Wie ein roter Faden ziehen sich gewisse pädagogische Grundsätze durch die Baby- und Kleinkinderzeit und wie rote Fäden sieht man diese Grundsätze leuchten, wenn man sich längere Zeit im Müttermilieu bewegt.
So taucht beispielsweise immer wieder die leidige Schlafensgeschichte auf. Und immer sind es dieselben Mütter, mit immer denselben Problemen. Das Auffällige dabei: Die Lösungsstrategien werden höchstens dem Alter des Kindes angepasst, ändern sich jedoch nicht grundsätzlich: Wo von einem viermonatigen Säugling verlangt wird, dass er langsam aber sicher alleien einschlafen soll, soll derselbe Säugling mit sechs oder sieben Monaten gefälligst durchschlafen. Dasselbe Kind mit zwei oder drei darf in ein normales Bett ziehen, ganz ohne Gitter – und siehe da: Auch dort will es nicht bleiben. Also wird wiederum nach Massnahmen gesucht, wie man das Kind dazu bringen kann, dort zu bleiben.
Da es heute zum guten Ton gehört, „Rabeneltern“ zu sein, können solche Massnahmen auch schon mal Zwangsmassnahmen wie Türschutzgitter oder abgeschlossene Türen sein. Hauptsache, das Kind bleibt in seinem Zimmer und Hauptsache, die Eltern haben „Zeit für sich“.
Der rote Faden? Das Kind muss sich so schnell wie möglich – d.h. ab seinem ersten Lebenstag – dem Leben der Eltern anpassen, die sich ihrerseits wiederum gesellschaftlichen Zwängen unterwerfen.
Wäre es nicht sinnvoller, statt das Kind koste es was es wolle denselben Zwängen zu unterwerfen, diese von Zeit zu Zeit zu hinterfragen, gar infrage zu stellen, und auch für sich, als Eltern zu reflektieren, ob jede Anpassung nötig, sinnvoll oder gar gewünscht ist? Das Resultat, so unsere Erfahrung, ist nicht nur überraschend, sondern sehr bereichernd.
Der rote Faden hat zwei Enden. An einem Ende steht das Kind, das sich gefälligst an das Leben des Kindes anzupassen hat, am andern Ende stehen die Eltern desselben Kindes, welche sich übermässig dem Willen des Kindes anpassen. So kommt es, dass das Zweijährige Mädchen sich ein Fahrrad wünscht. Ein richtiges natürlich, mit Pedalen. Also marschiert man in den Laden und sucht ein Kindervelo. Natürlich findet das Mädchen das rosane Fahrrad das schönste und will es gleich mitnehmen(dass es die Pedalen noch kaum zu benutzen weiss sei hier als Detail notiert). Und alles gute zureden der Erwachsenen kann das Kind nicht dazu bewegen, das güne oder sonstwie andersfarbie Fahrrad schon nur auszuprobieren. Also geht die Familie mit dem rosanen Kindervelo nach Hause, weil sich Prinzesschen dies so gewünscht hat. Genauso verhält es sich beim Essen und allen möglichen Lebenslagen, bis man zu einem Punkt kommt, wo man dann wiederum das Gefühl hat, Eltern wollen sich schliesslich auch nicht immer nur dem Kindeswunsch fügen und „zwingen“ es dann in Schlafkonzepte und Verhaltensregeln, die das Kind so eigentlich gar nicht umsetzen kann.
Wieso nur, frage ich mich, ist den Menschen ein normales Verhältnis zum Grenzen setzen abhanden gekommen? Wieso kriegt ein Kind ALLES was es sich ausdenken kann und gleichzeitig werden seine Grundbedürfnisse in übermässigem Masse beschnitten?
