehr Schlaf verhilft? Und was können wir selber konkret tun, um übermüdeten Eltern zu helfen?
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Schön! Und danke! Ich kriege ja wie immer nichts mit von allem, – weder von dem einen Buch noch vom anderen, noch von einer Petition – aber dein Beitrag ermutigt mich, mal in das erstgenannte Buch zu schauen. Ansonsten sehe ich das genauso: Aufklärung tut not. Und man kann keinen, wirklich keinen Eltern etwas Böses vorwerfen, die in ihrer Verzweiflung und Müdigkeit Hilfe in dieser Methode suchen. Vor 14 Jahren riet mir sogar der Kinderarzt zu diesem Buch.
Es gibt heutzutage wirklich bessere Ratgeber – und sanftere Methoden.
Nora Imlaus Buch werde ich noch im Detail besprechen, bin einfach noch nicht ganz damit durch. Aber ich kann es schon jetzt vorbehaltlos empfehlen.
Ja, die Frage stellt sich mir auch: Wie hilft man Eltern, die überfordert oder verzweifelt sind? Schreibaby-Ambulanzen gibt es bereits (welche offenbar teilweise auch Schlaftrainings propagieren statt die Eltern zu entlasten). Bei den bestehenden Anlaufstellen wie Kinderarzt, Hebamme oder Mütterberatung stösst man ebenso mit 50 zu 50 Chance auf Empfehlungen welche in diese Richtung gehen, statt auf echte Unterstützung. Es ist ja auch einfacher, einer Mutter die total am Ende ist, ein Buch in die Hände zu dücken und sie damit nach Hause zu schicken, als sich die Zeit zu nehmen die Situation mit ihr anzuschauen, zu Analysieren wo der Schuh dückt und welche Massnahmen dann allenfalls entlasten könnten.
Das einzige was mir noch in den Sinn kommt, ist der Babysitterdienst vom Roten Kreuz. Soweit ich gehört habe arbeiten sie professionell und entlasten einfach da, wo es schwierig ist, ohne „rein zu reden“. Aber das ist natürlich auch keine Dauerlösung…
Vom Roten Kreuz habe ich in der Zeit, in der Kurzer 6 bis 8 Stunden täglich im Tuch verbracht hat und weinen musste wenn nicht, ein paar „Bon de Respiration“ bekommen. Da kam dann eine ausgebildete Kinderkrankenschwester für 2 Stunden zu uns nachhause, so dass ich zum Friseur oder in die Massage konnte.
Dann gibt es noch die Mütterhilfe vom Roten Kreuz, die Haushaltsarbeiten usw. übernimmt. Es gibt viele Hilfsangebote, die meisten muss man jedoch aktiv beantragen. Wenn man nur noch funktioniert und das Gehirn vor lauter Schlafmangel nur noch Kompott ist, schafft man es oft nicht mal mehr, nach Hilfsangeboten zu suchen. Umso wichtiger scheint mir, dass Mütterberaterinnen, Hebammen und Kinderärztinnen auf diese Angebote hinweisen.
Nur weil ein Buch nicht einer bestimmten Art des Eltern-seins entspricht heisst das noch lange nicht, dass es verboten werden sollte. Es gibt eine vielfalt von Ratgebern. Dies ist einer davon. Ob man damit übereinstimmt ist eine ganz andere Story.
Ich persönlich finde diesen Ansatz auch nicht förderlich, im Gegenteil. Was ich nicht gutheisse (und spreche hier aus Erfahrung), ist dass Eltern, die diese Art nicht versuchen, tatsächlich mit den Worten „na dann seid ihr halt selbst Schuld“ alleine gelassen werden. Alternativen gibt es, wie du schon sagst, kaum, jedenfalls nicht „einfach“ sichtbar. Die Betroffenen wissen nichts von den Alternativen (wenn man eh übermüdet ist dann sucht man halt auch nicht mehr extensiv sondern gibt ganz schnell einfach auf).