Was du beschreibst habe ich tatsächlich schon gesehen – in ein und derselben Familie. Wenn es um die Erfüllung von Bedürfnissen geht, setzen Eltern Grenzen, dafür „belohnen“ sie die Kinder mit materiellen Gütern oder mit „Verwöhnen“. Selten denken sie dabei über die langfristigen Folgen ihres Handelns oder über die Lektion nach, die sie dadurch ihrem Kind beibringen. Hauptsache, der „Erfolg“ stellt sich kurzfristig ein. Und oft, so scheint mir, wird dabei „brauchen“ und „wollen“ gleich gesetzt oder sogar verwechselt – so oft, dass man sich frägt, ob überhaupt die Eltern den Unterschied noch kennen. So hört man dann „er will nicht schlafen“ statt „er kann nicht schlafen“ oder noch schlimmer: „wieso will er jetzt immer noch nicht schlafen, er hat doch alles bekommen, was er wollte“. Man könnte meinen, sämtliche Beziehungen würden aus einem Handel bestehen, auch schon die Beziehung zwischen Eltern und Kleinkindern.
Der Trick für uns als Eltern besteht im Herstellen einer Win-Win-Situation: Wie bringen wir unsere eigenen Bedürfnisse mit denen unserer Kinder unter einen Hut? Das geht ganz gut, aber sehr oft muss man dazu halt kreative Lösungen suchen und das wiederum erfordet den „politischen Willen“ der Eltern. In vielen Fällen verlangen Eltern halt nicht mehr, als es so zu machen, wie „alle anderen“.
Was ist denn eure Erfahrung,, die du im letzten Satz andeutest?
Zum Rest: meine Erfahrung mit dem Thema ist gering und das meiste stammt aus zweiter Hand. Allerdings kann ich – zumindest hier für D – keineswegs konstatieren, dass Rabenelterntum zum guten Ton gehörte und schon gar nicht, dass gesellschaftliche Zwänge hier hineinspielen. Vielmehr erlebe ich es so, dass Eltern kleiner Kinder Schlaf bitter nötig haben und ebenfalls ein wenig Zeit für sich, weil sie buchstäblich auf dem Zahnfleisch kriechen, wenn es dauerhaft anders ist. Brauchst du das alles nicht? Und wenn doch, wie erreichst du es, wenn dein Sohn das nicht einsieht?
Wer von einem Säugling oder einem Zweijährigen Einsicht verlangt, hat ein massives Problem. Einsicht erfordert die Fähigkeit zur Empathie – und die entwickelt das menschliche Gehirn etwa mit vier Jahren.
Oder anders gesagt: Weniger Stress, weniger auf-dem-Zahnfleisch-gehen, wenn man sich klar macht: Was kann mein Kind mit welchem Alter? Welche Fähigkeiten entwickelt es in welcher Reihenfolge? Mit diesem Wissen im Rucksack kann man die ganze Erziehungskiste viel gelassener angehen und das wiederum ist schon die halbe Miete des stressfreien Zusammenlebens.
Die „klassische“ Erziehung, in deren Genuss wir mehr oder weniger selber kamen, basiert darauf, dass das Kind zugunsten der Eltern zuückstehen muss. Ich plädiere für einen Stil, bei dem beide Seiten gewinnen. Es ist an uns, den Eltern, diese Win-Win-Situationen herzustellen. Und das geht nun mal erst dann, wenn man aus den „herkömmlichen“ Wegen ausbricht. Beispiel Schlafen: Ich brauche Nachtschlaf, mein Kind kann nicht durchschlafen und weint, wenn es alleine aufwacht (das hat nichts mit Wollen zu tun, sondern mit einer biologischen Eigenschaft von Primatenbabys, die ohne die ständige Anwesenheit von Erwachsenen in freier Natur nicht überlebensfähig sind).
Auf den ersten Blick ein Konflikt, bei dem entweder die Eltern oder das Kind auf die Erfüllung der jeweilige Bedürfnisse verzichten müssen. Auf den zweiten Blick gibt es eine Lösung, bei denen die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllt werden: Room-sharing. Um auf diese Lösung zu kommen, muss man aber bereit sein, die bekannten Trampelpfade zu verlassen.