Ich habe das „umstrittene“ Buch auch gelesen und frage mich gerade, ob all diejenigen, die so wahsninnig dagegen sind, es auch getan haben? Eines vorweg: ich habe meine Kleine nie nächtelang durchschreien lassen, das würde mir nicht in den Sinn kommen, egal wie müde ich bin. Das Buch spricht aber auch davon, wie wichtig es ist, das tatsächliche Schlafbedürfniss des Kindes zu kennen und einen Tagesablauf einzuführen, welches dem Rythmus des Kindes entspricht (was nicht unbedingt derjenige der Eltern ist). Ich habe dank des Buches gelernt, vermehrt auf die Bedürfnisse der Tochter einzugehen, mir zu notieren, wann sie wirklich müde ist und wann sie nur quengelt etc. und so habe ich mit dem Einführen von festen Schlafenszeiten/Trinkzeiten erreicht, was uns beiden gut getan hat – sie kam endlich zur Ruhe. Schreien lassen musste ich sie nie, klar, sie hat ein, zwei Tage gequengelt (riesengrosser Unterschied zum Schreien, vor allem bei meiner Tochter), aber ich bin immer wieder heinein, habe sie getröstet und bin dann wieder raus. Und ich merke heute noch (über ein Jahr später), dass sie sich wieder aufregt/in etwas hineinsteigert, wenn wir zu lange bei ihr im Zimmer sind, wenn sie in der Nacht nach uns ruft. Sie will umarmt werden, verlangt nun wörtlich nach ihrem Nuggi und dann schläft sie alleine wieder ein.
Worauf ich hinaus will: das Buch gibt – wie so viele andere auch – Tipps, wie man eine Situation angehen kann. Man kann dann ja ausprobieren und in einzelnen Schritten die Tipps umsetzen, die man persönlich für richtig hält. Ich brauchte nach diesen schlaflosen Wochen einfach etwas, das mir aufzeigt, wie man mein Problem angehen kann. Ich habe dann das Buch gelesen und sehr genau überlegt, wie ich unsere Situation angehen möchte. Es hat mich dazu angeregt, zu überlegen, was auch ich eventuell falsch mache und was mir meine Kleine mit ihren Schreianfällen wol sagen will. Ich brauchte ein Anleitung, damit ich diese hinterfragen konnte – ich hoffe man versteht, was ich damit sagen will…. =)
Bei meiner zweiten Tochter ist das übrigend bis jetzt absolut kein Thema. Sie braucht (noch) keinen so geregelten Ablauf wie es die erste Tochter in ihrem Alter brauchte. Sie ist generell schon viel ruhiger und das zeigt mir doch, wie extrem unterschiedlich Kinder gleicher Eltern doch sein können und das man als sich als Eltern wirklich ständig wieder auf einen neuen Charakter/neue Situation/neuen Lebensabschnitt einstellen muss.
Ich als junge Mutter wünschte mir oft, dass sich mal jemand mit mir hinsetzt, mir zuhört und mir hilft, meine Gedanken zu sortieren. Jemand, der mein Kind nicht einfach als schwierig bezeichnet, sondern mir hilft, meine Kleine besser zu verstehen. Sie ist so total anders als ich vom Charakter her und ich muss noch heute oft Abstand nehmen um sie einschätzen zu können.
Dies meine Gedanken zu dem Thema – Bücher oder Meinungen zu verteufeln hilft niemandem etwas. Zuhören und das Selbstbewusstsein der jungen Eltern zu stärken, hilft dagegen immens.
Liebe Patricia, dank Dir für Deinen Kommentar. Ja, das Buch von Kast-Zahn hat neben der einen umstrittenen Methode noch viele andere Tips und Hinweise, wie man ein Kind zum Schlafen bringen kann.
Diese und andere Hinweise findest Du jedoch beispielsweise bei Pantley („Schlafen statt schreien“) oder jetzt neu Imlau („Geheimnis zufriedener Babys“), oder in Largos exzellenter Gebrauchsanweisung für Babys mit dem Titel „Babyjahre“, das alle Themenbereiche von 0-4 anschneidet oder etwas allgemeiner „Kinder verstehen“ von Renz-Polster.
Was mich bei Kast-Zahn einfach sehr stört, ist die Grundeinstellung gegenüber dem Baby, dieses Misstrauen ihm gegenüber, das durchschimmert. Das ist das Erbe einer Johanna Haarer (bitte googeln) und Kast-Zahn hat es da einfach verpasst, die Resultate der Entwicklungsforschung der letzten 30 oder 40 Jahre in ihr Buch einfliessen zu lassen. Sämtliche Resultate der Bindungstheorie (die unterdessen in der Langzeitstudie bestätigt worden sind) ignoriert Frau Kast-Zahn einfach.