Einsicht entsteht ja nicht von einem Tag auf den anderen mit dem Morgen der Vollendung des 4. Lebensjahres. Nachgewiesen ist, dass schon sehr kleine Kinder Empathie zeigen können, Quellen kann ich heraussuchen.
Davon abgesehen musst du „einsehen“ nicht wörtlich nehmen, es geht einfach darum, was passiert, wenn die Interessen und Bedürfnisse sich unterscheiden.
Und glaubst du nicht, dass die allermeisten Eltern versuchen, abzuschätzen, was ein Kind wann kann und daran auch die Ãberlegung knüpfen, es z.B. irgendwann mal in seinem eigenen Bett schlafen zu lassen? Du schreibst ja selbst von einer Abstufung dessen, was Eltern sich so vorstellen, was das Kind sukzessive lernen könnte.
Und Room-Sharing? Ich kenne kaum eine Familie mit kleinen Kindern, wo das nicht praktiziert würde. DAs löst allerdings nur einen kleinen Teil der Probleme.
Wenn der oder die Kleine nachts spielen will statt zu schlafen, hilft Room Sharing gar nichts.
Wenn es ununterbrochen gestillt werden will, ebenfalls nicht.
Wenn euer Sohn damit zufriedenzustellen ist, dass ihr im gleichen Raum seid wie er, schätzt euch glücklich. Die meisten Kinder sind das nicht, je jünger, desto weniger – und das sind auch nicht alles gleich Verhaltensgestörte.
Vielleicht ist Empathie das falsche Wort. Fakt ist, dass sich Junge der Spezies Homo sapiens sapiens nicht vor ungefähr, zirka, plus-minus, grosso modo Vier Jahren in Andere hinein versetzen, deren Perspektive einnehmen können (manche können es auch als Erwachsene noch nicht 😉 ).
„Und glaubst du nicht, dass die allermeisten Eltern versuchen, abzuschätzen, was ein Kind wann kann und daran auch die Ãberlegung knüpfen, es z.B. irgendwann mal in seinem eigenen Bett schlafen zu lassen? Du schreibst ja selbst von einer Abstufung dessen, was Eltern sich so vorstellen, was das Kind sukzessive lernen könnte.“
Den Glauben habe ich in den letzten zwei Jahren verloren. Zu viele Eltern sind mir begegnet, die eben gerade nicht – wie von mir gepredigt – darauf achten wie weit das Kind ist, wozu es schon bereit ist, welcher Entwicklungsschritt ansteht. Viele, viel zu viele, halten sich an Ratgeberbücher und Expertenrat: Mit vier Monaten muss ein Kind das und das können, mit sechs Monaten das und das, mit 12 Monaten das und das. Und wenn’s (noch) nicht passt, werden „Programme“ angewandt, teilweise sogar Zwangsmassnahmen (mit der Decke anbinden, damit das Kind im Bett bleibt, Zimmertüre abschliessen, damit er nicht rauskommt,….), später dann, wenn es mit 18 Monaten nicht laufen kann, geht’s ab in die Psychomotorik, und wenn’s mit zwei Jahren noch nicht sprechen kann in die Psychologopädie, dann wird korrigiert und therapiert, teilweise auch medikamentös, nur weil die Kleinen sich nicht ans gesellschaftlich vorgeschriebene Programm halten.
Das mit dem Room-sharing war auf unsere konkrete eigene Familie bezogen. Für uns ist es die perfekte Lösung. (die Phase mit dem Spielen wollen hatten wir auch, sie dauerte drei Nächte weil ich sooooo langweilig war und das Licht aus blieb). Dauerstillen ist nie „wollen„, sondern immer „brauchen„. Da ist dann entweder Bed-sharing angesagt (für Mütter, die im Schlaf stillen können, die wachen dann nicht mal mehr auf) oder wenn die Mutter damit nicht umgehen kann, nach der Ursache des Bedürfnisses suchen und diese beheben (ist es Durst? dann geht auch Wasser… ist es Saugbedürfnis, dann geht auch ein Nuckel… ist es Nähebedürfnis, dann kann’s auch mal ein Plüschi oder Papa sein… etc.)