Umstritten oder nicht: Die Inhalte von „JKKSL“ sind wissenschaftlich veraltet. Es gibt heute bessere Bücher auf dem neuesten Stand der Forschung.
Ich als junge Mutter wünschte mir oft, dass sich mal jemand mit mir hinsetzt, mir zuhört und mir hilft, meine Gedanken zu sortieren. Jemand, der mein Kind nicht einfach als schwierig bezeichnet, sondern mir hilft, meine Kleine besser zu verstehen. Sie ist so total anders als ich vom Charakter her und ich muss noch heute oft Abstand nehmen um sie einschätzen zu können.
Das unterschreibe ich Wort für Wort. Wobei ich bezweifle, dass ein Buch das kann, schon gar nicht eines das behauptet zu wissen, was JEDES KIND sollen-wollen-müssen kann. Es gibt nicht „jedes Kind“ sondern nur Individuen.
Und ja: Es fehlt uns heute am Stamm, an den Ãlteren die uns mal entlasten, an „Schwestern“ die uns vorangehen, am ganzen Umfeld wo wir direkt lernen wie Babys „funktionieren“, das Stillen, das Schlafen, das ganze Leben mit Baby, Dann bräuchte es auch weniger Bücher und Rückgriff auf Leute, die behaupten Experten zu sein was wir einfach mal glauben müssen ohne es nachpüfen zu können.
Ich verstehe in diesem Zusammenhang auch nicht, dass Kinderärzte und MüBes nicht mehr mit Eltern sprechen, sondern ihnen einfach dieses Buch empfehlen, grad als ob alle Kinder genau gleich funktionieren würden. Wir sprechen da von Menschen, nicht von Maschinen, und da kann man nicht einfach mal ein paar Knöpfe dücken… Jede Beziehungshandlung hat Auswirkungen, auf einen Hilfeschrei zu reagieren genau so, wie auf einen Hilfeschrei nicht zu reagieren.
Liebe Katharina
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich glaube, wir sind so ziemlich einer Meinung, was das Thema betrifft. Ich kenne die Bücher, welche du angesprochen hast (noch) nicht, ausser natürlich dasjenige von Herrn Largo. Was ich jedoch generell an Büchern/Blogs etc so schätze, ist zu merken, dass ich mit meiner Situation nicht alleine dahstehe. Wenn ich lese, hinterfrage ich und setze mich mit einem Thema auseinander. Ich habe eine grosse und sehr verständnisvolle Familie, jedoch sind meine Geschwister/Eltern nicht in meiner Haut und ich muss mich ja schlussendlich doch mit mir und meinen Kindern auseinandersetzen, um meinen Weg zu finden. Eine grosse Familie heisst auch, viele Meinungen, da kann man auch durcheinander geraten (genauso wie bei den unterschiedlichen Büchern/Theorien).
Um noch einmal auf deine letzte Frage im Post einzugehen: man kann übermüdeten und überlasteten Eltern meiner Meinung nach am allerbesten Helfen, wenn man sie nicht mit gutgemeinten Ratschlägen diverser Art überhäuft, sondern ihnen zuhört und auf sie eingeht. Wenn man sie bestärkt, auf die eigene Intuition zu hören und ihnen alltägliche Dinge wie Einkauf, Haushalt generell, Gartenarbeit etc. abnimmt, damit man zwischendurch einmal zur Ruhe kommt und seine Gedanken/Ideen ordnen und über den Familienalltag so wie er ist und wie er sein könnte nachdenkt. Man muss in die Elternrolle hinein und immer wieder mit ihr wachsen, das braucht Zeit und Nerven…
Nachfrage aus Interesse: von welcher Langzeitstudie ist die Rede? Johanna Haarer hat sich übrigens auch sehr fürs (lange) Stillen eingesetzt. Insofern ist es vielleicht ein bisschen albern immer mit dieser Nazi-Keule anzukommen, wenn es um Schlafprogramme geht.
Hallo Turbo,
Bei der Langzeitstudie handelt es sich um die Untersuchungen von Grossmann & Grossmann, Beschrieben in ihrem Buch „Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit“, Klett & Cotta 2012.