Liebe Katharina, ich gehe mit dir einig, dass die Kinder sich nicht in allem uns Eltern anpassen müssen. Doch denke ich, dass man nicht darum herum kommt, dass sich Kinder anpassen MUESSEN. Und zwar an gewissen Normen unserer Gesellschaft. Und diese gibt es einfach. Ich denke aber zu wissen, was du meinst, und im Grundsatz gehe ich mit dir einig. Ein Kind soll nicht dies oder jenes tun oder unterlassen müssen, nur weils den „Rabeneltern“ grad so in den Kram passt oder eben nicht. Ich habe da aber einige andere Beispiele, die ich für geeigneter betrachte als jetzt unbedingt das Beispiel vom Schlafen. Wir waren mit unseren Kindern recht konsequent und haben es füh „erreicht“, dass sie viel, gut und selbständig schlafen. Ich sehe das weniger als einen Zwang sich uns gegenüber so verhalten zu müssen, sondern vielmehr auch als etwas Gutes für unsere Kinder, für die das Thema kein Schreckgespenst darstellt.
Vielleicht ist das Schlafen ein schlechtes Beispiel. Schlafkultur ist ein Teil der Familienkultur und da gibt es kaum Richtig und Falsch, sondern nur Anders. Als überzeugte Co-Schläfer können wir das Missionieren natürlich nie ganz lassen 😉
Ich habe das Beispiel gebracht, weil mir neulich ein junges Elternpaar begegnete, die in ihrem Erziehungsstil schwankendd sind. Einmal hin, einmal her und wenn das Kind entsprechend reagiert kommt natürlich Stress auf, die gewünschte Harmonie ist dahin und man greift zu Zwangsmassnahmen (in Bezug auf’s Schlafen: Einsperren im Kinderzimmer). Das gibt mir sehr zu denken… Gerade solchen Eltern, denen es eigentlich gefällt, wenn das Kind bei ihnen im Zimmer schläft, wo es ihnen eigentlich auch egal wäre, und wo es dem Kind eigentlich am wohlsten wäre, die dann aber so unsicher sind, dass sie äusserem Druck nachgeben und „contre-coeur“ das Kind ausquartieren, gerade dort kommt es dann zu solchen Auswüchsen und Notmassnahmen, wie eben dem Einsperren, weil wiederspüchliche „Schwingungen“ in der Luft hängen und das Kleinkind eher auf die unbewussten als auf die bewussten Botschafen reagiert. Solchen Eltern möchte ich Mut machen, ihren eigenen Weg zu verfolgen. Egal was Andere daüber sagen und egal, was „man“ „normalerweise“ tut.
Kat, nimm’s mir nicht übel, oder möglichst wenig, aber einige klingen für mich sehr nach „Die anderen kapieren es alle nicht, lassen sich von der bösen Gesellschaft was diktieren, aber ich/wir wissen Bescheid, wie es geht, und es ist doch auch so einfach“ ärgern mich kolossal.