Natürlich ist die Idee, das Kind habe sich an einen festen Rhythmus zu halten, den ihm die Eltern vorgeben, bei Haarer zu finden. Auch in Bezug zum Stillen übrigens: „Ausserhalb der regelmässigen Trinkzeiten gibt es keinen Grund, das Kind an die Brust zu nehmen! Die meisten Mütter sind versucht, diese Regel zu übertreten, wenn ihr Kind schreit. […] Auch das schreiende und widerstrebende Kind muà tun, was die Mutter für nötig hält, und wird, falls es sich weiterhin ungezogen aufführt, gewissermaÃen „kaltgestellt“, in einem Raum verbracht, wo es allein sein kann und so lange nicht beachtet, bis es sein Verhalten ändert. Man glaubt gar nicht, wie füh und rasch ein Kind solches Vorgehen begreift.“ etc. etc. etc. (aus „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, 1941)
Ich werfe Kast-Zahn nicht vor, sie sei Nazisse. Ganz sicher nicht.
Aber ich wollte eigentlich nicht über Haarer diskutieren. Klar ist, inhaltlich sind ihre Anweisungen (natürlich nicht nur ihre, ihr Namen ist einfach am Bekanntesten aber sie stand mit ihrer Einstellung ja nicht alleine im luftleeren Raum) und Ideen nun mal in die deutsche Erziehung eingegangen und Kast-Zahn hat da einiges übernommen (genau so wie unsere ganze Elterngeneration das so gelernt hat). Es ist meiner Meinung nach höchste Zeit, davon wegzukommen!
Vielen Dank für den Literaturhinweis! Ich wollte Dir auch nicht in der Sache Unrecht geben. Nur könnte ich auf die gleiche Weise mit Haarer gegen das Stillen argumentieren. Davon abgesehen bezweifle ich, dass Ferber Haarer kannte oder zeitgeistmäÃig von ihr geprägt wurde.
Ich habe mich auch in keinster Weise auf Ferber bezogen. Natürlich hat der Haarer nicht gelesen. Kast-Zahn hat Haarer vermutlich auch nicht gelesen. Aber die pädagogische Ideologie, für die Haarer symbolisch steht, die hat uns alle beeinflusst. Diese absurde Grundidee oder Grund“angst“, dass ein Baby, dem man seine Bedürfnisse erfüllt. zum verwöhnten Tyrannen würde, die schwingt bei den meisten Eltern in unseren Breitengraden noch mit, sogar bei denen, die sich für einen anderen Weg entschieden haben. Kast-Zahn predigt aber diese Angst, in ihren Texten schwingt immer dieses „wenn ihr nicht auf mich hört werdet ihr schon sehen was ihr davon habt“ mit.
Bei Dr. Ferber liegt die Problematik nochmal anders, da der die nach ihm benannte Methode gar nicht entwickelt hat, damit jedes Kind nach Plan schlafen „lerne“, sondern als Notfallplan für Eltern von Kindern, die über ein Jahr nicht durchgeschlafen haben (also die Eltern) und wo alle anderen Massnahmen nichts gebracht haben.
Dieser Notfallplan aus der Schlafklinik war nie dafür gedacht, dass er grossflächig an allen Babys angewandt würde, sondern wirklich nur bei etwas weniger kleinen Kindern und wenn die Eltern wirklich im Roten drehen und wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Ferber sagte (aus dem Gedächtnis) in einem Gespräch mit Sears, dass wenn er gewusst hätte, wie manche Eltern ihre Babys über Wochen stundenlang schreien liessen und sich dabei auf ihn beriefen, er hätte sie nie publik gemacht. Ferber empfiehlt sie für Kinder über einem Jahr. Kast-Zahn hingegen verschärft sie einerseits, indem sie die Schreizeiten strenger auslegt und sie empfiehlt sie ab 6 Monaten (statt ab 1 Jahr) und für alle Kinder aller Eltern (und nicht nur als allerletzter Notfallplan). Auch vergisst Kast-Zahn, eventuelle Nebenwirkungen aufzuzählen: Allen voran das Risiko, dass das Kind durch die Methode so ängstlich wird, dass es seine Eltern gar nicht mehr aus den Augen verlieren will und sich fortan im Dunkeln fürchtet. Dadurch könnte die eh schon vertrackte Schlafsituation noch verschlimmert werden. Bei Ferber („Getting baby to sleep“) ist das Risiko erwähnt. Bei Kast-Zahn („Jedes Kind kann schlafen lernen“) nicht.