Vielleicht ist hier in D auch alles anders, aber ich erlebe eher, dass Eltern sich von ihren Kindern terrorisieren lassen, konkretes Beispiel ein Klient von mir, Kind um die 3 Jahre alt, soll nun langsam in den Kiga gehen. Die damit verbundenen Probleme sorgen dafür, dass die komplette Familie drei oder vier Wochen lang lahmgelegt ist, Coaching-Termine ausfallen müssen etc. Derartiger Affentanz ist für mich die Folge, wenn man unterstellt „alles, was das Kind will, ist auch das, was das Kind braucht und muss es deshalb auch bekommen.“ Einige deiner Postings lesen sich für mich so. Womöglich habt ihr aber einfach nur einen pflegeleichten Sohn – schätzt euch glücklich, aber unterstellt nicht, dass andere es genauso handhaben könnten wie ihr, sähen sie nicht von gesellschaftlichem Druck oder sonstwas zu anderem genötigt. Mal durchschlafen zu wollen, mal eine halbe Stunde etwas tun zu wollen, ohne von permanenten „Mama“-Rufen unterbrochen zu werden, das ist IMO kein von der Gesellschaft oktroyierter Wunsch.
Nein, ich nehm’s dir nicht übel, bin nur ein wenig traurig, dass ich mich nach all den Jahren immer noch nicht besser ausdücken kann.
Derartiger Affentanz ist für mich die Folge, wenn man unterstellt âalles, was das Kind will, ist auch das, was das Kind braucht und muss es deshalb auch bekommen.â Einige deiner Postings lesen sich für mich so.
Der Satz, dass alles, was das Kind will, auch das ist, was das Kind braucht, ist doch so offensichtlicher Unsinn, dass ich es nicht für nötig halte, jedes Mal erneut darauf hinzuweisen, dass es Unsinn ist. Es gibt ganz klare Unterschiede zuwischen Wollen und Brauchen, zwischen Wünschen und Bedürfnisse. Versteht sich das nicht von selbst? Muss man wirklich ständig darauf hinweisen?
Mal durchschlafen zu wollen, mal eine halbe Stunde etwas tun zu wollen, ohne von permanenten âMamaâ-Rufen unterbrochen zu werden, das ist IMO kein von der Gesellschaft oktroyierter Wunsch.
Auch diese Aussage halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Eltern wollen nicht nur „mal durchschlafen“, sie müssen es auch, sonst funktionieren sie nicht mehr (es ist also ein Bedürfnis, nicht nur ein Wunsch).
Ich halte mitnichten das Problem für gesellschaftlich vorgegeben. Sondern sehr oft die gewählten Lösungen. In manchen Fällen mögen die passen, in anderen passen sie jedoch nicht (jede Familie ist anders!). Und zwar deshalb, weil sie entweder den Bedürfnissen des Kindes, oder den Bedürfnissen der Eltern nicht gerecht werden. Ich finde es exorbitant wichtig nach Lösungen zu suchen, die allen Beteiligten gerecht werden. Auch den Kindern. Und auch den Eltern.
Und noch eine weitere Sache:
Du kritisierst einerseits, dass Eltern zu sehr darauf schauen, ob eine Entwicklung möglicherweise verzögert ist, und dann vorschnell zum Arzt rennen – andererseits aber plädierst du dafür, genau zu schauen, wie weit das Kind jetzt ist und was es kann.
Und du sagst, man solle nach den Ursachen schauen, wenn ein Kind schreit, ob es Durst hat etc – andererseits mokierst du dich über Eltern die genau das versucht haben und sich dann fragen, was denn nun noch fehlt, dass das Kind schlafen kann.
Ich verstehe diese aburteilende Sicht auf Eltern, die sich in den allermeisten Fällen bis zur SElbstzerfleischung bemühen, wirklich nicht.
Und noch eine weitere Sache:
Du kritisierst einerseits, dass Eltern zu sehr darauf schauen, ob eine Entwicklung möglicherweise verzögert ist, und dann vorschnell zum Arzt rennen – andererseits aber plädierst du dafür, genau zu schauen, wie weit das Kind jetzt ist und was es kann.
Absolut. Das Wissen über den jeweiligen Entwicklungsstand hilft mir zu erkennen, ob eine bestimmte „Forderung“ nun einem Bedürfnis entspricht oder einfach ein Wunsch des Kindes ist. Dem entsprechend kann ich meine Reaktion anpassen.
Beispiel:
Ein 4-monatiges Kind kann nicht alleine Essen. Es kann es nicht. Egal ob ich mit dem Schicksal hadere, mich auf den Kopf stelle, mir die Haare ausreisse, Lernprogramme initiiere, es hungern lasse, damit es es schneller lernt… es kann es nicht!
Bei einem 4-jährigen Kind, das Fütterung verlangt, kann man hingegen davon ausgehen, dass es nicht selber essen will.
Und du sagst, man solle nach den Ursachen schauen, wenn ein Kind schreit, ob es Durst hat etc – andererseits mokierst du dich über Eltern die genau das versucht haben und sich dann fragen, was denn nun noch fehlt, dass das Kind schlafen kann.
Definiere „alles“.
Nein, ich mockiere mich nicht. Ich ermuntere genau diese Eltern, über den mitteleuropäisch-nordamerikanischen Tellerrand hinaus zu schauen und anderen Lösungen zu suchen, als den paar, die in „Jedes Kind kann schlafen lernen“ beschrieben sind. Jede Familie ist anders, jedes Kind ist anders, da funktionieren keine Patentrezepte und „jedes Kind kann…“ nach Schema F schlafen lernen erst recht nicht.
Ich verstehe diese aburteilende Sicht auf Eltern, die sich in den allermeisten Fällen bis zur SElbstzerfleischung bemühen, wirklich nicht.
Und ich verstehe nicht wie ich mich anders ausdücken soll, damit meine Postings nicht als „aburteilen“ gelesen werden, sondern als „Mut machen, nach Lösungen ausserhalb des Mainstreams zu suchen, wenn die gängigen Lösungen nicht funktionieren“. Wenn sich Eltern „bis zur Selbstzerfleischung bemühen“ müssen, wie du schreibst, dann wäre IMO ein Strategiewechsel angebracht. Alleine für’s Schlafen gibt es so viele Problemstellungen, wie es Familien gibt – es wäre doch völlig unlogisch, das da immer genau dieselbe Lösung (Kind im eigenen Bett im eigenen Zimmer) angebracht wäre?
Suchst du in deinen Coachings nicht auch nach individuellen Lösungen und machst du deinen KlientInnen nicht auch Mut, etwas Unkonventionelles auszubrobieren, wenn dies für sie passen könnte? Auch und gerade dann, wenn ganz offensichtlich für sie nicht funktioniert wie „man“ es normalerweise macht?
Nicht, dass es dir weiterhilft, aber ich verstehe genau, was du meinst 😉
Nur, was mich an dem ganzen stört, ist, dass ich mir das gar nicht wirklich vorstellen kann, dass andere nie weg von ihren Trampelpfaden gehen. Für mich ist das alles total offensichtlich und gar nicht des Schreibens wert, auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick geht die Antwort vielleicht in die Richtung, dass Trampelpfade verlassen, gesellschaftliche Zwänge erstmal erkennen _und_ dann noch sich selber ändern — das alles ist verdammt hart! Wenn man Glück hat, dann hat man es in ein paar Bereichen wieso auch immer geschafft, bzw. das Kind macht es einem einfach. (Wenn wir nur Nr. 2 gehabt hätten, dann wären wir die absoluten ober-hammer Arschlocheltern, weil er einfach zu easy ist, im Vergleich!) Wenn man noch mehr Glück hat, dann sind die Kinder so fordernd und Grenzen austestend, dass man einfach gezwungen ist, die Probleme zu hinterfragen und nach alternativen Lösungen zu suchen 🙂
Und: böse Blicke von den genervten ÃV-Abendverkehrsteilnehmern und abschätzige Kommentare von der Bekanntschaft an sich abprellen zu lassen, das muss auch erstmal geübt werden. Ich glaube, man muss sich erst mal selbst von den gesellschaftlichen Zwängen befreien, bevor man es für sein Kind tun kann.