Ich dachte Karst-Zahn bezieht sich zu 99% auf Ferber. Und Ferber ist ja nunmal in den USA und weit entfernt von Nazi-Erziehungsideologien aufgewachsen. Es gibt ein veröffentlichtes Gespräch zwischen Ferber und Sears? Das würde mich total interessieren. Hast Du das irgendwo?
Nur zwei Punkte. Kast-Zahn bezieht sich nicht zu 99% auf Ferber. Sie hat zwar seine Methode übernommen aber in abgeänderter Form, zudem stehen noch viele andere Sachen in ihrem Buch drin. Zweitens stammen ihre Thesen aus derselben psychologischen Ideenschule wie Ferbers, dem sog. Behaviorismus. Sie sind also beidem vom selben Paradigma beeinflusst.
Zum Zweiten: Kast-Zahn wurde von einer „Deutschen Mutter“ erzogen, hat von ihren eigenen Eltern Werte übernommen oder sich in Opposition dazu gestellt. Es wäre eine Illusion anzunehmen, man könne den gängigen Paradigmen und Glaubenssätzen entkommen, die die Gesellschaft prägen, in der man sozialisiert wird. Man übernimmt sie oder lehnt sie ab, aber sie sind da, ganz tief „einprogrammiert“.
Zu diesen Glaubenssätzen gehört beispielsweise die Angst, dass wenn man einem Baby „nachgibt“ (sprich: sein Weinen ernst nimmt) man es damit zum Tyrannen mache. Diese Angst dringt bei Kast-Zahn durch alle Seiten hindurch.
Letzteres will ich auch gar nicht bestreiten. Haarers Buch ist jedoch klar faschistisch, und ihre Erziehungsmaximen sind auf das Wohl des deutschen Volkskörpers ausgerichtet. Das kann ich bei Kast-Zahn beim besten Willen nicht erkennen.
Das habe ich ich auch nicht unterstellt. Kast-Zahn verwendet nur ein paar ähnliche Prämissen, das alleine macht sie aber mitnichten zur Faschistin.
Ich befürworte weder obgenanntes Buch (ausser Schlafprotokoll, Abendrituale,…) noch die Ferbermethode (Kind schreien lassen). Doch die Petition unterschreiben werde auch ich nicht. Zudem verurteile ich nicht jene Eltern, die aus purer Verzweiflung auf diese Einschlafmethode zuückgreifen, doch es gibt bessere und fürs Kind harmlosere „Schlafprogramme“ und Ratgeber. Als Mutter zweier guter Ein- und Durchschläfer (Ausnahmen gabs natürlich auch bei uns ;)), masse ich mir auch nicht an, über Eltern mit Schlafentzug und Schreibabies zu urteilen. Was solche übernächtigte und von Dauerschlafmangel gezeichnete Eltern vor allem und in erster Linie brauchen, sind keine Anfeindungen und Kritik, sondern Hilfe, Unterstützung und Zuspruch! Eine gute Freundin, ein guter Freund, eine Nachbarin, ein Nachbar, oder sonst jemand, der die Kinder tagsüber mal übernimmt, so dass sich die leidgepüfte Mutter etwas von den schlimmen Nächten erholen und sich für ein paar Stunden hinlege kann. Da nützt auch eine Petition nichts daran!
Jeder soll doch das tun, was er für richtig hält. Das muss jede Mutter, jeder Vater für sich selbst entscheiden, wie sie mit diesem „Problem“, dass das Kind nicht durchschläft, umgehen. Ich persönlich plädiere für die Methode Geduld plus Mutterinstinkt, was solche Dinge angeht. Nicht verückt machen lassen, nicht anderen Mütter-Erfahrungen blind vertrauen, immer selber rausfinden, was das Kind braucht, indem man hinhört, hinsieht, hinfühlt. Jedes Kind ist anders, es gibt keinen Masterplan und keinen Beipackzettel. Bücher/Methoden, die einem das suggerieren wollen, sind schlichtweg doof.
Offenbar hat sogar Dr. Richard Ferber zumindest einen Teil seiner Methode 2006 deutlich revidiert und das Familienbett in bestimmten Fällen empfohlen (https://en.wikipedia.org/wiki/Ferber_method).
Aber Kast-Zahn bleibt ein dunkles Kapitel der schwarzen Pädagogik und ein Buch für Eltern aber gegen Kinder.